Spruch:
Karl Heinz W***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.
Die angefochtene Entscheidung wird im den Genannten betreffenden Umfang aufgehoben.
Dem Bund wird der Ersatz der mit 700 Euro bestimmten Beschwerdekosten an den Beschwerdeführer auferlegt.
Text
Gründe:
Mit Beschluss vom 23. März 2005, AZ 22 Bs 71/05k, 72/05g, gab das Oberlandesgericht Wien einer Beschwerde des Karl Heinz W***** gegen die vom Untersuchungsrichter beschlossene Fortsetzung der am 24. Februar 2005 verhängten Untersuchungshaft keine Folge und setzte diese aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO fort.
Rechtliche Beurteilung
Den nicht an § 182 Abs 4 zweiter Satz (§ 179 Abs 4 Z 2) StPO ausgerichteten Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichtes (dessen Fortsetzungsbeschluss jenen des Untersuchungsrichters nicht bloß zu beurteilen, vielmehr zu ersetzen hat und demnach eine neue - reformatorische - Entscheidung darstellt; RIS-Justiz RS0116421) zufolge ging dieses erkennbar von der hohen Wahrscheinlichkeit aus, der Beschuldigte habe mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz als Mittäter des Siegfried A***** in seiner Funktion als „Verkaufsleiter bzw. Verkäufer" der Home & More Ltd von März bis Juni 2004 in vier Fällen Kaufinteressenten von Fertigteilhäusern zur Zahlung von insgesamt 223.600 Euro verleitet, obwohl er wusste, dass die genannte Gesellschaft infolge (bereits „erhebliche Zeit" vor der am 27. Oktober 2004 erfolgten Konkurseröffnung eingetretener) Zahlungsunfähigkeit die hiefür zugesagten Leistungen nicht erbringen werde können (S 53 ff, insb 57/III).
Eine gesetzliche Bezeichnung der dem dringenden Tatverdacht zugrundeliegenden Taten nahm das Oberlandesgericht nicht vor (vgl erneut § 182 Abs 4 zweiter Satz [§ 179 Abs 4 Z 2] StPO), sondern verwies lediglich auf die „angezogenen" Gesetzesstellen, welche aber weder dem Tenor noch den Gründen der Entscheidung zu entnehmen sind. Ein den Beschwerdeführer betreffendes Tatsachensubstrat in Richtung (im Kopf der Entscheidung angeführter) gewerbsmäßiger Begehung (§ 148 zweiter Fall StGB) wie auch in Richtung betrügerischer Krida (§ 156 Abs 1 und 2 StGB) ist dem angefochtenen Beschluss nicht zu entnehmen. Denn dieser unterstellt dem Beschuldigten in tatsächlicher Hinsicht weder die Absicht, sich durch wiederkehrenden Betrug eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (vgl Jerabek in WK2 § 70 Rz 2), noch enthält er Tatumstände, welche eine als leitender Angestellter (§ 161 StGB) begangene Verringerung des Vermögens der genannten Gesellschaft zum Nachteil ihrer Gläubiger iSd § 156 Abs 1 StGB indizieren.
Daher war bei Erledigung der Grundrechtsbeschwerde (auf der Basis dringenden Tatverdachtes) nur von durch vier Einzeltaten - wenngleich nicht gewerbsmäßig - begangenem schweren Betrug nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB mit einem Gesamtschaden von 223.600 Euro auszugehen. An die im Beschluss auf Einleitung der Voruntersuchung (§ 92 Abs 3 erster Satz StPO) vorgenommene rechtliche Beurteilung der Taten ist das über die Untersuchungshaft entscheidende Gericht, wie zur Klarstellung angemerkt sei, nicht gebunden.
Mit dem bloßen Hinweis, dass der Beschwerdeführer vor dem 30. Juni 2004 weder Geschäftsführer der Home & More Ltd noch für deren Konten zeichnungsberechtigt war, vermag die Grundrechtsbeschwerde hiezu keine den dringenden Tatverdacht betreffende Grundrechtsverletzung darzutun.
Die rechtliche Annahme der Gefahr, der Beschuldigte werde auf freiem Fuße ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist wie die ihm angelastete strafbare Handlung (§ 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO), wird vom Obersten Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens dahin überprüft, ob sie aus den angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806).
Zutreffend zeigt die Grundrechtsbeschwerde auf, dass das Oberlandesgericht mit dem bloßen Abstellen auf die (hier im Rahmen einer nunmehr abgeschlossenen Unternehmenstätigkeit begangene) mehrfache Tatwiederholung in Zusammenhang damit, dass der (bislang unbescholtene) Beschuldigte im Zeitpunkt seiner Inhaftierung (bei einer anderen Gesellschaft) in derselben Branche tätig war, in § 180 Abs 3 StPO genannte Umstände unbeachtet ließ. Bei der Beurteilung des Haftgrunds der Tatbegehungsgefahr ist nach § 180 Abs 3 letzter Satz StPO zu berücksichtigen, inwieweit eine Minderung der Gefahr dadurch eingetreten ist, dass sich die Verhältnisse, unter denen die dem Beschuldigten angelasteten Taten begangen wurden, geändert haben. In Hinblick darauf, dass - wovon der Gerichtshof zweiter Instanz bei seinen Feststellungen zum dringenden Tatverdacht selbst ausgegangen ist - der Beschwerdeführer „immer über Anweisung" des Beschuldigten Siegfried A***** gehandelt habe, die Kooperation mit diesem (nunmehr ebenfalls in Untersuchungshaft befindlichen Beschuldigten) durch den Konkurs der Home & More Ltd aber beendet ist, in Zusammenhalt damit, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung das Haftübel bereits rund einen Monat verspürt hat, wird die Begründung der Prognose des Gerichtshofs zweiter Instanz - dessen Entscheidung im Übrigen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme persönlicher Bereicherung des Beschuldigten zu entnehmen sind - den in § 180 Abs 2 Z 3 lit b iVm Abs 3 StPO geforderten Voraussetzungen nicht gerecht (vgl 13 Os 19/98).
Im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Stellungnahme des Generalprokurators war demnach auszusprechen, dass durch den angefochtenen Beschluss eine Verletzung des Grundrechts auf persönliche Freiheit des Karl Heinz W***** stattgefunden hat. Die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung im den Genannten betreffenden Umfang erschien dem Obersten Gerichtshof erforderlich (§ 7 Abs 1 GRBG), weil unter Zugrundlegung der zu § 180 Abs 3 StPO dargestellten Umstände vom Vorliegen einer Tatbegehungsgefahr nicht (mehr) auszugehen war. Demnach wird der Beschwerdeführer zu enthaften sein.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 8 f GRGB iVm BGBl II 2003/309.
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