OGH 13Os26/05f

OGH13Os26/05f15.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. Juni 2005 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krammer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dominik F***** wegen des Verbrechens nach § 28 Abs 2, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 9. Dezember 2004, GZ 35 Hv 212/04b-40, nach Anhörung der Generalprokuratur und nach Äußerung des Verteidigers (§ 35 Abs 2 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Dominik F***** (A) des Verbrechens nach § 28 Abs 2 vierter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG sowie (B) des Vergehens (der Vergehen) nach § 27 Abs 1 (erster, zweiter und sechster Fall SMG) schuldig erkannt. Danach hat er, soweit für das Nichtigkeitsverfahren von Bedeutung, (zu A) ab Mai 2004 bis zum 20. September 2004 (siehe US 6) im Großraum Imst, in Innsbruck, Mieming und an anderen Orten teilweise als Alleintäter, teilweise im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Stefan L***** als Mittäter (§ 12 StGB) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs 6), nämlich mindestens ca 13 kg an Cannabisprodukten von unterschiedlicher Qualität sowie nicht mehr feststellbaren Mengen an Kokain, Ecstasy-Tabletten und Amphetamin („Speed") durch in geringem Umfang kostenlose Weitergabe, größtenteils aber durch gewerbsmäßigen Verkauf an abgesondert Verfolgte (im Ersturteil namentliche bezeichnet) in Verkehr gesetzt, wobei er die Taten mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge zumindest das 25-fache der im § 28 Abs 6 SMG angeführten Menge ausmachte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit auf Z 3, 4, 5a, 10 und 11 des § 281 Abs 1 StPO gestützter Nichtigkeitsbeschwerde, welcher jedoch keine Berechtigung zukommt.

Der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider hat das Erstgericht den Zeugen Stefan L***** das von diesem begehrte Entschlagungsrecht wegen Gefahr der Selbstbelastung (§ 152 Abs 1 Z 1 StPO) zu Recht nicht eingeräumt (S 95 f/III). Der Zeuge ist nämlich zuvor (am 23. September 2004) in dem abgesondert gegen ihn unter dem AZ 30 Ur 271/04x des Landesgerichtes Innsbruck durchgeführten Strafverfahren bereits als Beschuldigter gerichtlich einvernommen worden (Protokoll in ON 10/I), wobei er sich unter Hinweis auf seine Vernehmung durch Beamte des Gendarmeriepostens Imst vom 20. September 2004 (vgl S 147 ff/I) geständig verantwortet und zusammenfassend insbesondere angegeben hat, 5 bis 10 kg „Shit" und „Gras" (zum Teil gemeinsam mit dem Angeklagten Dominik F*****) angekauft und weitergegeben zu haben. Wie er dies schon bei der Geltendmachung seines Entschlagungsrechts angekündigt hat, hielten sich seine Angaben in der Hauptverhandlung sodann im Rahmen dieses früher gerichtlich abgelegten Geständnisses. Lediglich seine Angaben über den Umfang der gemeinsam mit dem Angeklagten Dominik F***** vorgenommen Suchtgiftverkäufe wurden von ihm noch präzisiert. Ist aber die Selbstbezichtigung im Rahmen einer vor Gericht abgelegten Aussage - sei es als Zeuge oder (wie hier) als Beschuldigter (§ 38 Abs 3 StPO) - bereits geschehen, ist mit deren bloßer Wiederholung grundsätzlich keine Gefahr der Selbstbelastung mehr verbunden, weil in seinem Verfahren ohnehin die Garantien der MRK eingehalten werden müssen (14 Os 107/99, EvBl 2001/8, 24; 13 Os 109, 110/00, EvBl 2001/26, 197; 11 Os 108, 109/00). Schon aus diesem Grunde geht die nominell aus Z 3 erfolgte Geltendmachung eines Verwertungsverbotes ins Leere (siehe hinzu auch noch Ratz, WK-StPO § 281 Rz 67, 68, 458, sowie das ausdrücklich erklärte Einverständnis mit der Verwertung des gesamten Akteninhaltes durch den Verteidiger S 99/III).

Von der beantragten „Einholung eines Sachbefundes zur Frage der Qualität der verkauften suchtmittelhältigen Substanzen zum Beweis dafür, dass das Suchtmittel von geringer bis mittlerer Qualität gewesen ist" (S 99/III), hat das Erstgericht schon angesichts der fehlenden Vergleichsproben der vom Angeklagten verhandelten Suchtmittel ohne Verletzung von Verteidigungsrechten (Z 4) zutreffend Abstand genommen. Auf die weitere Begründung im abweisenden Zwischenerkenntnis, wonach das Gericht „ohnehin zu Gunsten des Angeklagten von einem unter dem Durchschnitt liegenden Reinheitsgehalt ausgeht" (S 99/III), muss im Rahmen der Verfahrensrüge daher nicht mehr eingegangen werden. Die Tatsachenrüge (Z 5a) moniert, dass das Erstgericht von der die Angaben gegenüber den erhebenden Gendarmeriebeamten bestätigenden Verantwortung des Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter (ON 7 iVm S 271 bis 283/I) ausgegangen ist, die (vom Zeugen Stefan L***** gestützte) Aussage in der Hauptverhandlung dagegen als unglaubwürdig verworfen hat, ohne seine Suchtmittellieferanten in der Hauptverhandlung hiezu amtswegig „zur Erforschung der Wahrheit" zu vernehmen. Solcherart werden aber erhebliche sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen entscheidender Tatsachen erweckt (siehe hiezu US 6, 7), noch wird bei der Behauptung der Vernachlässigung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung deutlich gemacht, wodurch der Angeklagte an der Ausübung seines Rechts, die Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung (hier: die zeugenschaftliche Vernehmung seiner Suchtgiftlieferanten) sachgerecht zu beantragen, gehindert war und daher hätte belehrt werden müssen (§ 3), um so die Ermittlung der Wahrheit zu fördern (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).

Die Subsumtionsrüge (Z 10) übergeht beim Vorbringen, das Erstgericht habe zu Unrecht die privilegierende Regelung für gewerbsmäßige Tatbegehung nach § 28 Abs 3 zweiter Satz SMG nicht angewendet, die (der Anwendung entgegenstehende) Feststellung, wonach keine Rede davon sein könne, dass er „gemeinsam mit Stefan L***** diese Suchtgiftweitergaben vorwiegend deshalb begangen hat, um sich ein Suchtmittel oder die Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen" (US 9):

Das Inverkehrsetzen einer übergroßen Suchtgiftmenge iSd § 28 Abs 4 Z 3 SMG stellt die Beschwerde wiederum mit der Behauptung in Abrede, das Erstgericht hätte „auf Grund des festgestellten Sachverhaltes im Zweifel davon ausgehen müssen, dass auf Grund der heutigen Qualität der erzeugten Cannabisprodukte der Reinheitsgehalt nicht bei 5 % bis 7 % liegt, sondern bei 2 % bis 3 %.

Solcherart verstößt die Beschwerde gegen das Gebot des unbedingten Festhaltens am gesamten Urteilssachverhalt.

Fehl geht schließlich auch die einen zweifachen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot (§ 32 Abs 2 erster Satz StGB) behauptende Strafbemessungsrüge (Z 11 zweiter Fall). Die Kritik an der Annahme des Vorliegens eines Erschwerungsgrundes infolge zweifacher Qualifikation des Verbrechens laut Schuldspruch A (vgl US 12) geht fehl, weil das Zusammentreffen mehrerer (unselbständiger) Qualifikationen (wie hier: § 28 Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG) nicht ihrerseits eine Qualifikation darstellt, und deren aggravierende Annahme somit keinen Verstoß gegen diese Strafbemessungsvorschrift begründet (vgl 14 Os 102/00). Bei der Behauptung, die Wertung der Begehung des Vergehens laut Schuldspruch B über einen sehr langen Zeitraum als Erschwerungsgrund (US 11 f) sei bereits durch die Qualifikation nach § 28 Abs 3 SMG abgegolten, übersieht der Beschwerdeführer, dass sich diese auf den (andere Straftaten erfassenden) Schuldspruch A bezieht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach - in Übereinstimmung mit der Ansicht der Generalprokuratur - schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285d StPO), sodass über die Berufung des Angeklagten das Oberlandesgericht Innsbruck zu entscheiden hat. Nicht geltend gemacht wurde vom am 17. April 1986 geborenen Beschwerdeführer, dass das Erstgericht die bei jungen Erwachsenen (§ 46a JGG) zwingend zu berücksichtigende Strafbemessungsvorschrift des § 36 StGB rechtsirrig nicht angewendet hat. Die hierin begründete Nichtigkeit nach der Z 11 erster Fall StPO (vgl 11 Os 121/01, 12 Os 84/04) bedarf indes keiner amtswegigen Wahrnehmung gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO, weil sie ohnehin von dem zur Entscheidung über die vom Angeklagten erhobene Berufung zuständigen Gerichtshof zweiter Instanz zu berücksichtigen ist (Ratz, WK-StPO § 285i Rz 6; 11 Os 59/04).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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