OGH 10ObS35/05b

OGH10ObS35/05b26.4.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Eva-Maria Florianschütz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Angela W*****, vertreten durch Dr. Stephan Messner, Rechtsanwalt in Schwanenstadt, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, Wienerbergstraße 15-19, 1103 Wien, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 5.136,41 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Februar 2003, GZ 9 Rs 351/02 g-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 14. August 2002, GZ 30 Cgs99/02x-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt.

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sozialrechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die bei der beklagten Wiener Gebietskrankenkasse pflichtversicherte Klägerin ist die Mutter der am 25. 10. 2000 geborenen und am 16. 1. 2002 verstorbenen Sarah P*****, die bei der Klägerin gemäß § 123 ASVG mitversichert war. Sarah P***** erhielt von 8. 10. bis 20. 10. 2001, von 25. 10. 2001 bis 7. 11. 2001 und von 17. 11. 2001 bis 16. 1. 2002 an insgesamt 88 Tagen mit der Indikation Kurzdarmsyndrom medizinische Hauskrankenpflege. Vom 7. 11. 2001 bis 17. 11. 2001 befand sich Sarah P***** in stationärer Anstaltspflege im AKH Wien.

Für die medizinische Hauskrankenpflege wurde mangels Bestehens von Verträgen der beklagten Partei mit Einrichtungen, die medizinische Hauskrankenpflege für Kinder anbieten, die mobile Kinderkrankenschwester Gabriele H***** in Anspruch genommen.

Gabriele H***** legte am 5. 12. 2001 eine Honorarnote über 2.345,17 EUR, die sich in geleistete Einzelstunden, geleistete Pflegeminuten, Hausbesuchspauschale und Fahrtkosten aufgliedert. Am 8. 1. 2002 legte Gabriele H***** eine weitere Honorarnote über 3.558,60 EUR, welche vergleichbare Leistungen beinhaltet. Beide Rechnungen über insgesamt 5.903,77 EUR wurden von der Klägerin bezahlt.

Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit der medizinischen Hauskrankenpflege bei der Tochter der Klägerin ist nicht strittig.

Die Beklagte bezahlte an die Klägerin für 88 Pflegetage à 8,72 EUR einen Kostenzuschuss von 767,36 EUR.

Mit Bescheid vom 23. 5. 2002 lehnte die Wiener Gebietskrankenkasse die Gewährung eines höheren Kostenersatzes als des zuerkannten Kostenzuschusses ab. Gemäß § 38 ihrer Satzung leiste die Kasse für medizinische Hauskrankenpflege einen pauschalen Kostenzuschuss in der Höhe von höchstens 8,72 EUR pro Fall und Pflegetag (inklusive Wegegebühren).

Die gegen diesen Bescheid erhobene, auf Zahlung von 5.136,41 EUR gerichtete Klage wird in erster Linie darauf gestützt, dass es die beklagte Partei unterlassen habe, für die medizinische Hauskrankenpflege für Kinder, eine Pflichtleistung der Krankenversicherungsträger, Sachleistungsvorsorge zu treffen, sodass sie Kostenerstattung nach Marktpreisen zu gewähren habe. Die in der Satzung der Beklagten vorgesehenen Kostenzuschüsse von 8,72 EUR pro Tag seien im Verhältnis zu den Marktpreisen zu gering und daher gesetzwidrig. Die Klägerin habe Anspruch auf Ersatz der gesamten für die medizinische Hauskrankenpflege ihrer Tochter aufgewendeten Kosten.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Im vorliegenden Fall sei § 131b ASVG anzuwenden, der eine Vorsorge für diejenigen Fälle treffe, in denen für den Bereich eine Berufsgruppe noch keine Verträge bestünden. In diesem Fall habe der Versicherungsträger den Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten. Das Ausmaß der Zuschüsse sei vom Versicherungsträger unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen. Hinsichtlich der Höhe des Kostenzuschusses habe der Gesetzgeber damit keine Festlegung getroffen, sondern es der Verantwortung der Versicherungsträger überlassen, die Höhe satzungsmäßig festzulegen.

Für die Leistungen der medizinischen Hauskrankenpflege für Kinder bestünden keine vertraglichen Regelungen. Entweder gehe man davon aus, dass es sich bei mobilen Kinderkrankenschwestern um eine Berufsgruppe im Sinne des § 131b ASVG handle, dann komme diese Bestimmung direkt zur Anwendung. Seien die Anbieter für medizinische Hauskrankenpflege als eine Berufsgruppe im Gesamten zu werten, sei diese Regelung analog anzuwenden. Ähnlich wie bei den außervertraglichen Leistungen im „kassenfreien Raum" bestehe kein voller Kostenersatzanspruch, sondern nur ein Anspruch auf Kostenzuschüsse. § 131b ASVG stelle eine Spezialregelung dar, die die Bestimmungen des § 121 Abs 1 und 3 ASVG ergänze und im Ergebnis auch einschränke. Auf die Ursachen des Nichtbestehens von Verträgen komme es nicht an.

§ 38 der Satzung der beklagten Gebietskrankenkasse bestimme, dass für den Fall, dass Vertragspartner für die medizinische Hauskrankenpflege auf Rechnung der Kasse mangels Bestehens von Verträgen nicht zur Verfügung stünden, Kostenzuschüsse nach der Regelung im Anhang 6 zur Satzung zu leisten seien. Anhang 6 der Satzung sehe für die Hauskrankenpflege durch diplomiertes Pflegepersonal pro Fall und Pflegetag, an dem medizinische Hauskrankenpflege geleistet werde, einen Ersatz von höchstens 8,72 EUR inklusive Wegegebühren vor.

Die Bedenken der Klägerin, der in der Satzung festgelegte Kostenzuschuss entspreche nicht den wirtschaftlichen Bedürfnissen des Versicherten und sei im Verhältnis zu den tatsächlichen Marktpreisen zu niedrig, stünden die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Obersten Gerichtshofes sowie verschiedene Lehrmeinungen entgegen. Im Verhältnis zu den tatsächlichen Marktpreisen sei der gewährte Kostenzuschuss nicht unangemessen niedrig. Dabei sei zu berücksichtigen, dass auch die sonstigen Vertragstarife der Krankenversicherungsträger im Verhältnis zu den tatsächlichen Marktpreisen einen relativ geringfügigen Prozentsatz darstellten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, verwies auf die ausführliche und fundierte rechtliche Beurteilung des Erstgerichts und führte ergänzend aus: Seit 1. 1. 1992 bestehe ein Rechtsanspruch auf medizinische Hauskrankenpflege (§ 151 ASVG idF der 50. ASVG-Novelle). Diese Pflichtleistung sei als Sachleistung konzipiert und stelle eine “krankenhausersetzende" Leistung dar. Dazu bedürfe es des Abschlusses von Verträgen mit der ärztlichen Standesvertretung und den Wohlfahrtsverbänden bzw kommunalen Einrichtungen, die auf ärztliche Anordnung die Pflege zu Hause im Auftrag des zuständigen Krankenversicherungsträgers zu organisieren hätten. Wohl bestehe einerseits gemäß § 338 Abs 2 ASVG der gesetzliche Auftrag, die ausreichende Versorgung der Versicherten und ihrer anspruchsberechtigten Angehörigen mit den gesetzlich und satzungsmäßig vorgesehenen Leistungen sicherzustellen. Allerdings sehe der Gesetzgeber in § 131b ASVG eine Regelung für den Fall vor, dass Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung stünden oder wenn keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestünden, zumal es keine gesetzliche Verpflichtung zum Vertragsabschluss mit den in Betracht kommenden Gesundheitsberufen gebe. Der Sicherstellungsauftrag verpflichte auch die Krankenversicherungsträger nicht, Verträge um jeden Preis abzuschließen; deren Verhandlungsspielraum werde vom Beitragsaufkommen diktiert. Dass die beklagte Partei seit Inkrafttreten der 50. ASVG-Novelle keine Verträge mit Pflegepersonen, die medizinische Hauskrankenpflege für Kinder anbieten, abgeschlossen habe, führe nicht zu einem Kostenersatzanspruch nach Marktpreisen, wie die Klägerin meine, sondern zu einem Anspruch auf Kostenzuschuss nach § 131b ASVG, der an die Stelle der Sachleistungsgewährung trete. Daran ändere nichts, dass es sich bei der medizinischen Hauskrankenpflege um eine Pflichtleistung nach § 121 Abs 1 ASVG handle. Ein über die Satzung hinausgehender Anspruch auf Kostenzuschuss könne auch aus § 133 Abs 3 ASVG nicht abgeleitet werden, weil dieser lediglich dem Versicherungsträger ermögliche, im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit satzungsmäßige Mehrleistungen zu erbringen. Gehe der Gesetzgeber im Falle fehlender Verträge davon aus, dass der Krankenversicherungsträger lediglich Zuschüsse zu leisten habe, liege bereits eine gesetzliche Beschränkung der Verpflichtung zum Kostenersatz vor. Dass die medizinische Hauskrankenpflege in den kostenintensiven Spitälern eine Bettenreduktion erreichen solle und somit zur Kostenreduktion beitrage sei angesichts der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bei Fehlen von Vertragspartnern (für die Hauskrankenpflege bei Kindern) keine rechtliche Grundlage für die begehrte Kostenerstattung nach Marktpreisen.

In Anbetracht des Fallpauschales von 15,99 EUR, das ein Vertragsarzt für Allgemeinmedizin pro Anspruchsberechtigtem und Quartal erhalte, bestünden auch keine Bedenken bezüglich der Höhe des Kostenzuschusses von 8,72 EUR pro Pflegetag, sodass kein Anlass zu einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art 139 Abs 1 B-VG bestehe.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil - soweit überblickbar - eine Judikatur des Obersten Gerichtshof zur Angemessenheit des Kostenzuschusses nach § 131b ASVG in Verbindung mit der Satzung bei medizinischer Hauskrankenpflege nicht bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne der beschlossenen Aufhebung berechtigt.

In der Revision wiederholt die Klägerin ihren Rechtsstandpunkt, dass es sich bei der medizinischen Hauskrankenpflege seit 1. 1. 1992 um eine als Sachleistung konzipierte Pflichtleistung der Sozialversicherungsträger handle. Wenn die beklagte Partei ihre Verpflichtung nicht erfüllt habe und auch keine Bemühungen zum Abschluss von Verträgen gesetzt habe (§ 131b ASVG entbinde die Krankenversicherungsträger nicht von ihrer Verpflichtung), gehe es nicht an, dass Leistungen im Krankenhaus zur Gänze ersetzt würden, Leistungen der medizinischen Hauskrankenpflege - trotz deren Primats - dagegen nur zu einem Siebtel. Es wäre unbillig und nicht angemessen, durch den Nichtabschluss von Verträgen und die Festsetzung von niedrigen Kostenzuschüssen die Versicherten um Ansprüche zu bringen. Konsequenterweise müsse ein Versicherter in dieser Konstellation Anspruch auf Ersatz der Marktpreise für medizinische Hauskrankenpflege haben, weil die beklagte Partei aus eigenem Verschulden nicht in der Lage sei, die medizinische Hauskrankenpflege als Sachleistung zu erbringen. Die Festsetzung von Kostenzuschüssen für die medizinische Hauskrankenpflege widerspreche im Übrigen dem Gleichheitsgrundsatz, würden doch im Zusammenhang mit einem Krankenhausaufenthalt anfallende Kosten vom Krankenversicherungsträger zur Gänze ersetzt, obwohl diese Kosten um ein Vielfaches höher seien als diejenigen der medizinischen Hauskrankenpflege. Die Versicherte habe im vorliegenden Fall sogar die kostengünstigere Leistung in Anspruch genommen. Deshalb sei auch der Kostenzuschuss von 8,72 EUR (inklusive Fahrtkosten pro Pflegetag) zu gering, weshalb angeregt werde, die Satzung der beklagten Partei diesbezüglich wegen Unangemessenheit der Höhe des Zuschusses auf ihre Gesetzmäßigkeit überprüfen zu lassen. Durch eine derartige Beschränkung in der eigenen Satzung hätten es die Sozialversicherungsträger im Übrigen in der Hand, keine Verträge mit Einrichtungen, die medizinische Hauskrankenpflege anbieten, abzuschließen und sich dann mit geringen Zuschüssen von der gesetzlichen Verpflichtung zu befreien, medizinische Hauskrankenpflege als Sachleistung zu erbringen.

Im Hinblick auf Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 1. 7. 2003, 10 ObS 167/03m, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, gemäß Art 139 Abs 4 B-VG auszusprechen, dass in der Satzung 1999 der Wiener Gebietskrankenkasse, kundgemacht in der Fachzeitschrift „Soziale Sicherheit“, Jahrgang 1999, Seite 650, Amtliche Verlautbarung Nr 70/1999 (Stammfassung), in der Fassung der 2. Änderung der Satzung 1999, kundgemacht in der Fachzeitschrift „Soziale Sicherheit“, Jahrgang 2001, Seite 556, Amtliche Verlautbarung Nr 86/2001, der 3. Änderung der Satzung 1999, kundgemacht in der Fachzeitschrift „Soziale Sicherheit“, Jahrgang 2001, Seite 678, Amtliche Verlautbarung Nr 99/2001, und der 4. Änderung der Satzung 1999, kundgemacht in der Fachzeitschrift „Soziale Sicherheit“, Jahrgang 2001, Seite 911, Amtliche Verlautbarung Nr 161/2001, außer Kraft getreten aufgrund des § 51 der Satzung 2003 der Wiener Gebietskrankenkasse (avsv Nr. 1/2003) mit 31. 12. 2002,

a) in § 38 die Wortfolge “- die medizinische Hauskrankenpflege (§151 ASVG)" und

b) im Anhang 6 die Z 3. (“Für medizinische Hauskrankenpflege durch diplomiertes Pflegepersonal pro Fall und Pflegetag, an dem medizinische Hauskrankenpflege geleistet wurde ...... höchstens 120,- S [8,72 EUR] (inkl. Wegegebühren)

längstens aber für die Dauer von vier Wochen für ein und denselben Versicherungsfall pro Pflegetag ................... 120,- S [8,72 EUR] (inkl. Wegegebühren).")

gesetzwidrig waren.

Mit Erkenntnis vom 18. 3. 2005, V 97/03-13, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass

a) die Wortfolge „- die medizinische Hauskrankenpflege (§ 151 ASVG)“ in § 38 sowie

b) im Anhang 6 die Z 3

der Satzung 1999 der Wiener Gebietskrankenkasse, Soziale Sicherheit 1999, Amtliche Verlautbarung Nr. 70/1999, in der Fassung der 2. Änderung der Satzung 1999, Soziale Sicherheit 2001, Amtliche Verlautbarung Nr. 86/2001, der 3. Änderung der Satzung 1999, Soziale Sicherheit 2001, Amtliche Verlautbarung Nr. 99/2001, sowie der 4. Änderung der Satzung 1999, Soziale Sicherheit 2001, Amtliche Verlautbarung Nr. 161/2001, gesetzwidrig waren.

In der Sache führte der Verfassungsgerichtshof unter anderem aus:

„2.1. Wenn - wie hier - Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen zur Erbringung der erforderlichen Sachleistung (Maßnahmen der Hauskrankenpflege für ein am Kurzdarmsyndrom leidendes Kleinkind) nicht zur Verfügung stehen, so tritt gem. § 131b ASVG anstelle der Sachleistung die Erbringung von Geldleistungen. § 131b ASVG sieht in diesem Zusammenhang die Anwendung des § 131a ASVG (Kostenerstattung beim vertragslosen Zustand) mit der Maßgabe vor, dass in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, der Versicherungsträger den Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten hat. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung hat der Versicherungsträger das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten festzusetzen.

2.2. Die gebotene Vorgangsweise bei der Festlegung von Kostenzuschüssen nach § 131b ASVG unterscheidet sich von jener bei Leistungen im Zusammenhang mit Zahnbehandlung und Zahnersatz im Sinne der §§153 ff ASVG, zu denen der Verfassungsgerichtshof bereits entschieden hat, dass sie sich an Tarifen für vergleichbare Pflichtleistungen zu orientieren haben (vgl. dazu etwa VfSlg.15.968/2000), somit darin, dass § 131b ASVG im Verhältnis zu § 153 Abs 2 ASVG höhere Anforderungen an den Kostenzuschuss stellt.

Eine Parallele zu den für Zahnbehandlung und Zahnersatz geltenden Regelungen ergibt sich aber daraus, dass die Gebietskrankenkasse auch nach § 131b ASVG iVm § 131a ASVG nicht verpflichtet ist, kostendeckende Leistungen (zu Marktpreisen) vorzusehen, wie sich schon aus der Bedeutung des Begriffes des Kostenzuschusses ergibt.

2.3. Allerdings ist der Krankenversicherungsträger in der Festsetzung der Höhe solcher Kostenzuschüsse, die gem. § 131b ASVG an Stelle von gesetzlichen Pflicht(sach)leistungen zu gewähren sind, nicht frei. In dieser verfassungsrechtlichen unbedenklichen (vgl. VfSlg.15.787/2000) Bestimmung ist nämlich angeordnet, dass solche Zuschüsse nicht nur nach Maßgabe der finanziellen Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers festzusetzen sind, sondern dass dabei auch das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten mit zu berücksichtigen ist.

2.3.1. Bei Erlassung der entsprechenden Satzungsregelung kommt dem Krankenversicherungsträger zwar ein weiter rechtspolitischer Spielraum zu. Er hat aber bei Festlegung der Höhe eines Kostenzuschusses für Hauskrankenpflege, der an die Stelle einer mangels geeigneter Vertragspartner nicht gewährten Pflichtleistung tritt, mit in Betracht zu ziehen, um welche Art von Pflegeleistungen es sich dabei handeln kann und in welcher Häufigkeit diese typischerweise benötigt werden. Die denkbare Vielfalt der Fallkonstellationen ergibt sich schon aus den in § 151 Abs 3 ASVG nur beispielsweise aufgezählten Leistungen im Sinne des Gesundheits- und Krankenpflegegesetzes, BGB I Nr.108/1997, von denen evident ist, dass sie - in Abhängigkeit von Art und Häufigkeit der erforderlichen Pflegeleistungen - ganz unterschiedlich hohe Kosten verursachen können. Ein solcherart auch ganz unterschiedliches wirtschaftliches Bedürfnis der Versicherten wäre bei der Festsetzung des Kostenzuschusses aber nach dem letzten Satz des § 131b ASVG zu berücksichtigen gewesen.

2.3.2. Eine Pauschalierung des Kostenzuschusses wäre zwar nicht von Vornherein unzulässig, hätte aber eine Orientierung an einer Durchschnittsbetrachtung vorausgesetzt; sie durfte daher keinesfalls an der Untergrenze des in Betracht kommenden Aufwandes erfolgen (hier erreicht der Tagessatz zB nicht einmal den Stundenlohn einer diplomierten Pflegeperson in Höhe von EUR 9,10 für das erste Berufsjahr in der Verwendungsgruppe 3 des vom Bundeseinigungsamt erlassenen Mindestlohntarifs für Anbieter sozialer oder gesundheitlicher Dienste, M11/2004/XXII/96/1). Mit den von der Wiener Gebietskrankenkasse ins Treffen geführten Gesamtverträgen kann der hier in Rede stehende Kostenzuschuss insofern nicht verglichen werden, als sich der in diese festgelegte (höhere) Kostenzuschuss auf den einzelnen Hausbesuch bezieht. Es wurde in diesen Gesamtverträgen somit gerade keine von der Anzahl der erforderlichen Dienstleistungen unabhängige tageweise Pauschalierung vorgenommen.

3. Die angefochtenen Satzungsbestimmungen erweisen sich daher als gesetzwidrig.“

Nach der Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs ist das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits im seinerzeitigen Gesetzesprüfungsantrag dargestellt hat, steht auch bei der medizinischen Hauskrankenpflege die Sachleistungsgewährung im Vordergrund. Ist der Krankenversicherungsträger - so wie im vorliegenden Fall -nicht in der Lage, dem Versicherten die notwendigen Sachleistungen durch eigene oder Vertragseinrichtungen der Krankenbehandlung zur Verfügung zu stellen, tritt an deren Stelle die Erbringung von Geldleistungen (Kostenerstattung bzw Kostenzuschuss). Bei der Kostenerstattung bzw beim Kostenzuschuss hat der Versicherte die gewünschte Leistung selbst am Markt zu besorgen; die Sozialversicherung leistet dabei grundsätzlich keine Hilfestellung. Ihre Aufgabe beschränkt sich darauf, die vom Versicherten für die Inanspruchnahme von Gesundheitsgütern aufgewendeten Kosten im Nachhinein bis zu einem gewissen Höchstbetrag zu erstattet (Schrammel, Die Durchsetzung von Leistungsansprüchen in der sozialen Krankenversicherung, FS Tomandl [1998] 679ff [680] ua; SSV-NF10/114 ua). Der Kostenerstattungsanpruch gemäß § 131 Abs 1 ASVG ist mit 80 % jener Aufwendungen begrenzt, die der Krankenkasse bei Inanspruchnahme eines entsprechenden Vertragspartners erwachsen wären. In den §§ 131a und 131b ASVG sind für den Fall des Fehlens vertraglicher Regelungen mit Ärzten (Dentisten) oder mit den Gruppenpraxen (§ 131a ASVG) bzw anderen Vertragspartnern (§ 131b ASVG) Sonderregelungen über die Festsetzung der Höhe der Kostenerstattung vorgesehen. So hat der Krankenversicherungsträger bei Fehlen vertraglicher Regelungen mit Ärzten (Gesundheitseinrichtungen) dem Versicherten gemäß § 131a ASVG für die außerhalb seiner eigenen Einrichtung in Anspruch genommene Behandlung Kostenerstattung in Höhe jenes Betrages zu gewähren, der vor Eintritt des vertragslosen Zustandes bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes zu leisten gewesen wäre. Da im vertragslosen Zustand die Versicherten grundsätzlich stärker geschont werden sollen als bei Inanspruchnahme eines Wahlarztes, ist der Sozialversicherungsträger ermächtigt, mittels Satzung eine Erhöhung der Kostenerstattung vorzusehen. Auf diese Weise ist es möglich, den Eigenanteil des Versicherten auf ein zumutbares Maß zu senken (Binder in Tomandl, SV-System aaO 226 [2.2.3.2.1.F.]).

Während §§ 131 und 131a ASVG bestehende oder früher bestandende Vertragstarife voraussetzen, soll § 131b ASVG dort Anwendung finden, wo mit einer Berufsgruppe noch überhaupt keine Verträge existieren bzw existierten. Die Zuschussregelung des § 131b ASVG wurde mit der 50. ASVG-Novelle eingeführt, mit welcher auch die medizinische Hauskrankenpflege als Pflichtleistung im Sozialversicherungsrecht verankert wurde (§§ 117 Z 2, 144 Abs 1 und 3, 151ASVG sowie Parallelbestimmungen in den übrigen Sozialversicherungsgesetzen). Nach § 131b ASVG gilt dann, wenn andere Vertragspartner infolge Fehlens von Verträgen nicht zur Verfügung stehen, § 131a ASVG mit der Maßgabe, dass in jenen Fällen, in denen noch keine Verträge für den Bereich einer Berufsgruppe bestehen, der Versicherungsträger den Versicherten die in der Satzung festgesetzten Kostenzuschüsse zu leisten hat. Der Versicherungsträger hat das Ausmaß dieser Zuschüsse unter Bedachtnahme auf seine finanzielle Leistungsfähigkeit und das wirtschaftliche Bedürfnis des Versicherten festzusetzen. Hinsichtlich der Höhe des Kostenzuschusses hat der Gesetzgeber damit keine genaue Festlegung getroffen, sondern es der Verantwortung der Versicherungsträger überlassen, die entsprechende Höhe des Kostenzuschusses satzungsmäßig festzulegen (SSV-NF 12/104 mwN). Dabei ist zu einerseits zu berücksichtigen, dass die finanziellen Ressourcen der Versichertengemeinschaft beschränkt sind, weil ein angemessenes Beitragsniveau beibehalten werden soll, andererseits aber auch, dass die Versicherten Anspruch auf eine ausreichende Versorgung mit Krankenbehandlungsleistungen haben.

Der in Anhang 6 der Satzung vorgesehen gewesene Kostenzuschuss für medizinische Hauskrankenpflege durch diplomiertes Pflegepersonal in Höhe von höchstens 8,72 EUR (inkl Wegegebühren) ist im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 18. 3. 2005, V 97/03-13, nicht mehr anzuwenden. Es ist daher die Frage zu beantworten, in welcher Höhe ein der Klägerin zustehender Kostenzuschuss - ausgehend von den in § 131b ASVG enthaltenen Determinanten (Bedachtnahme auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Krankenversicherungsträgers sowie die wirtschaftlichen Bedürfnisse der Versicherten) - festzulegen ist. Dass der vorliegende Fall anders gelagert ist als die zu 10 ObS 68/04d und 10 ObS 67/04g entschiedenen Fälle, in denen jeweils „ausnahmsweise“ ein Anspruch auf volle Kostenerstattung nach Marktpreisen bejaht wurde, ist vom Obersten Gerichtshof bereits in seinem Beschluss vom 12. 10. 2004, 10 ObS 167/03m, mit dem der Prüfungsantrag an den VfGH aufrechterhalten wurde, dargelegt worden.

In anderem Zusammenhang als dem hier vorliegenden, nämlich hinsichtlich Zahnersatz als Sachleistung unter Kostenbeteiligung oder an deren Stelle Kostenzuschuss (§ 153 Abs 2 ASVG), hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass sich Kostenzuschüsse für Leistungen, für die ein Tarif mangels Zustandekommens entsprechender vertraglicher Vereinbarungen nicht vorgesehen ist, an den für vergleichbare Pflichtleistungen festgelegten Vertragstarifen, also an den finanziellen Aufwendungen des Krankenversicherungsträgers für eine vergleichbare Leistung zu orientieren haben (V 81/97, VfSlg 15.322 = SozSi 1998, 961, Kletter). Dieser Ansicht hat sich auch der OGH angeschlossen, vorerst in 10 ObS 295/99a (SSV-NF 13/139 = SozSi 2000, 127, Kletter) und 10 ObS 75/00b (SSV-NF 14/45) zum Kostenzuschuss für Zahnersatz (§ 153 Abs 2 ASVG), in der Folge aber auch zum Umfang der Kostenerstattung für eine 24-Stunden-Blutdruck-Messung (§ 131 ASVG), hinsichtlich derer ein Tarif mangels vertraglicher Vereinbarung nicht vorgesehen war (10 ObS 123/00m = SSV-NF 14/89 = DRdA 2001/247, Resch = ZAS 2001/55, Kletter [33]). Die Orientierung an Tarifen für vergleichbare Leistungen gilt nach dem OGH sowohl für die Kostenerstattung als auch-soweit ein solcher zulässigerweise vorgesehen ist-für einen satzungsmäßigen Kostenzuschuss (Resch, Krankenbehandlung und Ökonomiegebot in Österreich, in Jabornegg/Resch/Seewald [Hrsg], Ökonomie und Krankenversicherung [2001] 15 [26] mwN).

Während § 153 Abs 2 ASVG die Höhe des Zuschusses zu den Kosten eines Zahnarztes in einen Zusammenhang zu den vom Krankenversicherungsträger aufzuwendenden Kosten der Sachleistung bringt (wobei eine Ausrichtung daran nur dann gelingt, wenn eine entsprechende Sachleistung überhaupt erbracht werden kann und darf), muss § 131b ASVG - infolge des Fehlens von Verträgen - als Determinanten für die Höhe des Zuschusses einerseits auf die finanzielle Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers, andererseits auf das wirtschaftliche Bedürfnis der Versicherten abstellen. Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 18. 3. 2005, V 97/03-13, erneut darauf hingewiesen, dass sich die gebotene Vorgangsweise bei der Festlegung von Kostenzuschüssen nach § 131b ASVG von jener bei Leistungen im Zusammenhang mit Zahnbehandlung und Zahnersatz im Sinne der §§ 153 ff ASVG dadurch unterscheide, dass sich diese an Tarifen für vergleichbare Pflichtleistungen zu orientieren hätten, sodass § 131b ASVG im Verhältnis zu § 153 Abs 2 ASVG höhere Anforderungen an den Kostenzuschuss stelle. Eine Parallele zu den für Zahnbehandlung und Zahnersatz geltenden Regelungen bestehe aber darin, dass die Gebietskrankenkasse auch nach § 131b ASVG iVm § 131a ASVG nicht verpflichtet sei, kostendeckende Leistungen (zu Marktpreisen) vorzusehen, wie sich schon aus der Bedeutung des Begriffes des Kostenzuschusses ergebe.

Bei der Abwägung zwischen der-im Einklang mit dem Ökonomiegebot des § 133 ASVG zu verstehenden-finanziellen Leistungsfähigkeit des Versicherungsträgers und dem wirtschaftlichen Bedürfnis der Versicherten ist ins Kalkül zu ziehen, dass der Ausgestaltung des Vertragspartnerrechts in der Krankenversicherung (ähnlich wie im Betriebsverfassungsrecht) ein Ausgleich der Interessen der Sachleistungserbringer (Ärzte etc) einerseits und der Krankenversicherungsträger als Verkörperung der Versichertengemeinschaft andererseits zugrunde gelegt ist (Resch, Krankenbehandlung und Ökonomiegebot, 27f; ebenso Resch, Kostenzuschuss für außervertragliche Leistungen [Entscheidungsanmerkung], DRdA 2001, 249 [250]). Daraus ergibt sich für die inhaltliche Ausgestaltung sowohl der Kostenerstattung als auch eines Kostenzuschusses einerseits, dass in einen gefundenen Interessenausgleich ohne zwingende Notwendigkeit nicht von außen eingegriffen werden soll (Resch, DRdA 2001, 250), andererseits aber auch, dass bei Fehlen eines vereinbarten oder durch Satzung festgelegten Tarifs die Höhe der zustehenden Kostenerstattung bzw des Kostenzuschusses an vergleichbaren Tarifen in einem entsprechenden Gesamtvertrag auszurichten ist.

Ein unmittelbar vergleichbarer Tarif ergibt sich aus dem von der Ärztekammer für Wien mit dem Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger abgeschlossenen Gesamtvertrag nicht, zumal die allenfalls vergleichbare Tätigkeit eines Vertragsarztes für Allgemeinmedizin im Wesentlichen pauschal pro Anspruchsberechtigtem und pro Quartal honoriert wird, sodass ein Vergleich mit einer einzelnen Sachleistung nicht möglich ist.

Im Sinne der höchstgerichtlichen Judikatur (10 ObS 123/00m = SSV-NF 14/89 = DRdA 2001, 247, Resch = ZAS 2001, 55, Kletter [33]; 10 ObS 247/02z = DRdA 2004, 41, Reissner; ebenso Resch, Krankenbehandlung und Ökonomiegebot 27) muss daher auf der Tatsachenebene, sinnvollerweise nach Erörterung mit den Beteiligten und gegebenenfalls nach Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen geklärt werden, ob und welche vergleichbaren Tarife im Gesamtvertrag enthalten sind. Dabei kommt es in erster Linie auf die Art der Leistungen an sich, also auf ihre Methode und ihren Zweck, andererseits aber auch auf den im Einzelfall erforderlichen Sach- und Personalaufwand an. Im Hinblick auf den Umstand, dass ein Gesamtvertrag vom Hauptverband abgeschlossen wird (§ 341 Abs 1 ASVG), woraus eine gewisse inhaltliche Koordination resultiert, ist ausnahmsweise auch eine Orientierung an den Tarifen in einem Gesamtvertrag eines anderen Krankenversicherungsträgers möglich, wenn vergleichbare Tarifpositionen im eigenen Gesamtvertrag gänzlich fehlen (Resch, Krankenbehandlung und Ökonomiegebot 28f; tendenziell anders [“nicht zielführend“] noch 10 ObS 123/00m = SSV-NF 14/89 = DRdA 2001, 247, Resch = ZAS 2001, 55, Kletter [33, 43]). Zu beachten ist, dass bei der Bemessung der Höhe des Kostenzuschusses nicht der konkrete Einzelfall im Vordergrund zu stehen hat, sondern die nunmehr entfallene Satzungsbestimmung unter dem Gesichtspunkt eines generalisierten Maßstabs zu substituieren ist. Erst dann, wenn eine Vergleichbarkeit mit anderen Tarifpositionen nicht gegeben ist, ist die Höhe des Kostenzuschusses nach einem objektiven Marktpreis zu bemessen (vgl 10 ObS 68/04d und 10 ObS 67/04g sowie Resch, DRdA 2001, 250).

Eine weitere Reduktion auf 80 % analog § 131 ASVG (siehe dazu VfGH 18. 3. 2000, G 24/98 ua = SozSi2000, 738) kommt nicht in Betracht, da im konkreten Fall keine Behandlungsalternative im Rahmen einer Sachleistung bestand (ebenso Resch, Krankenbehandlung und Ökonomiegebot 29).

Aufgrund der dargelegten Ergänzungsbedürftigkeit des Verfahrens sind die Urteile beider Vorinstanzen aufzuheben. Die Rechtssache ist zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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