OGH 8ObA36/05k

OGH8ObA36/05k8.9.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Krüger und Georg Eberl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache des Klägers Ekkehard S*****, vertreten durch Dr. Martin Wuelz, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei U***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Bernhard Haid, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Feststellung (Rekursinteresse 21.929 EUR) über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck vom 16. März 2005, GZ 13 Ra 9/05d-61, womit über Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. August 2004, GZ 46 Cga 37/02w-48, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin erkannt, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 2.779,32 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter und dritter Instanz (darin enthalten 463,22 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war bei der Beklagten vom 10. 11. 1998 bis 20. 8. 2000 als Kraftfahrer im internationalen Güterfernverkehr beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis lag eine Entlohnung auf Basis des Kollektivvertrages für Arbeiter im Güterbeförderungsgewerbe zugrunde. Die Beklagte rechnete monatlich 31 Überstunden zu 50 % und 20 Überstunden zu 100 % ab. Der Kläger leistete demgegenüber während der gesamten Beschäftigungsdauer regelmäßig eine erheblich größere Anzahl an Arbeitsstunden. Das nach dem Kollektivvertrag noch nicht verfallene Entgelt (Zeitraum von April bis August 2000) klagte er im Jahr 2000 beim Erstgericht ein.

Der Kläger begehrt zuletzt mit seinem Hauptbegehren, dass gegenüber der Beklagten festgestellt werde, dass er als Arbeitnehmer der Beklagten unter Berücksichtigung der von ihm geleisteten Arbeitsstunden und der kollektivvertraglichen Zuschläge in den Monaten November 1998 bis März 2000 zumindest die im Einzelnen im Klagebegehren rechnerisch dargestellten Bruttoeinkommen „ins Verdienen gebracht habe", auf Basis derer er zur Sozialversicherung anzumelden und auch abzurechnen gewesen wäre. Mit seinem Eventualbegehren strebt der Kläger die Feststellung an, dass die Beklagte gegenüber dem Kläger für sämtliche Schäden und Folgen hafte, die sich daraus ergeben, dass der Kläger im Zeitraum 10. 11. 1998 bis 31. 3. 2000 als Dienstnehmer der Beklagten gegenüber der Gebietskrankenkasse hinsichtlich seines Verdienstes zu niedrig gemeldet wurde.

Der Kläger begründet sein Feststellungsinteresse am Hauptbegehren zusammengefasst damit, dass infolge der kollektivvertraglichen Verfallsfrist die von ihm vom November 1998 bis März 2000 verdienten Überstunden verfallen seien; die Beklagte habe eine Meldung der infolge der Überstunden vom Kläger verdienten Entgelte rechtswidrig unterlassen; durch das Hauptfeststellungsbegehren könnten pensionsrechtliche Nachteile für den Kläger vermieden werden. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch rechtliche Teilaspekte eines Dauerschuldverhältnisses, wie zB das Entgelt im Arbeitsverhältnis, feststellungsfähig seien.

Die Beklagte, deren Einwand der Unzulässigkeit des Rechtsweges bereits vom Erstgericht rechtskräftig verworfen wurde, wendet ein, die vom Hauptfeststellungsbegehren umfassten Entgeltansprüche seien zur Gänze verfallen. Sie könnten damit auch zu keiner „Nachmeldung" bei der Gebietskrankenkasse führen, die im Übrigen an ein zivilgerichtliches Feststellungsurteil ohnedies nicht gebunden wäre. Es liege daher kein Feststellungsinteresse vor. Im Übrigen beziehe sich das Hauptfeststellungsbegehren nicht auf die Feststellung eines Rechtsverhältnisses, sondern ziele auf eine unzulässige Tatsachenfeststellung ab.

Das Erstgericht wies das Hauptfeststellungsbegehren ab und gab dem Eventualbegehren Folge.

Neben den eingangs wiedergegebenen Feststellungen traf das Erstgericht noch weitere Feststellungen über die Gesamtarbeitsstunden des Klägers in den Monaten November 1998 bis März 2000. Rechtlich begründete das Erstgericht die Abweisung des Hauptfeststellungsbegehrens damit, dass es auf die Feststellung von Tatsachen abziele. § 228 ZPO lasse - abgesehen von der Frage der Echtheit einer Urkunde - jedoch nur die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses zu. Hingegen sei das Eventualbegehren berechtigt, weil unter Berücksichtigung der vom Kläger geleisteten Arbeitsstunden unzweifelhaft feststehe, dass die Anmeldung des Klägers zur Gebietskrankenkasse mit einem jedenfalls zu niedrigen Entgelt erfolgt sei. Damit bleibe die Möglichkeit offen, dass das schädigende Ereignis (Unterlassung der Meldung) den Eintritt eines künftigen (Pensions-)Schadens verursachen könnte.

Das Berufungsgericht gab der dagegen vom Kläger (die Stattgebung des Eventualbegehrens wurde von der Beklagten nicht bekämpft) erhobenen Berufung Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht. Es sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Rechtlich ging das Berufungsgericht davon aus, dass es sich bei der vom Kläger angestrebten Feststellung, welche Entgelte er in bestimmten Monaten verdient habe, deshalb nicht bloß um eine Tatsachenfeststellung handle, weil der Kläger diesem Begehren den Zusatz hinzugefügt habe, dass er auf Basis dieser verdienten Entgelte zur Sozialversicherung anzumelden und abzurechnen gewesen wäre. Im Übrigen entspreche es der Judikatur des Obersten Gerichtshofes, dass auch die Entlohnung aus einem Arbeitsverhältnis feststellungsfähig sei. Das Feststellungsinteresse sei zu bejahen, weil die begehrte Feststellung das Verhältnis des Klägers zur Gebietskrankenkasse berühre. Bei Stattgebung des Hauptbegehrens werde das strittige Rechtsverhältnis zwischen den Streitteilen einerseits und gegenüber der Gebietskrankenkasse andererseits streitbereinigend entschieden. Diese Wirkung entfalte das Eventualbegehren nicht.

Das Erstgericht habe zwar die jeweilige Gesamtarbeitszeit des Klägers für die maßgeblichen Zeiträume festgestellt, nicht aber das daraus resultierende beitragsrelevante Entgelt. Insofern seien die erstgerichtlichen Feststellungen zu ergänzen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Beklagten erhobene - irrtümlich als „Revisionsrekurs" bezeichnete - Rekurs ist zulässig, weil das Berufungsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass das Hauptbegehren des Klägers auf die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses abzielt. Der Rekurs ist auch im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils berechtigt.

Ausgenommen den Fall der Urkundenechtheit können nach § 228 ZPO nur Rechte oder Rechtsverhältnisse Gegenstand eines Feststellungsbegehrens sein. Ein Rechtsverhältnis ist die bestimmte, durch den vorgetragenen Sachverhalt gegebene und konkretisierte rechtlich geregelte Beziehung von Personen untereinander oder von einer Person zu einem Gegenstand; ferner auch einzelne rechtliche Folgen einer solchen Rechtsbeziehung (Fasching in Fasching/Konecny² III § 228 ZPO Rz 38f; RIS-Justiz RS0039223; zuletzt 6 Ob 335/00h). Richtig ist, dass nach der Judikatur (EvBl 1992/120; 8 ObA 248/94) auch die Höhe der Entlohnung aus einem Arbeitsverhältnis als quantitativer Teil der gesamten Rechtsbeziehungen aus dem Arbeitsverhältnis zum Gegenstand eines Feststellungsbegehrens (dort jeweils gemäß § 54 Abs 1 ASGG) gemacht werden kann. Dabei wurde auch betont (EvBl 1992/120), dass sich das Feststellungsbegehren auf eine Position beschränken kann, wenn nur eine Teilposition im Rahmen einer im Übrigen unbestrittenen Entgeltberechnung zwischen den Parteien strittig ist. Durch die Entscheidung über das in dieser Form erhobene Begehren wird das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien die Lohnzahlung betreffend streitbereinigend entschieden. Damit erstreckt sich die Klage nicht nur auf einzelne Elemente, sondern entscheidet bindend über das gesamte Recht oder Rechtsverhältnis. Davon unterscheidet sich der hier zu beurteilende Fall jedoch grundlegend: Zwischen den Streitteilen ist (im Unterschied etwa zur Entscheidung EvBl 1992/120, in welcher die Berechnung des Überstunden- und Zulagenanteils dem Grunde nach strittig war) nicht die Entlohnung an sich strittig, etwa weil eine der Entlohnung zugrundeliegende vertragliche Vereinbarung oder Kollektivvertragsbestimmung von den Parteien rechtlich unterschiedlich ausgelegt wird. Strittig ist vielmehr nur, ob und in welchem Ausmaß der Kläger in einem bestimmten Zeitraum tatsächlich Überstunden leistete. Ob aber der Kläger, wie von ihm behauptet, über die von der Beklagten zugestandene Höhe weitere Überstunden leistete, betrifft eindeutig eine Tatsachenfeststellung und nicht die Feststellung einer dem Grunde nach strittigen Entgeltposition. Damit könnte aber, selbst wenn das Arbeitsverhältnis zwischen den Streitteilen noch aufrecht wäre, eine Stattgebung des Hauptfeststellungsbegehrens keine streitbereinigende Wirkung zwischen den Streitteilen entfallen, weil hier nicht die Höhe des Überstundenzuschlages an sich, sondern nur die Anzahl der in bestimmten (vergangenen) Zeiträumen tatsächlich geleisteten Überstunden strittig ist.

Da somit im Unterschied zu den Entscheidungen, die die Feststellungsfähigkeit der Entgelthöhe im Arbeitsverhältnis bejahten, hier nicht die Entgelthöhe zwischen den Streitteilen strittig ist, sondern nur die Tatfrage, in welchem Ausmaß der Kläger in bestimmten Zeiträumen Überstunden leistete, hat das Erstgericht das Hauptfeststellungsbegehren zu Recht mit der Begründung abgewiesen, dass es auf eine (unzulässige) Feststellung von Tatsachen abzielt. Daran kann auch der vom Berufungsgericht hervorgehobene Umstand nichts ändern, dass der Kläger dieses Hauptfeststellungsbegehren um den Zusatz „auf Basis dieser Bruttoeinkommen der Kläger zur Sozialversicherung anzumelden und auch abzurechnen gewesen wäre"ergänzte: Wenngleich der Versicherungsträger und die Verwaltungsbehörden an rechtskräftige Entscheidungen der Gerichte, in denen Entgeltansprüche des Dienstnehmers festgestellt werden, dann gebunden sind, wenn der gerichtlichen Entscheidung ein streitiges Verfahren vorangegangen ist (§ 49 Abs 6 ASVG), erstreckt sich diese Bindungswirkung jedoch nur auf die Feststellung des arbeitsrechtlichen Anspruchslohnes. Die Frage der Anmeldepflicht hingegen lässt sich in einem zivilgerichtlichen Verfahren nicht klären. Eine solche Klärung strebt der Kläger erkennbar auch nicht an. Er begründet vielmehr die - vom Erstgericht rechtskräftig und damit bindend bejahte - Zulässigkeit des Rechtsweges damit, dass die Feststellung der Höhe des Arbeitslohnes in die Kompetenz des Zivilgerichtes falle.

Es war daher, da die Beklagte die Stattgebung des Eventualbegehrens durch das Erstgericht nicht bekämpfte, das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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