OGH 4Ob181/05d

OGH4Ob181/05d4.10.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß als Vorsitzende und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Betroffenen Wilhelmine P*****, geboren am *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der früheren Sachwalterin Theresia Pöllinger, Hausfrau, ebendort, vertreten durch Dr. Karlheinz Angerer, Rechtsanwalt in Bad Aussee, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben vom 13. Juli 2005, GZ 3 R 49/05w-52, mit dem der Beschluss der Bezirksgerichts Irdning vom 26. April 2005, GZ 12 P 5/05h-41, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden ersatzlos aufgehoben, soweit die bisherige Sachwalterin ihres Amtes enthoben wird; der an ihrer Stelle bestellte neue Sachwalter wird seines Amtes enthoben.

Text

Begründung

Mit Beschluss vom 14. 2. 2001 (ON 15) bestellte das - mittlerweile aufgehobene - Bezirksgericht Bad Aussee für die Betroffene deren (nunmehrige) Schwiegertochter gemäß § 273 Abs 3 Z 3 ABGB zur Sachwalterin. Die Betroffene leidet an einer senilen Demenz Typ Alzheimer, es liegen auch altersbedingte Hirnfunktionsstörungen vor. Sie bezieht laut Auskunft der Pensionsversicherungsanstalt vom 5. 7. 2005 eine Witwenpension von rund 300 EUR und Pflegegeld der Stufe 6 (1.171,70 EUR). Sie wohnt im Haushalt ihres Sohnes und der Sachwalterin und wird von letzterer gepflegt und betreut (AS 73, 119, 123, 209).

Die Betroffene war Eigentümerin jener Liegenschaft, auf der sie mit der Familie ihres Sohnes lebt. Am 29. 3. 2001 übergab sie die Liegenschaft an die Sachwalterin (ON 21), am 17. 9. 2001 erklärte diese gegenüber der Hypothekargläubigerin, das aushaftende Darlehen in Höhe von rund 670.000 S zu übernehmen. Die Betroffene wurde aus der Haftung entlassen (ON 24). Das Eigentumsrecht der Sachwalterin wurde bisher nicht verbüchert.

Am 5. 2. 2005 gab die zur „Überprüfung der Sachwalterschaft bzw Abrechnung für den Zeitraum 1. 1. 2001 bis 31. 12. 2001" vom Bezirksgericht Bad Aussee vorgeladene Sachwalterin an, mit der Betroffenen im selben Haushalt zu wohnen, um sie rund um die Uhr betreuen zu können. Zur finanziellen Abwicklung erklärte sie, dass die Betroffene „mittlerweile noch" die Kreditraten zurückzahle, obwohl sie ihr die Liegenschaft übergeben habe. Bei einer weiteren Vorsprache am 16. 4. 2002 stellte der Richter aufgrund der Aufzeichnungen der Sachwalterin fest, dass diese 6.000 S aus der „Pension" der Betroffenen für Kreditrückzahlungen verwendet hat. Es wurde festgehalten, dass „nunmehr im Einvernehmen mit der Betroffenen vereinbart wird, dass dieser Betrag als Pflegeaufwand für die Betroffene der Sachwalterin zur Verfügung gestellt wird. Sie wird darauf hingewiesen, dass weitere zusätzliche Ausgaben nur den persönlichen Bereich der Betroffenen betreffen dürfen". Im Anschluss daran wird das Ergebnis des Gesprächs zwischen dem Richter und der Betroffenen allein festgehalten, wonach die Betroffene mit der Pflege durch die Sachwalterin sehr zufrieden sei. Sie habe nunmehr auch den Vorteil, im gemeinsamen Haus leben zu können und nicht auf einen Pflegeplatz angewiesen zu sein (AS 123).

Am 12. 1. 2005 erklärte die Schwiegertochter gegenüber dem nunmehr zuständigen Bezirksgericht Irdning, sie habe „bis Juni oder Juli 2004 Raten als Schuldrückzahlung" an die Bank geleistet; sie habe „zuerst etwa 440 EUR monatlich an Kreditrückzahlungen aus den Geldern der Betroffenen geleistet". Auf die Frage, warum sie die Raten zwischen 2002 und 2004 zumindest zu einem großen Teil mit dem Geld der Betroffenen gezahlt habe, wenn sie doch ohnehin eigenes Geld „auf der Seite habe", gab sie an, weil ihr dies der damals zuständige Richter erlaubt habe (AS 187).

In der Folge enthob das Erstgericht die Sachwalterin ihres Amtes und bestellte einen Rechtsanwalt zum neuen Sachwalter. Es bestünden erhebliche Zweifel, dass die Sachwalterin in den letzten Jahren in finanziellen Angelegenheiten zum Wohl der Betroffenen gehandelt habe, nachdem sie auch nach dem April 2002 Kreditrückzahlungen aus den Geldern der Betroffenen geleistet habe.

Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Die Sachwalterin habe den finanziellen Interessen der Betroffenen grob zuwider gehandelt, indem sie deren Geld zur Tilgung einer Schuld verwendet habe, die sie übernommen und für die sie daher allein zu haften habe. Dies sei trotz ausdrücklicher Belehrung erfolgt, dass dies nicht statthaft sei.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs der Schwiegertochter ist zulässig und berechtigt.

Die Entscheidung erster Instanz stammt vom 26. 4. 2005; gemäß § 203 Abs 7 AußStrG nF sind daher die Bestimmungen des AußStrG nF über den Rekurs und den Revisionsrekurs anzuwenden. Weder die Betroffene noch der neue Sachwalter haben sich am Revisionsrekursverfahren beteiligt.

1. Nach § 128 Abs 1 AußStrG nF sind die Vorschriften für das Verfahren zur Bestellung eines Sachwalters auch auf das Verfahren über die Beendigung, Einschränkung und Erweiterung der Sachwalterschaft sinngemäß anzuwenden; dem bereits bestellten Sachwalter kommen dabei die Aufgaben des Verfahrenssachwalters zu. Nach § 127 AußStrG nF steht der Rekurs (im Bestellungsverfahren) der betroffenen Person, ihrem Vertreter, dem Verfahrenssachwalter und der Person, die zum Sachwalter bestellt werden soll, zu.

Das Erstgericht hat einen bloßen Wechsel in der Person des Sachwalters vorgenommen. Für diesen Fall gelten die besonderen Vorschriften der §§ 127, 128 AußStrG nF nicht (Fucik/Kloiber, AußStrG [2005] § 128 Rz 2; zur Rechtslage nach dem AußStrG aF vgl Maurer/Tschugguel, Sachwalterrecht² [1997] § 251 AußStrG Rz 7 mwN). Das Rechtsmittelverfahren richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 45 ff AußStrG nF.

Zur Rechtslage vor dem 1. 1. 2005 vertrat der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung (zuletzt 9 Ob 30/04h = NZ 2005/49 und 9 Ob 143/04a je mwN) die Auffassung, dass dem bisherigen Sachwalter gegen den Umbestellungsbeschluss kein Rechtsmittel zustehe. Gemäß § 12 AußStrG (aF) werde der Beschluss bereits mit der Zustellung wirksam. Ab diesem Zeitpunkt sei der enthobene Sachwalter nicht mehr legitimiert, gegen den Umbestellungsbeschluss im eigenen Namen oder im Namen des Betroffenen ein Rechtsmittel zu erheben.

Im Gegensatz zu § 12 AußStrG aF lässt § 43 Abs 1 AußStrG nF die Vollstreckbarkeit, Verbindlichkeit der Feststellung oder Rechtsgestaltung (erst) mit der Rechtskraft des Beschlusses eintreten. Dies gilt - mangels einer Sonderregelung - auch für Umbestellungsbeschlüsse des Sachwalterschaftsgerichts. Die Rechtsprechung zur fehlenden Rechtsmittelbefugnis des bisherigen Sachwalters gegen den Umstellungsbeschluss kann damit nicht fortgeschrieben werden. Die Rechtsmittelbefugnis der Rechtsmittelwerberin ist daher zu bejahen.

2. Der Revisionsrekurs macht geltend, das Rekursgericht habe der Sachwalterin ohne Grundlage die Veruntreuung von Geldern der Betroffenen vorgeworfen; eine derart substanzlose Anschuldigung und zugleich der Vorwurf einer allfälligen strafbaren Handlung könne keinesfalls Grundlage eines Sachwalterenthebungsverfahrens sein.

Ob ein Sachwalter zu entheben (entlassen) ist, richtet sich nach ständiger Rechtsprechung nach den Interessen des Betroffenen; dem Sachwalterschaftsgericht steht dabei grundsätzlich ein Ermessensspielraum offen (3 Ob 1657/95 mwN; 2 Ob 221/99k = EFSlg 91.582). Der Sachwalter ist aber jedenfalls zu entheben, wenn er seine Vertretungsmacht missbraucht, sich am Vermögen des Betroffenen vergreift bzw es zweckwidrig verwendet oder in einen Interessenkonflikt zum Betroffenen gerät.

Die Sachwalterin hat dem Vorwurf, sie habe Mittel der Betroffenen für Kreditrückzahlungen verwendet, entgegen gehalten, dies habe ihr der damals zuständige Richter des Bezirksgerichts Bad Aussee „erlaubt" (AS 189). Sie bezog sich dabei offensichtlich auf das im Protokoll vom 16. 4. 2002 festgehaltene Gespräch. Darin ist davon die Rede, dass „ein Betrag von 6.000 S aus der Pension der Betroffenen für Kreditrückzahlungen verwendet wurde", dass „dieser Betrag als Pflegeaufwand für die Betroffene der Sachwalterin zur Verfügung gestellt wird" und dass die Sachwalterin darauf hingewiesen wurde, „dass weitere zusätzliche Ausgaben nur den persönlichen Bereich der Betroffenen betreffen dürfen". Auch wenn diese Protokollierung etwas mehrdeutig erscheinen mag, schließt sie jedenfalls die von der Sachwalterin behauptete „Erlaubnis" nicht aus, sondern legt sie vielmehr nahe:

Die Betroffene wird - wie auch das Rekursgericht ausführt (AS 231) - von der Sachwalterin ordentlich betreut. Dass der Aufwand hiefür erheblich ist, ergibt sich schon allein daraus, dass die Betroffene Pflegegeld der Stufe 6 bezieht. Das Pflegegeld dient der Abgeltung der persönlichen Pflege und Betreuung des Beziehers; soweit Mittel daraus der Betreuungsperson zukommen, werden sie demnach grundsätzlich bestimmungsgemäß verwendet. Wie die Betreuungsperson - im vorliegenden Fall die Sachwalterin - die Mittel verwendet, unterliegt nicht der Beurteilung durch das Sachwalterschaftsgericht. Im Übrigen lag und liegt die Tilgung des Kredits ungeachtet der persönlichen Haftung der Sachwalterin auch im Interesse der Betroffenen, da auch ihre Wohnversorgung gefährdet ist, wenn der Kredit fällig gestellt und die damit belastete Liegenschaft versteigert wird. Von einer zweckwidrigen und den Interessen der Betroffenen grob widersprechenden Verwendung von Pflegegeld und Pension kann daher keine Rede sein.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen waren damit ersatzlos aufzuheben, soweit die Sachwalterin ihres Amtes enthoben wird; der an ihrer Stelle bestellte Sachwalter war seines Amtes zu entheben.

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