OGH 16Ok16/04

OGH16Ok16/0430.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Birgit Langer als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Manfred Vogel und Dr. Wolfgang Schramm sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer und Dr. Erich Haas als weitere Richter in der Kartellrechtssache des Antragstellers Bundeskartellanwalt, 1016 Wien, Schmerlingplatz 11, wider die Antragsgegnerin B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen Feststellung der verbotenen Durchführung eines Zusammenschlusses, über den Rekurs der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 28. April 2004, GZ 29 Kt 119, 120/04-10, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Antrag festzustellen, dass der Zusammenschluss betreffend die Erhöhung der Beteiligung der Antragsgegnerin an der S***** GmbH von 33 % auf 90 % in verbotener Weise durchgeführt wurde, abgewiesen wird.

Text

Begründung

Mit Schriftsatz vom 15. 11. 2001, 25 Kt 461/01-1, meldete die Antragsgegnerin Folgendes als Zusammenschluss gemäß § 41 Abs 1 Z 5 KartG an:

„Zusammenschlussvorhaben

Die .... [Antragsgegnerin] beabsichtigt, von der RLB-***** (RLB) einen Geschäftsanteil im Ausmaß von 33 % am Stammkapital der S***** GmbH (Brauerei S*****) zu erwerben. Ein diesbezüglicher Abtretungsvertrag (...) wird heute unterzeichnet. Gleichzeitig wird ein Syndikatsvertrag abgeschlossen, demzufolge sich RLB verpflichtet, die Vorschläge der ...[Antragsgegnerin] bei allen Maßnahmen der Geschäftsführung, einschließlich der Erteilung von Weisungen an die Geschäftsführung, zu unterstützen. Geschäftsführerbestellungen bedürfen der Einstimmigkeit im Syndikat. Darüber hinaus hat ... [Antragsgegnerin] das Vorschlagsrecht für einen weiteren Geschäftsführer. Im Ergebnis wird ...[Antragsgegnerin] die alleinige Kontrolle über die Betriebsführung der Brauerei S***** innehaben. Hintergrund der Transaktion sind erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten der Brauerei S*****, die die Einstellung des Geschäftsbetriebs erzwingen würden, sofern nicht ein strategischer Partner gefunden wird."

Im Anmeldungschriftsatz wurde ausgeführt, dass die Brauerei S***** derzeit zu 90 % im Eigentum der RLB stehe und die übrigen 10 % von einer Genossenschaft lokaler Gastronomiebetriebe gehalten würden, die bis 1996 Alleineigentümer der Brauerei gewesen sei und im Zug der angemeldeten Transaktion auf ihre Option, sämtliche Anteile rückzukaufen verzichten werde.

Im Syndikatsvertrag zwischen RLB und Antragsgegnerin vom 15. 11. 2001 heißt es unter anderem:

„III. Betriebsfortführung

Die .... (Antragsgegnerin) wird die derzeitige Produktionsstätte in S***** so lange fortführen, als dies unter Bedachtnahme auf die betriebswirtschaftlichen Überlegungen sinnvoll ist. IV. Betriebsführung, Finanzierung

Die Betriebsführung der Brauerei S***** erfolgt durch die ... (Antragsgegnerin). Alle Maßnahmen der Geschäftsführung, insbesondere Weisungen an die Geschäftsführung, werden von der ...

(Antragsgegnerin) durchgeführt. Von der RLB-Bet. wird zu allen von

... (Antragsgegnerin) vorgeschlagenen Geschäftsführungsmaßnahmen

generell die Zustimmung erteilt. Der handelsrechtliche

Geschäftsführer wird weiterhin durch die RLB-Bet. bestellt. Die

RLB-Bet. erklärt sich bereit, über Wunsch der ... (Antragsgegnerin)

einen weiteren Geschäftsführer oder weitere Prokuristen zu bestellen.

Die Produktion und Abfüllung von Faßbier erfolgt in S*****, die

Flaschenabfüllung durch die ... (Antragsgegnerin) (wahrscheinlich) in

G*****. Die Logistik wird nach Prüfung kundenserviceorientiert und kostenoptimiert voraussichtlich aus dem Verkaufslager S***** durchgeführt.

Die Fremdfinanzierung des laufenden Geschäftsbetriebs erfolgt über die RLB Stmk zu marktüblichen Konditionen. Für größere Investitionsvorhaben müssen gesonderte Vereinbarungen getroffen werden. ...

VI. Organisation des Syndikates

Die Willensbildung der Vertragsparteien erfolgt durch Syndikatbeschlüsse, .....

Folgende Angelegenheiten bedürfen eines einstimmigen Syndikatsbeschlusses:

  1. a) Stimmverhalten in der Generalversammlung der S***** Brau GmbH
  2. b) Änderungen in der Geschäftsführung
  3. c) Änderungen des Gesellschaftsvertrags
  4. d) Beschlussfassung über den Jahresabschluss der S***** Brau GmbH
  5. e) Teilstillegungen der Betriebsstätte
  6. f) Budget, Investitionen und Ausweitung der Fremdfinanzierung
  7. g) Bestellung des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers ...."

    Im Zug des kartellgerichtlichen Verfahrens stellten die damaligen Amtsparteien Bundesarbeitskammer und Bund Prüfunganträge gemäß § 42b KartG. Der Paritätische Ausschuss für Kartellangelegenheiten erstellte im gerichtlichen Auftrag zahlreiche Zwischengutachten. Im Rahmen der Ermittlungen durch den Paritätischen Ausschuss erklärte der Vorstandsdirektorder Antragsgegnerin KR Johann S*****, dass die Antragsgegnerin eine Option habe, ihren Anteil an der S***** Brauerei auf 90 % aufzustocken.

    Anlässlich der Sitzung des Paritätischen Ausschusses vom 28. 2. 2002 gaben die Vertreter der Antragsgegnerin zu Protokoll, dass diese gleichzeitig mit dem Erwerb von 33 % des Stammkapitals an der Brauerei S***** das Recht erhalten werde, das operative Geschäft der Brauerei S***** allein zu führen.

    In der Folge kam es zu einer Beschränkung der Zusammenschlussanmeldung durch die Antragsgegnerin in der Weise, dass sie zusagte, die mit den erworbenen Anteilen verbundenen Stimmrechte nicht in einer Art und Weise auszuüben, die für die Dauer von drei Jahren ab Stichtag des Beteiligungserwerbs den Produktionsstandort der Brauerei S***** in Frage stelle. Die Antragsgegnerin werde ihre Stimmrechte und ihre Einflussmöglichkeiten auf die Betriebsführung der S***** Brauerei vielmehr dahingehend ausüben, dass am Standort der Brauerei S***** für die Dauer von zumindest drei Jahren ab Stichtag des Beteiligungserwerbs ein Braubetrieb mit einem jährlichen Ausstoß von mindestens 16.000 hl Bier bestehe. Darüber hinaus werde die Antragsgegnerin dafür Sorge tragen, dass Bier, welches innerhalb oder außerhalb Österreichs unter der Marke "S*****" vertrieben werde, für die Dauer von zumindest drei Jahren ab Stichtag des Beteiligungserwerbs ausschließlich im Braubetrieb der Brauerei S***** hergestellt werde. Davon unberührt bleibe das Recht der Antragsgegnerin, ihre Stimmrechte und Einflussmöglichkeiten dahingehend auszuüben, dass die Abfüllung des in S***** hergestellten Bieres im Interesse einer Kostenoptimierung an anderen Standorten des Konzerns der Antragsgegnerin durchgeführt werde (25 Kt 461/01-30). Auf Grund dieser Beschränkung der Zusammenschlussanmeldung zogen die Bundesarbeitskammer und der Bund ihre Prüfunganträge zurück. Mit Beschluss vom 12. 4. 2002 stellte das Erstgericht das Prüfungsverfahren ein, hielt fest, dass damit das im § 42a Abs 4 KartG verankerte Verbot der Durchführung des Zusammenschlusses weggefallen sei, und ordnete die Eintragung des Zusammenschlusses, wie in den Schriftsätzen 25 Kt 461/01-1 und -30 dargelegt, in das Kartellregister an. Der Beschluss erwuchs unbekämpft in Rechtskraft. Mit Pressemitteilung vom 15. 1. 2004 gab die Antragsgegnerin bekannt, dass sie ihren Anteil an der Brauerei S***** von 33 % auf 90 % erhöht und damit alle Anteile von RLB übernommen habe. In das Firmenbuch wurde die Änderung des Beteiligungsstands am 13. 2. 2004 eingetragen. Im Anhang zum Jahresabschluss zum 31. 12. 2002 wurde der direkte Anteil der Antragsgegnerin an der Brauerei S***** mit 90 % angegeben. Der Bundeskartellanwalt beantragte, a) festzustellen, dass der Zusammenschluss betreffend die Erhöhung der Beteiligung der Antragsgegnerin an der S***** GmbH von 33 % auf 90 % in verbotener Weise durchgeführt worden sei, und b) der Antragsgegnerin eine Geldbuße aufzuerlegen. Die Aufstockung der Beteiligung sei anmeldepflichtig gewesen, weil bei Erreichen oder Überschreiten der beiden Schwellen des § 41 Abs 1 Z 3 KartG stets ein anmeldepflichtiger Zusammenschlusstatbestand vorliege, unabhängig davon, ob durch den Anteilserwerb eine Beherrschungsmöglichkeit entstehe oder ob - wenn bereits vor dem gegenständlichen Zusammenschluss eine Unternehmensverbindung zwischen den beteiligten Unternehmen vorgelegen sei - der Zusammenschluss zu einer Verstärkung dieser Verbindung führe oder nicht. Jedes Erreichen der gesetzlichen Beteiligungsschwellen begründe einen neuen Zusammenschluss im Sinn des Kartellgesetzes, sofern es sich nicht um bloß konzerninterne Verschiebungen handle, wovon im gegenständlichen Fall nicht die Rede sein könne.

    Die Antragsgegnerin beantragte die Abweisung der Anträge des Bundeskartellanwalts. Bereits im seinerzeitigen Fusionskontrollverfahren sei der Erwerb der alleinigen Kontrolle der Antragsgegnerin über die S***** Brauerei geprüft und nach entsprechenden Zusagen der Antragsgegnerin freigegeben worden. Durch die Aufstockung der Beteiligung trete weder formal noch wirtschaftlich eine Änderung des schon genehmigten Zusammenschlusses ein. Schließlich habe die Antragsgegnerin seinerzeit dem Kartellgericht gegenüber das Vorhaben ausdrücklich als Zusammenschluss gemäß § 41 Abs 1 Z 5 KartG angemeldet, also nicht bloß nach § 41 Abs 1 Z 3 KartG. Die Antragsgegnerin habe dem Kartellgericht somit vollständig und richtig bekannt gegeben, was mit dem Vorhaben wirtschaftlich beabsichtigt sei, nämlich die volle Integration der S***** Brauerei in die Antragsgegnerin. Die - vollständige und zutreffende - Beschreibung des Zusammenschlussvorhabens in der seinerzeitigen Anmeldung sei letztlich auch Grundlage des Eintragungsbeschlusses des Kartellgerichts gewesen. Die Freigabe und Eintragung umfassten nicht nur den Erwerb der Minderheitsbeteiligung, sondern auch den im damaligen Verfahren dargelegten Gesamtvorgang. Die Aufstockung der Beteiligung ändere an der alleinigen Kontrolle der Antragsgegnerin und am genehmigten Zusammenschluss nichts und sei durch die erteilte Freigabebestätigung gedeckt. Im Übrigen unterliege die Aufstockung der Beteiligung dem "Konzernprivileg" gemäß § 41 Abs 3 KartG. Durch - vertraglich gesicherte - Unterstützung der RLB habe die Antragsgegnerin nämlich bereits ab dem Erwerb der Minderheitsbeteiligung über die Stimmenmehrheit in der Generalversammlung verfügt. Auf diese Weise sei es möglich gewesen, dass die Geschäfte der Brauerei S***** bereits seit September 2002 von Mitarbeitern der Antragsgegnerin geführt worden seien. Zu der von Anfang an beabsichtigten Vollintegration der Brauerei S***** in das Unternehmen der Antragsgegnerin sei es auch tatsächlich gekommen. Die Antragsgegnerin habe - gestützt auf Punkt IV. des Syndikatsvertrags - das operative Budget für die Brauerei S***** erstellt und sofort der Geschäftsführung vorgegeben. Der alleinigen Kontrolle der Antragsgegnerin über die Brauerei S***** stehe Punkt VI. des Syndikatsvertrags nicht entgegen. Soweit es sich um Maßnahmen der operativen Geschäftsführung handle, gehe das Weisungsrecht gemäß Punkt IV. des Syndikatsvertrags dem Punkt VI. vor. Letzterer bezwecke nur den Schutz der RLB S***** als Investor und Kapitalgeber der Brauerei S*****. Die in Punkt VI. lit f erwähnten „Budgets" hätten ausschließlich Investitionsbudgets vor Augen, operative Budgets seien damit nicht gemeint. Dies ergäbe sich auch aus dem Gesellschaftsvertrag der Brauerei S*****, nach dessen Punkt 6.3 die Geschäftsführung der Generalversammlung nur Investitionsbudgets zur Genehmigung vorzulegen habe. Schon vor der Aufstockung der Beteiligung seien Antragsgegnerin und S***** Brauerei konzernverbundene Unternehmen gewesen.

    Die Bundeswettbewerbsbehörde äußerte sich dahingehend, dass es durch die Beteiligungsaufstockung zu einem zusätzlichen Herrschaftserwerb gekommen sei. Daraus habe sich auf Grund möglicher Auswirkungen auf die Marktstellung der beteiligten Unternehmen ein Bedarf nach neuerlicher kartellrechtlicher Prüfung ergeben.

    Das Erstgericht gab mit dem angefochtenen Beschluss dem Feststellungsantrag statt. Das "Konzernprivileg" gemäß § 41 Abs 3 KartG nehme Vermögensumschichtungen innerhalb eines Unternehmensverbunds von einer Zusammenschlussbewertung aus. Dies treffe hier nicht zu, weil der Veräußerer mit der Antragsgegnerin nicht in einem Konzernverhältnis stehe. Ob die Antragsgegnerin und die Brauerei S***** als Konzern zu qualifizieren seien, sei nicht relevant bzw nicht ausreichend. Der Begriff des beteiligten Unternehmens im Sinn des § 41 Abs 3 KartG unterscheide sich von jenem im Sinn des § 42a KartG. Letzterer umfasse nicht den Veräußerer, jener des § 41 Abs 3 KartG schon, wäre doch andernfalls der Zweck dieser Bestimmung (dass nur Verschiebungen innerhalb eines Konzerns keinen Zusammenschlusstatbestand begründen) nicht erfüllt. Die Beteiligungsaufstockung von 33 % auf 90 % verwirkliche den Zusammenschlusstatbestand nach § 41 Abs 1 Z 3 KartG. Die Auffassung der Antragsgegnerin, die Anmeldung des Beteiligungserwerbs von 33 % unter Hinweis auf die im Ergebnis vorliegende alleinige Kontrolle über die Betriebsführung der Brauerei S***** habe den folgenden Erwerb der Mehrheitsbeteiligung eingeschlossen, weil sich dadurch an der alleinigen Kontrolle nichts geändert habe, sei unzutreffend. Der ursprüngliche Syndikatsvertrag habe der Antragsgegnerin nicht die alleinige Kontrolle über die Brauerei S***** verschafft. Da wesentliche Elemente der Unternehmensleitung, wie etwa das Stimmverhalten in der Generalversammlung oder die Änderung der Geschäftsführung, einstimmiger Syndikatsbeschlüsse bedurften, habe die Antragsgegnerin bloß die Stellung eines "Mitbeherrschers" gehabt. Durch den Erwerb der Mehrheitsbeteiligung sei die Antragsgegnerin zum "Alleinbeherrscher" geworden, weil durch den Erwerb der Mehrheitsbeteiligung ihre Einflussmöglichkeiten auf die grundsätzliche Festlegung der Geschäftspolitik verstärkt worden seien. Deshalb sei von einer neuerlichen Verwirklichung eines Zusammenschlusses auszugehen. Im Übrigen sei die Aufstockung der Beteiligung auf 90 % nicht Gegenstand der seinerzeitigen Anmeldung gewesen, zumal die bloße Erwähnung der Aufstockungsoption gegenüber dem Paritätischen Ausschuss keinen Einfluss auf den Inhalt der Anmeldung haben könne. Die Option sei nicht anmeldefähig. Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Antragsgegnerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung, unvollständiger Tatsachenfeststellungen und Verfahrensmängeln mit dem Antrag, jenen im antragsabweisenden Sinn abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

    Der Bundeskartellanwalt und die Bundeswettbewerbshörde erstatteten Gegenäußerungen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Die Rekurswerberin führt in der Rechtsrüge zusammengefasst aus, die

Auffassung, nach § 41 Abs 3 KartG müssten sämtliche beteiligte

Unternehmen ein- und demselben Konzern angehören, stehe im

Widerspruch zu Wortlaut und Sinn des Gesetzes. Wer bei einem

Beteiligungserwerb als „beteiligtes Unternehmen" im Sinn des § 41 Abs

3 KartG anzusehen sei, ergebe sich aus § 41 Abs 1 Z 3 KartG. Nach

dessen Wortlaut sei der Veräußerer bei einem Zusammenschluss nach

dieser Gesetzesstelle nicht beteiligtes Unternehmen. Von den

Ausführungen zu § 41 Abs 3 KartG in der Entscheidung des Obersten

Gerichtshofs 16 Ok 20/02 ausgehend, komme es nur darauf an, ob durch

die Aufstockung der Beteiligung der Antragsgegnerin an der Brauerei

S***** eine zusätzliche Einengung des Potentials für Wettbewerb

zwischen diesen Unternehmen zu erwarten sei. Das

Wettbewerbspotential, um dessen Schutz es dem Kartellgesetz gehe,

betreffe das Verhältnis der beiden Brauereien zueinander und nicht

das Wettbewerbsverhältnis zwischen der Antragsgegnerin und dem

Miteigentümer. Der Begriff des „beherrschenden Einfluss" in § 41 Abs

1 Z 5 KartG und bei der Anwendung von § 41 Abs 3 KartG iVm § 115

GmbHG sei gleich zu interpretieren. Seien zwei Unternehmen im Sinn

des § 41 Abs 1 Z 5 KartG miteinander verbunden, schließe § 41 Abs 3

KartG weitere Zusammenschlüsse zwischen diesen aus. Seit

Inkrafttreten des Syndikatsvertrags habe die Antragsgegnerin die

Brauerei S***** allein beherrscht, sodass die beiden Gesellschaften

zum Zeitpunkt der Aufstockung der Beteiligung bereits

konzernverbundene Unternehmen gewesen seien. Selbst wenn die

Beurteilung des Erstgerichts, dass der Syndikatsvertrag der

Antragsgegnerin gar keine Alleinkontrolle verschafft habe, richtig

wäre, führte dies nicht dazu, dass ein zweites

Fusionskontrollverfahren durchgeführt werden müsste. Im Verfahren 25

Kt 461/01 sei der Erwerb der alleinigen Kontrolle der Antragsgegnerin

über die Brauerei S***** - ohne Einschränkungen durch die in Punkt

VI. des Syndikatsvertrags vorgesehenen Beschlusserfordernisse -

geprüft und genehmigt worden. Sollten die Mitspracherechte der RLB

gemeinsame Kontrolle begründen, wäre das Vorhaben in geringerem

Umfang durchgeführt worden, als es der seinerzeitigen Prüfung und

Genehmigung entsprochen habe. Wenn die Antragsgegnerin nunmehr von

der damals erteilten Genehmigung in vollem Umfang Gebrauch mache,

indem die Beschränkungen aus Punkt VI. des Syndikatsvertrags im Zuge

des Anteilserwerbs aufgehoben werden, bleibe sie immer noch im Rahmen

der erteilten Genehmigung.

Hiezu wurde erwogen:

Die Erhöhung der Beteiligung der Antragsgegnerin an der Brauerei

S***** von 33 % auf 90 % des Stammkapitals erfüllt für sich allein

betrachtet unstrittig den Zusammenschlusstatbestand des § 41 Abs 1 Z

3 KartG. Trotz Vorliegens dieses formalen Zusammenschlusstatbestands wäre ein erneuter Zusammenschluss zu verneinen, wenn alle beteiligten Unternehmen einem Konzern (§ 15 AktG 1965; § 115 GmbHG) angehören (§ 41 Abs 3 KartG). Dies ist zu bejahen. Diese durch die KartG Novelle 1993 eingefügte Bestimmung enthält nach den Materialien die Klarstellung, dass Verschiebungen innerhalb eines Konzerns keinen Zusammenschlusstatbestand begründen (EBRV 1096 BlgNR 18. GP 20). Die im § 41 Abs 3 KartG bezogenen § 15 AktG und § 115 GmbHG haben den gleichen Wortlaut:

"(1) Sind rechtlich selbständige Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken unter einheitlicher Leitung zusammengefasst, so bilden sie einen Konzern; die einzelnen Unternehmen sind Konzernunternehmen.

(2) Steht ein rechtlich selbständiges Unternehmen auf Grund von Beteiligungen oder sonst unmittelbar oder mittelbar unter dem beherrschenden Einfluss eines anderen Unternehmens, so gelten das herrschende und das abhängige Unternehmen als Konzern und einzeln als Konzernunternehmen."

Der Auffassung des Erstgerichts, die Anwendung der Ausnahmebestimmung scheitere daran, dass die Antragsgegnerin nicht mit dem Veräußerer der von ihr erworbenen Anteile an dem mit ihr bereits im Sinn des § 41 Abs 1 KartG zusammengeschlossenen Unternehmen konzernmäßig verbunden gewesen sei, ist nicht zu folgen. Der in § 41 Abs 3 KartG verwendete Begriff des "beteiligten Unternehmens" wird im Gesetz nicht definiert. Aus den zitierten Materialien lässt sich kein klares Begriffsverständnis der Gesetzesverfasser gewinnen, weil auch der Erwerb eines weiteren Anteils am abhängigen Konzernunternehmen durch das herrschende Unternehmen als "Verschiebung innerhalb eines Konzerns" angesehen werden kann. Da diese Norm bestimmt, dass unter der dort genannten Voraussetzung kein Zusammenschluss vorliegt, auch wenn einer der in den vorstehenden Absätzen geregelten Zusammenschlusstatbestände verwirklicht ist, ist es naheliegend, diese Frage entsprechend der Beteiligtenstellung bei den einzelnen Formen des Zusammenschlusses zu beantworten. Nach herrschender Auffassung sind beim Anteilserwerb der Erwerber und dasjenige Unternehmen, an dem die erworbenen Anteile bestehen, am Zusammenschluss, verstanden als die durch den Vorgang entstehende Wettbewerbsbeschränkung, beteiligt, nicht jedoch der lediglich mitwirkende Veräußerer (Koppensteiner, Österreichisches und europäisches Wirtschaftsrecht³ § 13 Rz 43 mwN; Wessely, Das Recht der Fusionskontrolle und Medienfusionskontrolle 105; dieselbe ecolex 1994, 475; Barfuß/Wollmann/Tahedl, Österreichisches Kartellrecht 122; einschränkend Fellner, RdW 1998, 660, der meint, dies sei im Ergebnis dann zutreffend, wenn der Veräußerer seine gesamte Beteiligung am Beteiligungsunternehmen - wie im vorliegenden Fall - abtrete). Am hier zu beurteilenden Vorgang sind demnach nur die Antragsgegnerin und das Zielunternehmen im Sinn des § 41 Abs 3 KartG beteiligt. Eine konzernmäßige Verbundenheit zwischen Antragsgegnerin und S***** GmbH auf Grund des ersten, vom Erstgericht freigegebenen Zusammenschlusses war bei der Erhöhung der Beteiligung gegeben. Diese Verbindung ging infolge der durch den Syndikatsvertrag jeweils mit der Mehrheitsgesellschafterin hervorgehobenen Stellung der Antragsgegnerin über eine bloße Minderheitsbeteiligung hinaus und ist als Verbindung im Sinn des § 41 Abs 1 Z 5 KartG zu qualifizieren. Der Senat hat sich in der Entscheidung 16 Ok 9/01 = SZ 74/199 eingehend mit dem Begriff der Einflussmöglichkeit im Sinn dieser Bestimmung auseinandergesetzt und ausgeführt, dass der kartellrechtliche Beherrschungsbegriff weiter geht als jener des Gesellschaftsrechts. Entscheidend ist, ob ein Unternehmen bei den für die Markt- und Wettbewerbsstellung ausschlaggebenden Entscheidungen (zB über Investitionen, Produktion und Vertrieb) seine eigenen wettbewerblichen Interessen in einem anderen Unternehmen durchsetzen kann. Solches wäre dann der Fall, wenn es wesentliche Markt- und Wettbewerbsstrategien des Zielunternehmens bestimmen kann. Im Sinn dieser Rechtsprechung ist der Rekurswerberin darin beizupflichten, dass auf Grund der im Pkt IV Abs 1 des Syndikatsvertrags vereinbarten Betriebsführung der Brauerei S***** allein durch die Antragsgegnerin, Durchführung aller Maßnahmen der Geschäftsführung, einschließlich aller Weisungen an die Geschäftsführung, durch die Antragsgegnerin, generelle Zustimmung der Mehrheitsgesellschafterin zu allen von der Antragsgegnerin vorgeschlagenen Geschäftsführungsmaßnahmen die Antragsgegnerin einen beherrschenden Einfluss iSd § 41 Abs 1 Z 5 KartG auf die Brauerei S***** ausüben konnte.

Der Senat hat in der Entscheidung 16 Ok 20/02 (dazu ausführlich G. Schima, Das kartellrechtliche "Konzernprivileg" - Anmerkungen zur "Postbus-Entscheidung" des OGH in FS Peter Doralt 359 ff), die sich eingehend mit der Auslegung des § 41 Abs 3 KartG auseinandersetzt, ausgesprochen, dass es Aufgabe der Zusammenschlusskontrolle ist, eine Marktstruktur mit einer möglichst großen Anzahl "selbständiger" Marktteilnehmer und das daraus resultierende Potential zum Wettbewerb zu erhalten. Beim Konzernbegriff im Rahmen des § 41 Abs 3 KartG kommt es auf die Veränderung der internen Machtverhältnisse an und kann auch der bloßen Möglichkeit der wirtschaftlichen Einflussnahme Bedeutung zukommen. § 41 Abs 3 KartG ist dahin zu verstehen, dass neben der einheitlichen Leitung von Unternehmen zu wirtschaftlichen Zwecken (§ 15 Abs 1 AktG; § 115 Abs 1 GmbHG) und der sonstigen Beherrschung (§ 15 Abs 2 AktG; § 115 Abs 2 GmbHG jeweils 2. Fall) der gesellschaftsrechtlichen Beherrschung (§ 15 Abs 2 AktG; § 115 Abs 2 GmbHG jeweils 1. Fall) ein solches Gewicht zukommen kann, dass es gerechtfertigt ist, deren Verhältnis zueinander unabhängig von einer konkreten einheitlichen Leitung als Konzernverhältnis anzusehen. Damit wird deutlich, dass es bei einer am Zweck des § 41 Abs 3 KartG orientierten Auslegung nach den Umständen des Einzelfalls für die Annahme eines Konzernverhältnisses genügen kann, wenn die beteiligten Unternehmen im Sinn des § 41 Abs 1 Z 5 KartG miteinander verbunden sind. Mit dieser Einschränkung ist der Ansicht Gugerbauers (Handbuch der Fusionskontrolle, 31 und Kommentar zum Kartellrecht², 296 f) beizutreten, dass dann, wenn einmal das Erlangen eines beherrschenden Einflusses nach § 41 Abs 1 Z 5 KartG angemeldet und dann vollzogen wurde, danach auch bei Vorliegen eines Sachverhalts, der die Kriterien nach Abs 1 Z 1 bis 4 bzw Abs 2 KartG erfüllt, kein neuerlicher Zusammenschluss vorliegt.

Nach den Umständen des vorliegenden Falls ist im Sinn der vorstehenden Ausführungen die durch den Erwerb einer Minderheitsbeteiligung, gekoppelt mit einem Syndikatsvertrag mit dem Mehrheitsgesellschafter, begründete Verbindung zwischen Antragsgegnerin und Brauerei S***** als konzernmäßige Verbindung zu beurteilen. Das mehrheitlich beteiligte Unternehmen hat der Antragsgegnerin (als Teil des marktführenden Konzerns in der Branche des Beteiligungsunternehmens) in Pkt IV Abs 1 des Syndikatsvertrags einen beherrschenden Einfluss eingeräumt, der dazu führte, dass dieses die Verantwortung für die Führung des Unternehmens trug und die Unternehmenspolitik bestimmen konnte. Pkt VI des Syndikatsvertrags stellte sicher, dass die Mehrheitsgesellschafterin in den dort geregelten Materien auf die Zustimmung der Antragsgegnerin angewiesen war (insbesondere konnte die Antragsgegnerin Investitionen verhindern). Dadurch hatte die Antragsgegnerin im Kern alleinigen Einfluss auf das Wettbewerbspotential des abhängigen Unternehmens, der ihr die Möglichkeit gab, die eigenen Wettbewerbsinteressen im Verhältnis zur Mehrheitsgesellschafterin und gegenüber dem abhängigen Unternehmen abzustimmen und durchzusetzen.

Liegt demnach in der Erhöhung der Beteiligung der Antragsgegnerin an der Brauerei S***** kein erneuter Zusammenschluss, erweist sich der Antrag des Bundeskartellanwalts als unbegründet. Dieser war deshalb in Stattgebung des Rekurses abzuweisen.

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