OGH 3Ob114/05v

OGH3Ob114/05v30.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Nathalie L*****, geboren am 16. Februar 1994, und Florian L*****, geboren am 21. Dezember 1995, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Mutter Manuela P*****, vertreten durch Dr. Martin Leys, Rechtsanwalt in Imst, als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 22. Dezember 2004, GZ 52 R 127/04i, 128/04m und 129/04h-201, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Reutte vom 15. Jänner 2004, 4. Februar 2004 und 29. März 2004, GZ 1 P 37/02d-204, 214 und 249, bestätigt wurden, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

In dem durch zahlreiche - trotz Beigabe eines Rechtsanwalts als Verfahrenshelfer - selbst verfasste Eingaben der Mutter gekennzeichneten Pflegschaftsverfahren bestätigte das Gericht zweiter Instanz drei Entscheidungen des Erstgerichts. Mit diesen wurde ihr die Obsorge über zwei eheliche minderjährige Kinder entzogen und diese einer Bezirkshauptmannschaft als Jugendwohlfahrtsträger übertragen; der Antrag der Mutter auf Übertragung des Verfahrens an ein anderes Bezirksgericht abgewiesen; schließlich wurden Anträge der Mutter auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen den Jugendwohlfahrtsträger und die Pflegeeltern der Kinder abgewiesen. Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs jeweils für nicht zulässig.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs macht die Mutter u. a. geltend, sie habe den Erstrichter dreimal (am 18. September 2003, am 16. Dezember 2003 und zuletzt im Mai 2004) begründet abgelehnt. Die ersten beiden Anträge seien vom zuständigen Landesgericht zurückgewiesen worden. Eine Erledigung ihrer gegen diese Entscheidungen gerichteten Rekurse habe sie noch nicht erhalten. Über den letzten Antrag sei ihr noch überhaupt keine Entscheidung zugegangen.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof kann nach der Aktenlage derzeit über das Rechtsmittel noch nicht befinden. Zwar wurde entgegen den Behauptungen der Mutter, insoweit zutreffend das Rekursgericht, über die zweite Ablehnung auch in zweiter Instanz entschieden. Diese (ON 202) hatte der dem Erstgericht übergeordnete Gerichtshof mit Beschluss vom 23. Jänner [nicht „11." wie im angefochtenen Beschluss] 2004 (ON 213) zurückgewiesen. Den Rekurs der Mutter (ON 273) wies das zuständige Oberlandesgericht mit Beschluss vom 21. Juli 2004, AZ 2 R 156/04i (ON 284), als verspätet zurück. Die Ausfertigung dieser Entscheidung wurde ihr persönlich am 26. August 2004 zugestellt; ein Rechtsmittel dagegen ergriff sie nicht. Entgegen der Ansicht der zweiten Instanz ist aber Rechtskraft nicht eingetreten.

Da die nach § 64 ZPO (nunmehr idF der ZVN 2004 BGBl I 128 anzuwenden: Art XIV Abs 3 leg cit) bewilligte Verfahrenshilfe auch für ein im Zuge des Verfahrens durchgeführtes Ablehnungsverfahren gilt (RZ 1975/37; Fucik in Rechberger², § 64 ZPO Rz 1; M. Bydlinski in Fasching/Konecny², § 64 ZPO Rz 1), war diese Zustellung nicht wirksam; für die Mutter war nämlich jedenfalls seit geraumer Zeit davor stets ein Rechtsanwalt als Verfahrenshelfer bestellt. Daher wäre bei sonstiger Wirkungslosigkeit (auch im Verfahren außer Streitsachen nach dem AußStrG 1854: Gitschthaler in Rechberger², § 93 ZPO Rz 6, 7 mN) nach § 93 ZPO, der auch für einen solchen gilt (8 ObA 237/00m = EvBl 2001/195 mwN), diesem zuzustellen gewesen, auch wenn das Rechtsmittel nicht von ihm verfasst worden war. Die Rechtsmittelfrist für ein (wegen der vorliegenden Formalentscheidung zulässiges: Gitschthaler aaO § 24 JN Rz 5 mN) Rechtsmittel hat daher noch gar nicht zu laufen begonnen.

Dass die Entscheidung über den Ablehnungsantrag ON 139 vom 29. September 2003, AZ 52 R 5/03f (ON 156), ursprünglich der Mutter oder nachträglich einem der mehrfach umbestellten Verfahrenshelfer bereits zugestellt worden wäre, ist nicht ersichtlich.

Zur jüngsten Ablehnung vom 4. Mai 2004 (ON 268) verfasste der abgelehnte Richter eine Stellungnahme und legte den Akt samt den gegenständlichen Rekursen dem übergeordneten Gerichtshof zur Entscheidung vor; eine Erledigung ist nicht aktenkundig. Ein Ersuchen an diesen um Übersendung der Akten AZ 52 Nc 5/03f und 52 Nc 6/03b sowie allfälliger weiterer Nc-Akte betreffend die Ablehnung des Erstrichters erbrachte die formlose Übersendung derselben, blieb aber im Übrigen ohne Antwort, was wohl dahin verstanden werden muss, dass derartige Akten nicht existieren.

Aus § 25 JN ist abzuleiten, dass dann, wenn der abgelehnte Richter entgegen dieser Norm eine „Endentscheidung" fällte, wovon hier auszugehen ist, das Rechtsmittelgericht vor der Entscheidung über das Rechtsmittel die Rechtskraft der Entscheidung über den Ablehnungsantrag abzuwarten hat (SZ 41/164 = EvBl 1969/162). Das hätte - jedenfalls in Ansehung der beiden ersten Ablehnungen - auch im vorliegenden Fall zu geschehen gehabt. Aus derselben Erwägung hat auch das in letzter Instanz zur Entscheidung berufene Gericht die endgültige Erledigung der Ablehnungen abzuwarten.

Demnach ist der Akt dem Erstgericht zurückzustellen, das die entsprechenden Schritte - zweckmäßigerweise zugleich auch für den dritten Ablehnungsantrag - zu setzen haben wird, die zur rechtskräftigen Erledigung der Ablehnungen führen. Sinnvollerweise wird sowohl die Beschlussfassung des Gerichtshofs erster Instanz über die neuerliche Ablehnung zu veranlassen und die (neuerliche) Zustellung der Entscheidung ON 156 und 284 zu verfügen sein. Nur bei negativer Entscheidungen in allen drei Fällen und nach deren Rechtskraft wäre dann der Akt dem Oberster Gerichtshof erneut zur Entscheidung vorzulegen; ein erfolgreiche Ablehnung führte ja nach § 25 zweiter Satz JN zur Aufhebung der bekämpften Entscheidungen.

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