Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil, das in seinem Ausspruch über das Leistungsbegehren (Punkt 1. und 2. des Urteilsspruchs) als unangefochten unberührt bleibt, wird in seinem Ausspruch über das Feststellungsbegehren (Punkt 3. des Urteilsspruches) und in seiner Kostenentscheidung dahin abgeändert, das unter Punkt 3. die Entscheidung des Erstgerichtes wieder hergestellt wird und unter Punkt 4. die Kostenentscheidung wie folgt zu lauten hat:
4. Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 9.080,88 (darin enthalten EUR 947,70 USt und EUR 2.964,54 Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die beklagten Parteien sind weiter schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.022,72 (darin enthalten EUR 73,29 USt und EUR 583 Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin wurde am 27. 12. 2000 als Radfahrerin verletzt. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist nicht mehr strittig.
Das Erstgericht hat hinsichtlich des von der Klägerin gestellten Feststellungsbegehrens, das allein noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, nachstehende Feststellungen getroffen:
„Die Frage, ob aufgrund des Unfalles für die Klägerin auch noch mit einer Verschlechterung ihres Zustandes für die Zukunft zu rechnen sei, lässt sich nicht genau beantworten ... In der weiteren Zukunft wird die Klägerin aber auch noch Schmerzen und Beschwerden haben, bedingt durch ihre Prädisposition, ausgelöst durch den Unfall. Grob geschätzt könnte man diese leichten Schmerzen komprimiert auf zwölf Tage pro Jahr ansetzen."
Das Erstgericht hat dazu ausgeführt, dass Dauer- und Spätschäden, die auf den Unfall zurückzuführen seien, zumindest nicht auszuschließen seien, weshalb ein Feststellungsinteresse der Klägerin zu bejahen sei.
Das Berufungsgericht hat - soweit im Revisionsverfahren von Bedeutung - das Feststellungsbegehren der Klägerin abgewiesen und ausgeführt, die erstgerichtliche Urteilsfeststellung, dass sich die Frage nach einer unfallkausalen Verschlechterung in Zukunft nicht genau beantworten lasse, nütze der Klägerin nichts, weil genaue Zukunftsvorhersagen in der Medizin naturgemäß in aller Regel nicht möglich seien. Entscheidungswesentlich sei die erstgerichtliche Feststellung, dass die unfallkausalen zukünftigen Schmerzen und Beschwerden der Klägerin nur leichte Schmerzen sein würden, die mit zwölf Tagen pro Jahr zu quantifizieren seien. Diese zukünftigen Schmerzen seien durch die Globalbemessung des Schmerzengeldes bereits mit abgegolten und rechtfertigen kein zusätzliches Feststellungsurteil mehr.
Die Klägerin führt in ihrer Revision aus, dass es für die Bejahung des Feststellungsinteresses bereits der allgemeine Hinweis genüge, dass weitere Schäden aus dem Schadensereignis nicht mit Sicherheit auszuschließen seien, weshalb der Antrag gestellt werde, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Feststellungsbegehrens abzuändern; hilfsweise wird auch ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die beklagten Parteien haben nach Freistellung eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der der Antrag gestellt wird, die Revision der Klägerin zurückzuweisen bzw ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zufolge Abweichens des Gerichtes zweiter Instanz von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zulässig und auch berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung ist die Einbringung einer (schadenersatzrechtlichen) Feststellungsklage - welche nicht nur den Ausschluss der Gefahr der Anspruchsverjährung, sondern auch der Vermeidung späterer Beweisschwierigkeiten und der Klarstellung der Haftung dem Grunde und dem Umfang nach den - unter anderem immer dann zulässig, wenn unfallbedingte, jedoch erst künftig entstehende Ersatzansprüche nicht auszuschließen sind, also die Möglichkeit künftiger Unfallschäden besteht; insbesondere weil die Unfallfolgen noch nicht abgeklungen sind und eine weitere ärztliche Behandlung notwendig ist, Dauerfolgen bestehen oder wenn die Möglichkeit von Spätfolgen nicht gänzlich und mit Bestimmtheit ausgeschlossen werden kann (vgl Danzl/Gutiérrez-Lobos/Müller Schmerzengeld8 219 f; RIS-Justiz RS0038976). Zur Bejahung des Feststellungsinteresses iSd § 228 ZPO genügt dabei bereits der allgemeine Hinweis, dass weitere Schäden aus dem Schadensereignis (etwa derzeit noch nicht abschätzbare Schmerzen) nicht mit Sicherheit auszuschließen sind; ein Feststellungsinteresse ist schon dann zu bejahen, wenn die Möglichkeit offenbleibt, dass das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursachen könnte.
Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung 2 Ob 187/00i (JBl 2001, 107) ausgeführt, dass das Feststellungsinteresse schon dann gegeben ist, wenn nur die Möglichkeit offenbleibt, dass das schädigende Ereignis den Eintritt eines künftigen Schadens verursachen könnte; zu 2 Ob 199/04w wurde ausgesprochen, dass aus der (bloßen) Feststellung, dass „mit zukünftig eintretenden Schäden nicht zu rechnen ist" sich nicht mit Sicherheit ergebe, dass künftige Schäden nicht doch eintreten werden, weshalb das Feststellungsinteresse bejaht wurde. Auch in der Entscheidung 2 Ob 29/05m wurde festgehalten, dass aus der (bloßen) Feststellung, dass Dauerfolgen „nicht zu erwarten sind", sich nicht mit Sicherheit ergibt, dass künftige Schäden nicht eintreten werden. Auch hier lässt sich die Frage, ob aufgrund des Unfalles noch mit einer Verschlechterung zu rechnen sei nicht genau beantworten, weshalb auch hier das Feststellungsinteresse zu bejahen ist.
Infolge Neufassung des Urteilsspruchs war auch die Kostenentscheidung neu zu fassen.
Die Klägerin ist im Verfahren erster Instanz bis auf ihre unmittelbar vor Schluss der Verhandlung vorgenommenen Ausdehnung des Leistungsbegehrens zur Gänze durchgedrungen. Die im letzten Verfahrensabschnitt vorgenommene Ausdehnungen des Klagebegehrens hat iSd § 43 Abs 2 ZPO noch keinen Einfluss auf die Obsiegensquote, weshalb ihr im Verfahren erster Instanz die gesamten Kosten auf der Basis des ersiegten Betrages zuzusprechen waren.
Im Berufsverfahren ist die Klägerin mit einem Drittel ihres Begehrens durchgedrungen und hat die Berufung der beklagten Parteien zur Gänze abgewehrt. Sie hat daher den Beklagten ein Drittel der Kosten der Berufungsbeantwortung zu ersetzen, andererseits Anspruch auf Ersatz der Kosten ihrer eigenen Berufungsbeantwortung zur Berufung der Beklagten sowie auf Ersatz von einem Drittel ihrer Pauschalgebühren. Im Revisionsverfahren ist die Klägerin zur Gänze durchgedrungen, weshalb ihr die gesamten Kosten zu ersetzen waren.
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