OGH 14Os88/05f

OGH14Os88/05f20.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. September 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag. Strieder als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner, Hon. Prof. Dr. Ratz, Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Lang als Schriftführer, in der Strafsache gegen Kasim M***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 31. März 2005, GZ 34 Hv 58/04i-62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Kasim M***** wurde einer unbestimmten Anzahl von Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB (in der bis zum BGBl I 2004/15 geltenden Fassung; I.), einer unbestimmten Anzahl von Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 (in der bis zum BGBl I 2004/15 geltenden Fassung; II.) und des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (III.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Linz

I. von Juni/Juli 2002 bis 20. Jänner 2004 Maria B***** „in wiederholten, zuletzt täglichen Angriffen außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB (aF) mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt, indem er sie an den Händen festhielt, sich auf sie setze und mit seiner Körperkraft ihre Beine auseinander drückte bzw sich mit seinem Körper auf sie legte, an den Brüsten oder an den Hüften festhielt, ihren Slip beiseite schob bzw ihre Pyjamahose auszog und unter Ausnützung seiner körperlichen Überlegenheit gegen ihren Willen jeweils einen vaginalen Geschlechtsverkehr bis zur Ejakulation durchführte";

II. von Juni/Juli 2002 bis 4. März 2003 unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber der seiner Erziehung und Aufsicht unterstehenden, am 5. März 1985 geborenen minderjährigen Stiefenkelin Maria B***** diese durch die zu I. genannten Taten zur Unzucht missbraucht;

III. am 29. Jänner 2004 Elisabeth C***** und Maria B***** durch die telefonische Äußerung: „Wenn du mit Maria auf die Straße gehst, dann musst du aufpassen, denn sonst seid ihr tot. Zieht die Anzeige zurück, sonst passiert etwas.", mithin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zur Rücknahme der Strafanzeige wegen der zu I. und II. genannten Taten zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Der aus Z 4, 5, 5a und „9" des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu. Der Antrag auf Vernehmung der Gudrun B***** als Zeugin „zum Beweis für das allgemeine Sexualverhalten von Maria B***** und zum Beweis dafür, dass Maria B***** mehrmals aus der Wohnung des Angeklagten ausgezogen ist" (vgl Bd II, S 21), verfiel aus den im Zwischenerkenntnis des Erstgerichtes genannten Gründen zu Recht der Abweisung: Das „allgemeine Sexualverhalten" wurde als für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage unerheblich eingestuft, der mehrfache Auszug ohnehin als erwiesen angenommen. Die erst im Rechtsmittel erfolgte Erweiterung des Beweisthemas aber ist verspätet.

Der Antrag auf „neuerliche Einvernahme der Maria B***** zum Beweis dafür, dass sich Maria B***** mehrmals bis auf die Unterwäsche ausgezogen hat" (gemeint: in Anwesenheit des Angeklagten; Bd II, S 28), war angesichts fehlenden Verzichts auf das dieser Zeugin nach § 152 Abs 1 Z 2a (§ 248 Abs 1 erster Satz) StPO zukommende Entschlagungsrecht (Bd I, S 166) aus rechtlichen Gründen undurchführbar. Dazu kommt, dass das Schöffengericht auch dieses Beweisthema als erwiesen angenommen hat (US 13). Zudem ist auch insoweit die in der Nichtigkeitsbeschwerde erfolgte Ausweitung des Beweisthemas verspätet.

Warum der im Urteil mit „etwa Juni/Juli 2002" (US 5) angegebene Beginn des Tatzeitraums für den zu II. ergangenen Schuldspruch entscheidend sein soll, ist nicht zu erkennen (Z 5 erster Fall). Erhebliche Bedenken an den den zu I. und II. umschriebenen Schuldsprüchen zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen vermag die Tatsachenrüge bei ihrem Versuch, die Angaben des Tatopfers als unglaubwürdig erscheinen zu lassen, nicht zu wecken (Z 5a). Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) wählt als Bezugspunkt ihrer rechtlichen Beurteilung nicht die erstgerichtlichen Feststellungen (vgl US 6) und geht damit ins Leere.

Mangels eines den Angeklagten treffenden effektiven Nachteils erübrigt sich die amtswegige Wahrnehmung der in der Subsumtion der zu II. genannten Taten nach § 212 Abs 1 StGB (aF, statt nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB idgF) gelegenen Missachtung des § 61 zweiter Satz StGB (§ 290 Abs 1 zweiter Satz iVm § 281 Abs 1 Z 10 StPO).

Die Beurteilung der nur als Berufungsgrund geltend gemachten angeblichen Nichtbeachtung des sog Doppelverwertungsverbotes (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) wird dem Berufungsgericht überlassen (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 29).

Die Zurückweisung der Nichtigkeitsbeschwerde bereits bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285d Abs 1 StPO) hat die Zuständigkeit des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufung zur Folge (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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