OGH 1Ob124/05z

OGH1Ob124/05z24.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Glawischnig und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans R*****, vertreten durch Dr. Christiane Buchleitner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei D***** BaugmbH NfgKG, *****, vertreten durch Baier und Lambert, Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 33.642,84 s. A., über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 31. März 2005, GZ 3 R 228/04b-20, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 1. September 2004, GZ 40 Cg 91/03p-16, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1) Ein Rechtsmangel liegt vor, wenn der Veräußerer dem Erwerber nicht die rechtliche Position verschafft, die er ihm nach dem Vertrag verschaffen muss (Koziol/Welser, Bürgerliches Recht II 12, 69). Die Auslegung der Vorinstanzen, die im Fall der Verwendung des gelieferten Sands für Estrichböden nach der nö. Bauordnung nötig gewordene Beibringung eines „Übereinstimmungszeugnisses" sei nicht vereinbart gewesen, zumal die Vertreter der Beklagten beim Vertragsabschluss vom Inkrafttreten dieser Vorschrift noch nicht in Kenntnis waren, ist nicht zu beanstanden. Es ist, aber auch eine Verletzung nebenvertraglicher Verpflichtungen aus dem Kaufvertrag zu verneinen. Zwar wird von den Vertragspartnern ein entsprechendes Ausmaß an Aufmerksamkeit, Überlegung und Rücksichtnahme sowohl bei der Erbringung der Hauptleistung als auch bei jedem weiteren Verhalten verlangt, das mit der Durchführung des Vertragsverhältnisses in einem entsprechenden Konnex steht (SZ 54/179). Eine Verpflichtung des Klägers, sich über etwaige Änderungen der verschiedenen (landesgesetzlichen) Bauordnungen laufend zu informieren und seine Kunden, selbst wenn diese - so wie die Beklagte - seit Jahrzehnten gewerbsmäßig Baustoffe verarbeiten, vor Lieferung jeweils darüber zu befragen, in welchem Bundesland die Verarbeitung erfolgen bzw welche Bauordnung anzuwenden sein wird und gegebenenfalls auf die zwischenzeitig normierte Notwendigkeit von „Übereinstimmungszeugnissen" hinzuweisen und die Auslieferung erst nach Beantragung und Vorliegen des Zertifikats vorzunehmen, würde eine Überspannung nebenvertraglicher Sorgfaltspflichten bedeuten. So trifft beispielsweise bei Geschäften zwischen Unternehmern den Verkäufer nicht die Pflicht, den Käufer über die für eine Inbetriebnahme erforderlichen Bewilligungen aufzuklären (SZ 55/51); auch die Pflicht zur Einholung der für die Aufstellung und den Betrieb von Warenautomaten erforderlichen Genehmigung ist im Zweifel Sache des Käufers (HS 5.305/56). Im vorliegenden Fall lag es daher an der Beklagten, vor Verarbeitung des Baustoffes dafür Sorge zu tragen, dass nach der zur Anwendung kommenden Bauordnung (mittlerweile) nötige Zertifizierungen vorliegen. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, ein Rechtsmangel sei zu verneinen, steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. Die Frage des Vorliegens eines Rechtsmangels bleibt damit eine mit der Vertragsauslegung in Zusammenhang stehende Frage des Einzelfalls, ohne dass ihr darüber hinausgehende Bedeutung zukäme. Eine abstrakte Stellungnahme zur Frage, „welche Rechtsfolgen sich ergeben, wenn eine Ware in überkommener Weise geliefert und weiterverarbeitet wird, während beide Parteien nicht an das Erfordernis (zwischenzeitig gesetzlich erforderlich gewordener) neuer Zulassungskriterien denken", ist nicht. nötig.

2) Dass der Kläger über die konkrete Verwendung der Sandlieferungen zur Herstellung von Estrichböden Bescheid gewusst hat, ergibt sich aus der Feststellung, dass die Beklagte immer Marchsand für die Herstellung von Estrichböden bestellte (S 4 des Ersturteils). Nach dem Vorbringen der Beklagten und den - teils in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts enthaltenen - Feststellungen der Vorinstanzen schrieb die maßgebliche Bauordnung das Beibringen eines Übereinstimmungszeugnisses (nur) für in Gebäuden verwendete Materialien vor (S 3 bzw 7 des Ersturteils). Die Verwendungsart musste der Kläger aber nicht wissen - Gegenteiliges ist auch nicht festgestellt -, zumals Erstrichböden durchaus auch in anderen Bereichen (beispielsweise als glatter Untergrund eines Schwimmbeckens) hergestellt werden. Wenn die Bauordnung schließlich vorschreibt, dass nur ein bestimmtes Material verwendet werden darf, ist dies eine klare Anordnung an den „Verwender" (hier: die Beklagte), dieses mit entsprechendem Übereinstimmungszeugnis deklarierte Material anzufordern und den Vertrag dementsprechend zu gestalten.

3) Richtig ist, dass die Beklagte in der Klagebeantwortung die mangelnde Fälligkeit eingewendet hat. Die unrichtige Wiedergabe eines Parteivorbringens begründet jedoch keine Aktenwidrigkeit (JBl 1968, 624; EFSlg 41.804 uva).

4) Da ein Rechtsmangel zu verneinen ist, besteht weder ein Verbesserungsanspruch auf „Nachlieferung" des Übereinstimmungszeugnisses noch ein Preisminderungsanspruch. Die Beklagte kann daher den fälligen Kaufpreis nicht zurückbehalten. Entgegen der Meinung der Revision geht das Erstgericht im Übrigen sehr wohl davon aus, die Verbesserung wäre gar nicht möglich, weil ein auf die jeweiligen Lieferzeitpunkte rückbezogenes Übereinstimmungszertifikat nicht beigebracht werden könnte (Seite 10 des Ersturteils).

Zusammenfassend zeigt die Rechtsmittelwerberin keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO auf, sodass die Revision zurückzuweisen ist.

Stichworte