Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Der Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rosa G***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Danach hat sie von etwa Oktober 1999 bis etwa April 2001 in Bruck an der Leitha im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit Manuela G***** als Mittäterin mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und gewerbsmäßig andere Personen durch die Vortäuschung, sie hätten Heimarbeit zu vergeben oder zu vermitteln, obwohl sie in Wahrheit nur Informationsmaterial über verschiedene Firmen weiterzugeben hatten, zur Zahlung von Geldbeträgen an Rosa und Manuela G***** verleitet, wodurch 350 im Urteil näher genannte Interessenten um insgesamt 50.734,59 Euro (698.125,92 S) am Vermögen geschädigt wurden.
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.
Rechtliche Beurteilung
Eingangs wird bemerkt, dass die Urteilsausfertigung in einer mit dem Gebot gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 1 Z 5 StPO) unvereinbaren Weise auch 443 Seiten aus den Akten fotokopierter und dem Urteil einverleibter Schriftstücke enthält (vgl SSt 58/9). Dieser Missstand wurde jedoch von der Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerügt und ist einer amtswegigen Wahrnehmung nach § 290 Abs 1 StPO nicht zugänglich.
Die Verfahrensrüge (Z 4) dringt nicht durch.
Das Schöffengericht hat den der Sache nach zum Beweis dafür, dass die Angeklagte ohne Betrugsvorsatz gehandelt habe, weil sie keine Kenntnis davon gehabt habe, dass seitens der Firma D***** weder Arbeit noch Entgelt zur Verfügung gestellt worden sei, vorgebrachten Antrag auf Vorführung der Tonbandaufzeichnung eines im Dezember 2000 geführten Telefonats zwischen der Angeklagten und der Zeugin Carmen D***** sowie Verlesung der Abschrift dieses Gesprächs (S 702 f/XIX) zwar mit der unzutreffenden Begründung abgewiesen, dass es „vom Gesetz her verboten ist, ein Tonband zu verwerten, wenn der Teilnehmer nicht über das Abhören informiert ist". Auch das Protokoll über das Gespräch könne nicht verlesen werden, weil sich Carmen D***** zu Recht der Aussage entschlagen habe (S 843/XIX).
Dementgegen gibt es im österreichischen Strafprozess kein absolutes Beweisverwertungsverbot für private Tonbandaufnahmen, vielmehr ist die Verwendung eines heimlichen Tonbandmitschnittes im Strafprozess insb zur Entlastung des Beschuldigten vom Vorwurf einer Straftat bereits unter dem Aspekt des rechtfertigenden Notstands zulässig (vgl 15 Os 3/92 = JBl 1994, 188; Lewisch in WK2 § 120 Rz 21 ff; Kienapfel/Schroll BT I5 § 120 RN 3; einschränkend Schmoller, JBl 1994, 156).
Auch verletzt die Verlesung der schriftlichen Aufzeichnung des Inhalts eines Fernmeldeverkehrs des Angeklagten mit einem Zeugen, der von seinem Entschlagungsrecht Gebrauch gemacht hat, nicht das Umgehungsverbot des § 252 Abs 4 StPO, weil ein solches Privatgespräch nicht der Aussage des Zeugen vor Gericht oder gegenüber anderen Behördenorganen (§ 252 Abs 1 StPO) gleichzusetzen ist (RIS-Justiz RS0097514).
Ungeachtet der somit rechtlich verfehlten Begründung wurde die Angeklagte durch die Abweisung des Beweisantrags aber schon deshalb in ihren Verteidigungsrechten nicht verletzt, weil mit Blick auf die dem Erstgericht bis dahin vorliegenden Beweisergebnisse (vgl US 834 ff) bereits bei Antragstellung dargetan werden hätte müssen, warum durch die Berücksichtigung des Inhalts eines telefonisch geführten Streitgesprächs zwischen der Angeklagten und Carmen D***** bei Beendigung ihrer Zusammenarbeit unter realitätsbezogener Betrachtung eine erfolgversprechende Bereicherung der zur Wahrheitsfindung führenden Prämissen zum für die Zeit davor als gegeben angenommenen Betrugsvorsatz der Angeklagten zu erwarten gewesen wäre (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 341).
Die zum Beweis dafür, dass sich die Angeklagte um Heimarbeit oder deren Vermittlung bemüht habe, gestellten Anträge auf Vernehmung der Zeugen N. L***** und N. K***** sen. (S 809/XIX) durften ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgelehnt werden, ist aus ihnen auch in Zusammenhang mit der diesbezüglich durchgeführten Befragung der Angeklagten (S 809 ff/XIX) doch nicht erkennbar, inwieweit dieses Beweisthema für Schuld- oder Subsumtionfrage von Bedeutung sei. Soweit die Beschwerde hieraus die Klärung der Frage, „ob" ein Betrugsvorsatz vorgelegen habe, anspricht, verstößt sie zum einen gegen das Neuerungsverbot, zum anderen betrifft sie schon ihrem Wortlaut nach nur einen Erkundungsbeweis.
Die Vernehmung eines informierten Vertreters der Arbeiterkammer Wien durfte zu Recht unterbleiben, weil wiederum weder dargetan wurde noch aus den Verfahrensergebnissen ersichtlich ist, welche Bedeutung für die Schuld- oder Subsumtionsfrage dem Wortlaut der Internet-Adresse der Arbeiterkammer und der Frage, ob diese Institution vor der Angeklagten gewarnt habe, zukommen solle (S 809/XIX).
Der Antrag auf Ladung des Zeugen Erwin B***** als informierter Vertreter des Postamtes Bruck/Leitha, zum Beweis dafür, dass bei einer Bezahlung per Nachnahme das Porto bereits inkludiert und nicht extra bezahlt worden sei (S 790/XIX), enthielt ebenfalls keinerlei Relevanzvorbringen. Soweit die Beschwerde in unzulässiger Neuerung darauf abstellt, dass die Portokosten mangels darauf gerichteten Bereicherungsvorsatzes der Angeklagten nicht hinzuzurechnen gewesen wären, behauptet sie nicht einmal, dass hiedurch die Wertgrenze des § 147 Abs 3 StGB tangiert werde, somit ein für die Subsumtionsfrage bedeutsamer Umstand gegeben sei.
Die beantragte „Überprüfung des PSK-Kontos" der Angeklagten zum Beweis dafür, dass diese von April 2001 bis 31. Dezember 2002 „Auszahlungen an Kunden" geleistet hat (S 840/XIX), betrifft in Hinblick darauf, dass die Taten von Oktober 1999 bis April 2001 begangen wurden, keinen für die Schuldfrage bedeutsamen Umstand, sondern lediglich den Strafzumessungsgrund des § 34 Abs 1 Z 14 StGB, sodass die § 238 StPO zuwider erfolgte Unterlassung der Erledigung dieses Antrags die Angeklagte in ihren die Schuld- und Subsumtionsfrage betreffenden Verteidigungsrechten nicht verletzt hat. Welche Schlüsse aus der Beweisaufnahme für die Beurteilung der subjektiven Tatseite zu ziehen gewesen wären, tut die erneut in unzulässiger Neuerung in diese Richtung argumentierende Beschwerde nicht dar.
Soweit die Beschwerde die Unterlassung der von ihr als zulässig bezeichneten Ausforschung und Vernehmung des nicht erschienenen Zeugen Oliver D***** rügt (S 5 in ON 387), nimmt sie keinen Bezug auf einen vom Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung gestellten Antrag, dessen Nichterledigung oder Abweisung allein Gegenstand der Verfahrensrüge nach Z 4 sein kann. Im Übrigen enthält der in der Hauptverhandlung tatsächlich gestellte Antrag (S 703/XIX) nicht einmal ein Beweisthema, welches aber Grundvoraussetzung für einen Anspruch auf inhaltliche Erledigung gewesen wäre. Es erübrigt sich daher, auf die mit dem Gesetz nicht in Einklang stehende Begründung des Beschlusses des Schöffengerichts (S 843/XIX), dem die Veranlassung der Ausforschung des in Deutschland aufhältigen Zeugen und dessen Vernehmung im Rechtshilfeweg unter Mitwirkung des Schöffensenats und der Parteien erforderlichenfalls sehr wohl gesetzlich möglich gewesen wäre, näher einzugehen.
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider hat das Schöffengericht die Feststellungen, denen zufolge es der Angeklagten bekannt war, dass die Firma M***** keine Heimarbeit zu vergeben oder zu vermitteln hatte und dass deren Verantwortliche in betrügerischer Absicht handelten, nicht unbegründet gelassen, sondern sich mit den dazu vorliegenden Beweisergebnissen eingehend auseinandergesetzt (US 830 ff).
Der von der Beschwerde gerügte innerer Widerspruch zwischen den Urteilsfeststellungen, denen zufolge die Angeklagte vortäuschte, dass sie Heimarbeit vergeben oder vermitteln können, und jenen über die Versorgung der Heimarbeitssuchenden mit „Materialien" durch Oliver D***** betrifft schon insoweit keine entscheidende Tatsache, als die Tatrichter davon ausgingen, dass die Heimarbeitssuchenden entweder gar kein oder aber bloß unbrauchbares Heimarbeitsmaterial, jedenfalls aber keine Bezahlung für in Heimarbeit hergestellte Produkte erhielten (US 72 f). Soweit die Beschwerde behauptet, dass teilweise auch Zahlungen für erbrachte Leistungen geleistet wurden, vernachlässigt sie die festgestellten Gründe für solche (US 74).
Dass die Angeklagte in Kenntnis des Systems der Firma E***** war, hat das Schöffengericht nicht unbegründet gelassen, sondern ohne Verstoß gegen die Grundsätze der Logik und empirische Erfahrungen begründet (US 830).
Soweit die Mängelrüge behauptet, die Ausführungen des Erstgerichts, die Angeklagte habe sich auf eine von ihr eingeholte Auskunft des Gewerbeamts der Kreisstadt Calw über die Seriosität der Firma D***** berufen, diese aber im gesamten Verfahren nicht vorgelegt (US 860), sei aktenwidrig, weil diese ohnehin in einem anderen Verfahren vom damaligen Verteidiger vorgelegt worden sei, widerspricht sie sich selbst. Mit der Kritik an den Urteilsannahmen, dass diese Bestätigung nicht existiere, macht die Beschwerde jedoch keinen Begründungsmangel gelten, sondern bekämpft nur die Beweiswürdigung.
Die Tatsachenrüge (Z 5a) versucht mit dem neuerlichen Verweis auf eine von der Angeklagten über die Seriosität der Firma D***** eingeholte Bestätigung keine erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der entscheidenden Urteilsannahmen zu wecken (vgl auch US 860 fünfter Absatz). Soweit sie eine Verletzung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung in Bezug auf diese Bestätigung behauptet, tut sie nicht dar, wodurch die Verteidigung gehindert gewesen wäre, die begehrte Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung entsprechend zu beantragen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 480).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) argumentiert nicht auf Basis der erstgerichtlichen Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 28 f, 54, 58 f, 74), sondern bestreitet diese unter Vornahme einer umfangreichen eigenständigen Bewertung der Beweise nach Art einer Schuldberufung in einer im Rahmen der Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrunds unzulässigen Weise. Ein die rechtliche Beurteilung der Tat hindernder „Feststellungsmangel" liegt der Beschwerde zuwider nicht vor, zumal die Tatrichter den Grund für den Wechsel der Angeklagten von der Firma M***** zur Firma D***** ohnehin festgestellt haben (US 54 letzter Absatz).
Die Sanktionsrüge (Z 11) vermag mit der Kritik daran, dass trotz einer nur relativ knappen Überschreitung der Qualifikationsgrenze des § 147 Abs 3 StGB die Vielzahl der Geschädigten als erschwerend angenommen wurde, keinen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot aufzuzeigen (vgl Ebner in WK2 § 32 Rz 69).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt, teils als offenbar unbegründet, bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.
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