OGH 3Ob192/05i

OGH3Ob192/05i24.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Gislane S*****, geboren am 25. August 1994, und Matthias S*****, geboren am 25. September 1997, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Peter S*****, vertreten durch Mag. Hans-Christian Obernberger, Rechtsanwalt in Bludenz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 14. Juni 2005, GZ 1 R 147/05h-168, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Text

Begründung

Nach Rechtskraft der Scheidung ihrer Ehe schlossen die Eltern der beiden Minderjährigen am 12. September 2001 vor dem Pflegschaftsgericht einen Vergleich, wonach die Obsorge beider Eltern für beide Kinder weiterhin aufrecht bleibe. Der Aufenthalt der Kinder werde bei der Mutter sein; dieser komme künftig die volle Obsorge zu, dem Vater gemeinsam mit ihr die Obsorge in den Teilbereichen schulische Ausbildung und Vermögensverwaltung.

In der Folge beantragte die Mutter ua, dem Vater die Obsorge in den genannten Teilbereichen zu entziehen und ihr die alleinige Obsorge über die Kinder zu übertragen.

Das Erstgericht gab diesem Antrag gestützt auf § 177a Abs 2 ABGB mit Beschluss vom 20. April 2005 statt.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Gericht zweiter Instanz dem dagegen erhobenen Rekurs des Vaters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs gemäß § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei. Es ging vom Vorliegen einer Entscheidung nach § 177a Abs 2 ABGB aus, die bei Wegfall des Einvernehmens der Eltern ohne weitere Voraussetzungen zu treffen sei.

Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist tatsächlich nicht zulässig, weil darin keine präjudiziellen Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung aufgezeigt werden.

Rechtliche Beurteilung

Wegen des Entscheidungsdatums erster Instanz sind auf das Revisionsrekursverfahren die §§ 62 ff AußStrG, BGBl I 2003/111, anzuwenden (§ 203 Abs 7 AußStrG).

Der Vater der mj. Kinder geht in seinem Rechtsmittel ungeachtet der Feststellungen der Vorinstanzen, wonach die Eltern nach der Scheidung iSd § 177 ABGB eine fortdauernde gemeinsame Obsorge (mit bestimmten Einschränkungen) vereinbarten, vom Vorliegen einer geteilten Obsorge aus; ob ihm diese nur unter den Voraussetzungen des § 176 ABGB entzogen werden dürfe, sei - wie er iSd § 65 Abs 3 Z 6 AußStrG ausführt - von erheblicher Bedeutung für eine größere Anzahl von Rechtsstreitigkeiten.

Auf diese Frage kommt es aber aus den nachstehenden Erwägungen überhaupt nicht an:

Auf den am 12. September 2001 geschlossenen gerichtlichen Vergleich über die Obsorge sind die §§ 177, 177a ABGB idF KindRÄG 2001 (In-Kraft-Treten am 1. Juli 2001) anzuwenden. Gemäß § 177 Abs 3 ABGB hat das Gericht die Obsorgevereinbarung der Eltern zu genehmigen, wenn sie dem Wohl des Kindes entspricht. Eine Genehmigung des Vergleichs über die Obsorge hat hier das Erstgericht nicht erteilt. Einer Genehmigung hätte es wegen der Bestimmung des hauptsächlichen Aufenthalts bei der Mutter und auch wegen der „Kompetenzaufteilung" jedenfalls bedurft (s dazu näher Weitzenböck in Schwimann³, § 177 ABGB Rz 8 f). Ob anderes für das Aufrechtbleiben der vollen gemeinsamen Obsorge gilt (so Weitzenböck, aaO Rz 7), ist hier nicht zu prüfen. Das Pflegschaftsgericht hat bei Vorlage einer derartigen Vereinbarung ohne weiteren Antrag über die Genehmigung zu entscheiden (Hopf in Koziol/P. Bydlinski/Bollenberger, ABGB §§ 177-177a Rz 4; vgl Weitzenböck, aaO Rz 7; aA offenbar Stabentheiner in Rummel³, 1. ErgBd §§ 177-177b Rz 5, 9 ff). Nach § 177a Abs 1 ABGB hat das Gericht ua dann, wenn eine geschlossene Vereinbarung nicht dem Kindeswohl entspricht und keine gütliche Einigung möglich ist, zu entscheiden, welcher Elternteil künftig allein mit der Obsorge betraut ist. Diese Entscheidung hat auch von Amts wegen zu erfolgen (Hopf, aaO Rz 6; Weitzenböck, aaO und § 177a Rz 8; Stabentheiner, aaO Rz 9).

Die zwar „in Abänderung des Vergleichs" erfolgte Entscheidung des Erstgerichts iSd § 177a Abs 2 ABGB stützt sich nicht auf eine Gefährdung des Kindeswohls durch den Vater, sondern ausschließlich darauf, dass die alleinige Betrauung der Mutter mit der Obsorge dem Wohl der Kinder besser entspreche. Dasselbe Kriterium wäre auch nach § 177 Abs 3 ABGB für die Frage der Genehmigung einer Vereinbarung über die Obsorge und das Heim „erster Ordnung" maßgeblich. Es kann daher nicht entscheidend sein, dass anstelle der richtigerweise iSd §§ 177 Abs 3 und § 177a Abs 1 ABGB zu treffenden Entscheidung formell eine solche nach § 177a Abs 2 ABGB erfolgte, weil in beiden Varianten ein Elternteil allein mit der vollen Obsorge über die Kinder zu betrauen war, ohne dass es auf die Kriterien für die Entziehung der Obsorge nach § 176 ABGB ankäme.

Dass diese Voraussetzungen bei den dargestellten Entscheidungen richtigerweise zu berücksichtigen wären, macht der Vater gar nicht geltend. Vielmehr geht er, wie dargelegt, zu Unrecht von einer „geteilten Obsorge" aus, bei der die Entziehung des ihm zugewiesenen Teils, nur auf Grund einer Gefährdung des Kindeswohls erfolgen dürfe. Eine solche geteilte Obsorge liegt aber hier keineswegs vor, blieb doch die bisher (in der Ehe) gemeinsame Obsorge vorläufig bis zur gerichtlichen Entscheidung (sei es in Form einer Genehmigung, sei es in Form einer Alleinobsorgezuteilung) aufrecht (§ 177 Abs 1 erster Satz ABGB). Die von ihm aufgeworfene angeblich erhebliche Rechtsfrage ist daher für die vorliegende Entscheidung nur von theoretischer Bedeutung und rechtfertigt die Zulässigkeit des Revisionsrekurses nicht.

Er ist daher zurückzuweisen.

Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht (§ 71 Abs 3 letzter Satz AußStrG).

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