OGH 8ObA44/05m

OGH8ObA44/05m6.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Gerda Höhrhan-Weiguni und Dr. Christoph Kainz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Gerhard L*****, vertreten durch Dr. Rudolf Tobler und Dr. Karl-Heinz Götz, Rechtsanwälte in Neusiedl am See, wider die beklagte Partei Herlinde L*****, vertreten durch Mag. Andrea Seidl, Rechtsanwältin in Großenzersdorf, wegen EUR 21.820,31 sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. April 2005, GZ 8 Ra 33/05i-33, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 9. Juni 2004, GZ 24 Cga 45/03i-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie wie folgt zu lauten haben:

Das Klagebegehren, die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei EUR 21.820,31 netto samt 9 % Zinsen aus EUR 21.820,31 ab 1. 4. 2001 bis 31. 7. 2002, 10,75 % Zinsen aus EUR 21.820,31 ab 1. 8. 2002 bis 10. 12. 2002, 10,2 % Zinsen aus EUR 21.820,31 ab 11. 12. 2002 bis 8. 6. 2003 und 9,47 % Zinsen aus EUR 21.820,31 seit 9. 3. 2003 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei an Kosten

a) des erstgerichtlichen Verfahrens EUR 6.613,50 (darin enthalten EUR 1.102,25 USt)

b) des Berufungsverfahrens EUR 1.652,70 (darin enthalten EUR 275,43 USt) sowie

c) des Revisionsverfahrens EUR 2.250,44 (darin EUR 198,24 USt und EUR 1.061,-- Barauslagen)

binnen 14 Tage zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagten gehören zwei Hotelbetriebe, die als Familienunternehmen geführt werden. Der klagende Ehegatte war sowohl für das Service, aber auch die finanzielle Gebarung, u.a. die Auszahlung an die Dienstnehmer, aber auch die Besprechungen mit Buchhaltern und Steuerberatern zuständig und für sämtliche Betriebskonten zeichnungsberechtigt. Er konnte seine Arbeitszeit selbst einteilen und hat nebenbei auch noch die Weingärten der Familie betreut. Er wohnte gemeinsam mit der beklagten Ehegattin in einem der beiden Hotels. Er war in all den Jahren als Angestellter bei der Sozialversicherung angemeldet. Seine Gelder hat er selbst der Kassa entnommen. Schließlich kam es zu verschiedenen Ehestreitigkeiten und der Kläger beantragte in der zweiten Jahreshälfte des Jahres 2000 im Hinblick auf seine gesundheitlichen Probleme die Berufsunfähigkeitspension. Eine in diesem Zusammenhang von ihm begehrte Gehaltserhöhung, um eine höhere Pension zu erhalten, wurde von der Beklagten abgelehnt. Im März 2001 teilte der Kläger dann der Beklagten mit, dass er in Pension gehe. Dem Steuerberater der Familie wurde vorerst mitgeteilt, dass eine Dienstgeberkündigung vorliege, danach jedoch, dass eine Dienstnehmerkündigung erfolgt sei. Jedenfalls veranlasste er die sofortige Abmeldung des Klägers per 31. 3. 2001. Erstmals im Mai 2003 begehrte der Kläger schriftlich eine Lohnabrechnung für März 2001.

Mit seiner Klage macht der Kläger nunmehr die ihm behauptetermaßen auf Grund seines Dienstverhältnisses zustehenden restlichen Ansprüche für März 2001 sowie Abfertigungsansprüche im Ausmaß von EUR 22.929,31, und zwar im Ergebnis zusammen netto EUR 21.820,31 geltend. Die Beklagte befinde sich im Zahlungsverzug. Ihre aufrechnungsweise eingewendeten Gegenforderungen seien unberechtigt, die Kredite seien für das Unternehmen aufgenommen und auch aus den Mitteln zurückbezahlt worden. Auf sein Dienstverhältnis komme der Kollektivvertrag für Angestellte im Gastgewerbe zur Anwendung, der für die hier maßgeblichen Ansprüche hinsichtlich der Abfertigung und der Sonderzahlungen keinen Verfall vorsehe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass der Kläger überhaupt nie als Arbeitnehmer beschäftigt worden sei und es im Ergebnis auch nur um die Streitigkeiten um eine gemeinsame Liegenschaft gehe. Der Kläger habe sich selbst bei der Sozialversicherung angemeldet, um eine Pension zu erhalten, aber keinerlei Arbeitsleistungen erbracht, sondern ein Haus in Ungarn erworben, wo er seine Zeit mit jungen Ungarinnen verbringe. Auch habe die Beklagte die gemeinsam aufgenommenen Darlehen zurückerstattet, woraus sich eine Kompensandoforderung der Beklagten über EUR 750.000,-- ergebe, die die Beklagte einwende. Dies werde auch auf die zu hohen Abhebungen des Klägers gestützt.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung als zu Recht, jedoch die eingewendeten Gegenforderungen als nicht zu Recht bestehend fest und gab dementsprechend dem Klagebegehren statt. Es folgerte rechtlich im Wesentlichen, dass schon allgemein je gehobener die Stellung eines Arbeitnehmers in der Unternehmenshierarchie sei, sein selbständiger Handlungsspielraum zunehme. Dieser sei in dem Familienunternehmen ähnlich einem Geschäftsführer besonders groß gewesen. Auch wenn der Kläger nicht an Arbeitszeiten gebunden gewesen sei, sei er doch für das Service und die finanzielle Gebarung zuständig gewesen. Insgesamt sei von einem Überwiegen der wesentlichen Merkmale für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses auszugehen. Habe doch die Beklagte zuletzt auch sein Ansuchen um Gehaltserhöhung und die Auszahlung der Abfertigung abgelehnt.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten nicht Folge. Es folgerte rechtlich im Wesentlichen, dass eine fehlende Weisungsunterworfenheit nicht zwingend gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses spreche, wenn durch bestimmte sachliche Erfordernisse und eine volle Inanspruchnahme durch die Beschäftigung die freie Bestimmung des eigenen Verhaltens im Sinne einer persönlichen Abhängigkeit eingeschränkt werde. Dem Kläger sei im Familienunternehmen ein konkreter Aufgabenbereich zugewiesen worden, und zwar das Service und die finanzielle Gebarung. Es stehe auch nicht fest, dass es ihm völlig frei gestanden sei, den Betrieb nach seinem Gutdünken zu gestalten und die Arbeit an andere Mitarbeiter zu delegieren, weshalb von einer persönlichen Dienstpflicht auszugehen sei. Auch die Auslastung sowohl in der Sommersaison als auch der Wintersaison spreche für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses. Eine Gewinnbeteiligung sei nicht festgestellt worden. Im Hinblick auf die Anmeldung zur Sozialversicherung, die regelmäßige Auszahlung eines Lohnes, die fehlende Gewinn- und Verlustbeteiligung sowie der ganzjährigen Vollbeschäftigung sei ausreichend deutlich vom Willen zum Abschluss eines Dienstvertrages zwischen den Ehegatten auszugehen und nicht bloß von einer Mitwirkung in Erfüllung der familiären Beistands- und Mitwirkungspflichten.

Rechtliche Beurteilung

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht wegen Fehlen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO als nicht zulässig.

Die gegen dieses Urteil erhobene außerordentliche Revision der Beklagen ist zulässig. Das Berufungsgericht ist auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, wonach im Allgemeinen bei Diensten von Familienmitgliedern kein Arbeitsvertrag begründet wird, wenn der Wille der Beteiligten zur Begründung eines Arbeitsvertrages nicht deutlich zum Ausdruck kommt, (vgl dazu ausführlich OGH 28. 3. 2001, 9 ObA 25/01v = DRdA 2002/30) nicht unter ausreichender Berücksichtigung der Charakteristika des Arbeitsvertrages eingegangen.

Allgemein wird als wesentliches Abgrenzungskriterium des Arbeitsvertrags im Sinne des § 1151 ABGB von anderen Vertragstypen die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers, also dessen Unterworfenheit unter die funktionelle Autorität des Arbeitgebers, die sich in der organisatorischer Gebundenheit insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und Kontrolle äußert, festgehalten (vgl RIS-Justiz RS0021306 mwN, etwa OGH 17. 2. 2005, 8 ObA 20/04f). Als typisch werden die persönliche, auf Zeit abgestellte Arbeitspflicht, die Fremdbestimmung und die organisatorische Eingliederung in den Betrieb einschließlich der Kontrollunterworfenheit angesehen. Der Arbeitgeber erhält die Verfügungsmöglichkeit über die Arbeitskraft des Arbeitnehmers, trägt dafür aber auch das wirtschaftliche Risiko des Erfolg des Betriebes (vgl RIS-Justiz RS0021284 mwN). Zutreffend hat das Berufungsgericht grundsätzlich hervorgehoben, dass nicht die einzelnen Merkmale, sondern das Überwiegen der für das Vorliegen eines abhängigen Arbeitsverhältnisses sprechenden Merkmale entscheidend ist (vgl auch dazu RIS-Justiz RS0021284 mwN, zuletzt auch etwa OGH 17. 2. 2005, 8 ObA 20/04f). Nach ständiger Judikatur nicht entscheidend für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses ist die Anmeldung zur Sozialversicherung (vgl etwa OGH 9 ObA 25/01f = DRdA 2002/30).

Soweit nun Ehegatten im Betrieb des Ehepartners mitwirken, bedarf es dafür nicht der Begründung eines besonderen Rechtsverhältnisses, sondern dies kann auch ausschließlich auf Grund der familiären Beistandspflicht erfolgen. Ordnet doch § 90 Abs 2 ABGB auch ausdrücklich an, dass ein Ehegatte im Erwerb des anderen mitzuwirken hat, soweit ihm dies zumutbar und nach den Lebensverhältnissen des Ehegatten üblich ist und nichts anderes vereinbart wurde (vgl dazu auch Stabentheiner in Rummel ABGB3 § 90 Rz 10 f; Schwimann/Ferrari in Schwimann ABGB3 § 90 Rz 12). Dafür hat der im Betrieb des Ehepartners mitarbeitende Ehegatte auch einen eigenen Anspruch auf angemessene Abgeltung seiner Mitwirkung nach § 98 ABGB. Dieser Anspruch richtet sich zufolge § 98 nach der Art und Dauer der Leistung, aber auch den gesamten Lebensverhältnissen und gewährten Unterhaltsleistungen. Im Gegensatz zum Entgeltanspruch ist dieser Abgeltungsanspruch des Ehegatten gegen den Ehepartner daher auch vom wirtschaftlichen Erfolg, also etwa der Ertragslage des „Familienbetriebes" abhängig (vgl dazu Schwimann/Ferrari aaO § 98 Rz 4; ebenso Stabentheiner aaO § 98 Rz 2).

Genau einen solchen Abgeltungsanspruch macht aber der Kläger gegenüber der beklagten Ehegattin, deren wirtschaftliche Verhältnisse im Übrigen offensichtlich dazu geführt haben, dass sie mittlerweile Verfahrenshilfe beantragte, nicht geltend: Er stützt sich vielmehr auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, bei dem er unabhängig vom wirtschaftlichen Erfolg einen Entgeltanspruch hätte. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits in der mehrfach genannten Entscheidung vom 28. 3. 2001 zu 9 ObA 25/01v (= DRdA 2002/30 [insoweit zust. Dellinger]) hervorgehoben, dass bei der Mitarbeit von Ehegatten im Betrieb des anderen Ehepartners von einem Arbeitsverhältnis nur dann ausgegangen werden kann, wenn dessen Abschluss deutlich zum Ausdruck kommt (vgl dazu auch schon OGH 25. 2. 1998, 9 ObA 351/97a).

Davon kann aber hier nicht ausgegangen werden. Nicht nur, dass überhaupt keine ausdrückliche Vereinbarung zwischen den Parteien festgestellt werden kann, ist auch eine Eingliederung im Sinne einer Unterwerfung des Klägers unter die funktionale Autorität der Beklagten als „Arbeitgeberin" oder eine vereinbarte Bindung an bestimmte sachliche Erfordernisse und Grundsätze (vgl dazu auch RIS Justiz RS0021375 mwN etwa 8 ObA 26/99b) nicht feststellbar (vgl insb zur Bedeutung der fehlenden Ein- bzw „Unterordnung" OGH 6. 9. 2000, 9 ObA 161/00t; zu Lebensgefährten). Der Kläger konnte nicht nur seine Arbeit völlig frei einteilen und war für seine Bereiche völlig frei verantwortlich, sondern hat auch über sämtliche Betriebskonten frei verfügen können. Dass zuletzt - im Zusammenhang mit den Ehestreitigkeiten und dem Ausscheiden des Klägers aus dem Betrieb - die Beklagte aus ihrer Stellung als Verfügungsberechtigte bzw Eigentümerin dem Kläger Schranken setzte, kann allein ein Arbeitsverhältnis noch nicht begründen.

Insgesamt ist es also dem Kläger nicht gelungen Umstände nachzuweisen, aus denen deutlich ersichtlich wäre, dass ein Wille der Streitparteien bestand ein Arbeitsverhältnis zu begründen und die Mitarbeit des Klägers nicht ausschließlich auf der familiären Beistandspflicht beruhte.

Dementsprechend waren die ausschließlich auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses gestützten Begehren des Klägers abzuweisen.

Bei diesem Ergebnis war auf die kompensando eingewendeten Gegenforderungen nicht einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 2 ASGG sowie §§ 50 und 41 ZPO.

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