OGH 13Os19/98

OGH13Os19/9811.2.1998

Der Oberste Gerichtshof hat am 11.Februar 1998 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Benner als Schriftführer, in der bei dem Landesgericht Klagenfurt zum AZ 10 Vr 358/97 anhängigen Strafsache gegen Adolf H***** und Elgar B***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Grundrechtsbeschwerde des Adolf H***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 29.Dezember 1997, AZ 10 Bs 551/97 (= ON 98 des Vr-Aktes) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 29.Dezember 1997, AZ 10 Bs 551/97 (GZ 10 Vr 358/97-98 des Landesgerichtes Klagenfurt) wurde Adolf H***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Dieser Beschluß wird aufgehoben.

Gemäß § 8 GRBG wird dem Bund der Ersatz der Beschwerdekosten von 8.000 S zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer auferlegt.

Text

Gründe:

Gegen Adolf H***** richtet sich neben dem Vorwurf des Vergehens nach § 114 Abs 1 ASVG der dringende Verdacht, während der Jahre 1993 bis 1997 das Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall StGB (vornehmlich; vgl aber auch S 3 f des Antrags- und Verfügungsbogens und Bd II, S 227) durch vielfaches, gewerbsmäßig betrügerisches Herauslocken von teils 25.000 S übersteigenden, in Summe über 2 Mill.S liegenden Geldbeträgen für die Anbahnung von (tatsächlich in keinem Fall gewährten) Krediten begangen zu haben.

Die über den Beschuldigten am 2.Juli 1997 verhängte Untersuchungshaft wurde vom Untersuchungsrichter am 12.Dezember 1997 gegen Anwendung gelinderer Mittel (§ 180 Abs 5 Z 2 und 3 StPO) aufgehoben, der Beschwerde des Staatsanwaltes jedoch mit dem bezeichneten Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz Folge gegeben und die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund des § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO fortgesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobenen, das weitere Vorliegen der Tatbegehungsgefahr bestreitenden Grundrechtsbeschwerde des Untersuchungshäftlings kommt Berechtigung zu.

Der vom Oberlandesgericht bloß unter Berufung darauf, daß dieser "vom Erstgericht gar nicht angezweifelt" worden sei (S 8 der Entscheidung) angenommene Haftgrund nach § 180 Abs 2 Z 3 lit a StPO liegt schon deshalb nicht vor, weil § 29 StGB mehrere nicht qualifizierte strafbare Handlungen nicht zu einer strafbaren Handlung mit schweren Folgen macht (Leukauf/Steininger Komm3 § 21 RN 14; ÖJZ-LSK 1998/8).

Aber auch Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO liegt nicht (mehr) vor.

Der Umstand, daß dem Beschuldigten wiederholte oder fortgesetzte Handlungen angelastet werden, stellt (neben der alternativ angeführten Verurteilung) zwar eine notwendige, nicht aber auch hinreichende Bedingung für den Haftgrund nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO dar. Wiederholte oder fortgesetzte Handlungen reichen nur dann hin, wenn daraus jene bestimmten Tatsachen abzuleiten sind, welche § 180 Abs 2 StPO für die Annahme nicht bloß der Möglichkeit, vielmehr der konkreten Gefahr (Mayrhofer/Steininger GRBG § 2 Rz 55; zuletzt:

13 Os 183/97) einer gegen dasselbe Rechtsgut gerichteten strafbaren Handlung mit nicht bloß leichten Folgen unabdingbar fordert.

Liegt aber die letzte dem Beschuldigten angelastete Tat schon längere Zeit zurück und war er auch schon annähernd sechs Monate in Haft, so vermochte vorliegend dessen keineswegs auf eine deliktische Vorgangsweise bezogene Ankündigung, im Fall seiner Enthaftung den aus § 114 ASVG resultierenden Schaden gutmachen zu wollen, jene konkrete Gefahr ebensowenig weiter zu begründen, wie eine auf sein betrügerisches Tun gegründete zivilrechtliche Ersatzpflicht.

Daß der Beschuldigte nunmehr trotz einer über dem Existenzminimum gelegenen Pension gleichsam zu weiterer Delinquenz gezwungen sei, kann mit Fug nicht behauptet werden. Vielmehr fällt bei der Prognose, die gerichtliche Unbescholtenheit und die längere Dauer der Untersuchungshaft (§ § 194 Abs 3 StPO) des 60jährigen Adolf H***** entscheidend ins Gewicht. Aus den Aussagen der Zeugen Dr.W***** (ON 61) und Dr.O***** (ON 70) ist nichts dahin zu gewinnen, daß die ursprüngliche Gefahr trotz des letztgenannten Umstandes und des nunmehrigen Erhalts eines regelmäßigen Einkommens (Pension) unverändert weiterbestünde (s § 180 Abs 3 StPO).

Die solcherart grundrechtsverletzende Entscheidung war aufzuheben. Die Ersatzpflicht des Bundes gründet auf § 8 GRBG.

Auf die Bestimmung des § 7 Abs 2 GRBG, wonach die Gerichte verpflichtet sind, mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Obersten Gerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen, wird hingewiesen.

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