OGH 15Os3/92-8

OGH15Os3/92-82.7.1992

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Juli 1992 hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Liener als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manfred K***** wegen des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs. 1 StGB, AZ 3 U 141/89 des Bezirksgerichtes Judenburg, über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Kreisgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 6.Dezember 1990, AZ 17 Bl 161/90 (= ON 27 des bezirksgerichtlichen Aktes), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, des Vertreters der Privatankläger Dr. Johannes Stern, des Verurteilten Manfred K***** und des Verteidigers Dr. Gottfried Reif zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Im Strafverfahren AZ 3 U 141/89 des Bezirksgerichtes Judenburg verletzt das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 6.Dezember 1990, AZ 17 Bl 161/90 (= ON 27 des bezirksgerichtlichen Aktes), das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 473 Abs. 2 und 474 iVm §§ 468 Abs. 1 Z 3, 281 Abs. 1 Z 4 StPO. Dieses Urteil wird aufgehoben und es wird dem Kreisgericht Leoben die Erneuerung des Berufungsverfahrens aufgetragen.

Text

Gründe:

Gegen Manfred K***** waren auf Grund der von Werner W***** und Helga E***** erhobenen Privatanklagen beim Bezirksgericht Judenburg zu AZ 3 U 141/89 und 3 U 142/89 Verfahren wegen strafbarer Handlungen gegen die Ehre anhängig. Im erstbezeichneten Verfahren wurde er mit dem Urteil vom 21.September 1989, ON 9, der Vergehen der Beleidigung nach § 115 Abs. 1 StGB und der üblen Nachrede nach § 111 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 6.April 1989 (in Fohnsdorf) öffentlich bzw. vor mehreren Leuten den Privatankläger Werner W***** mit den Ausdrücken "Arsch, Arschloch, Fettsau" beschimpft und am 12.April 1989 den Genannten öffentlich auf der Straße mit dem Ausdruck "Schau, der Arschtupfer kommt, Drecksau" belegt hat. Im zuletzt bezeichneten Verfahren wurde er mit dem Urteil vom selben Tag, ON 8, des Vergehens der Beleidigung nach § 115 Abs. 1 StGB schuldig erkannt, weil er am 6.April 1989 in Fohnsdorf im Hof des Hauses Obere Kolonie Nr. 12, die Privatanklägerin Helga E***** mit den Ausdrücken "Drecksau, Gasthaushure, Fettsau, Hexe" öffentlich oder vor mehreren Leuten beschimpft hat.

Erstmals in seinen gegen die bezeichneten Urteile erhobenen Berufungen (ON 10 a im Akt U 141/89, gleichlautend mit ON 9 a im Akt U 142/89) nahm der Beschuldigte auf Tonaufnahmen Bezug, die er von Gesprächen der beiden Privatankläger und Belastungszeugen gemacht habe; dabei hätten diese ihr Vorgehen gegen ihn abgesprochen; die Vorlage sei im erstinstanzlichen Verfahren unterblieben, weil er einen Freispruch erwartet habe (S 46). Dem Berufungsgericht wurde sodann mit gesondertem Schriftsatz (ON 15) ein Tonband samt Niederschriften über diese Tonaufnahme vorgelegt. In der hierauf am 5.April 1990 beim Kreisgericht Leoben zum AZ 17 Bl 31/90 durchgeführten Berufungsverhandlung (betreffend das Verfahren 3 U 142/89) beantwortete der Beschuldigte die Frage wie er zu den in Rede stehenden Tonbandaufnahmen gekommen sei, mit:

"Muß ich das sagen ?", und brachte über weiteres Befragen zum Ausdruck, daß ihm zum Zeitpunkt der Errichtung der Tonaufnahmen bewußt war, daß diese Vorgangsweise verboten sei. Auch in der am selben Tag unmittelbar danach zum AZ 17 Bl 24/90 durchgeführten Berufungsverhandlung betreffend das Verfahren 3 U 141/89 brachte Manfred K***** unter Verweisung auf seine "bisherigen Angaben im Verfahren 3 U 142/89" zum Ausdruck, über die Entstehung dieser Tonaufnahme bei Gericht nichts sagen "zu wollen".

In beiden Verfahren (AZ 17 Bl 24/90 und 17 Bl 31/90) gab das Kreisgericht Leoben hierauf den Berufungen des Angeklagten Folge, hob die angefochtenen Urteile auf und verwies die Sache (jeweils) zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück (ON 17 in 3 U 141/89 und ON 15 in 3 U 142/89). In beiden Erkenntnissen führte das Berufungsgericht hinsichtlich der vorgelegten Tonaufnahmen aus, daß die in der Berufung aufgestellte Behauptung, diese Tonaufnahmen seien dem Erstgericht in der Hauptverhandlung deshalb nicht vorgelegt worden, weil der Angeklagte einen Freispruch erwartet habe, unverständlich und unglaubwürdig sei; es bestehe der begründete Verdacht, daß die Tonaufnahmen auf strafgesetzwidrige Weise oder zumindest ohne Einwilligung der angeblich "aufgenommenen Personen" zustande gekommen seien; in diese Richtung weise auch die Weigerung des Angeklagten, über die Art des Zustandekommens der Tonaufnahmen Auskunft zu geben; im Hinblick auf die "Möglichkeit eventueller Manipulationen bei derartigen Tonbandaufnahmen von solch schlechter Qualität, wie sie dem Berufungsgericht vorgelegt wurden", könne, abgesehen von rechtlichen Bedenken, auch mit Rücksicht auf die mehr als zweifelhafte Entstehung der Tonaufnahmen dieses Beweismittel im gegenständlichen Strafverfahren keine Verwertung finden (S 76 f in 3 U 141/89, S 75 f in 3 U 142/89).

Im zweiten Rechtsgang wurden die beiden Verfahren sodann in der Hauptverhandlung vom 9.August 1990 gemäß § 56 StPO vereinigt (S 86). In dieser Hauptverhandlung wurde die vom Verteidiger an den Privatankläger (anläßlich dessen zeugenschaftlicher Vernehmung) gerichtete Frage, ob er sich am Tag vor der Verhandlung mit seiner Gattin bezüglich der Aussagen besprochen habe, "wie dies aus vorliegenden Tonbändern hervorgeht", vom Gericht nicht zugelassen. Der Verteidiger hat dies sogleich als Verfahrensmangel gerügt und sich die Geltendmachung "des entsprechenden Rechtsmittels" vorbehalten (S 88). Dem bezüglichen Hauptverhandlungsprotokoll ist außerdem die Feststellung zu entnehmen, "daß die Nichtzulassung der Fragen bezüglich der Tonbänder für das gesamte Verfahren gilt" (S 89).

In der Folge wurde der Beschuldigte im zweiten Rechtsgang wegen des eingangs bezeichneten Sachverhalts abermals - nunmehr allerdings ausschließlich - des Vergehens der (an beiden Privatanklägern begangenen) Beleidigung nach § 115 Abs. 1 StGB schuldig erkannt (ON 21 im führenden Akt 3 U 141/89). In den Entscheidungsgründen führte das Bezirksgericht aus: "Ein Tonband, offenbar strafbar nach § 120 StGB (Strafverfahren beim Kreisgericht Leoben anhängig) wurde als Beweismittel nicht verwertet" (S 102).

In seiner auch gegen dieses Urteil erhobenen (Nichtigkeits-)Berufung (ON 23) rügte der Angeklagte aus dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 4 StPO die Nichtzulassung der das Tonband betreffenden Fragen. Er bezog sich auch im Rahmen der Schuldberufung auf dieses Tonband, dessen Abhörung bzw. die Verlesung der darüber angefertigten Niederschrift er in der Berufungsverhandlung audrücklich beantragte. In dieser Berufungsverhandlung, in welcher der Angeklagte die schriftlich gestellten Anträge wiederholte, ist eine Wiederholung bzw. Ergänzung des Beweisverfahrens nicht erfolgt (ON 26).

Mit dem Urteil vom 6.Dezember 1990, AZ 17 Bl 161/90 (= ON 27 des bezirksgerichtlichen Aktes), wies das Kreisgericht Leoben als Berufungsgericht die Berufung des Angeklagten wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe als unbegründet zurück, wobei es in den Entscheidungsgründen hiezu (ua) ausführte, daß die Aufnahme bzw. die Wiedergabe der angeblichen Gespräche zweifellos ohne Einwilligung der betreffenden Personen erfolgt sei; es könne in diesem Zusammenhang auch nicht unberücksichtigt bleiben, daß der Angeklagte bereits im ersten Rechtsgang, insbesondere auch vor dem Berufungsgericht, jegliche Angaben über das Zustandekommen bzw. die Art der Entstehung der Tonaufnahmen verweigert habe; das vom Berufungswerber erst in der Berufungsausführung gegen das Urteil vom 9.August 1990 erstattete Vorbringen über das Zustandekommen der Tonaufnahmen (das Mikrophon sei aus einem Fenster der Wohnung des Beschuldigten zur Fensteröffnung der (darunterliegenden) Wohnung des Privatanklägers W***** hinuntergelassen worden) sei höchst unglaubwürdig. Unabhängig davon, ob die Wiedergabe der Tonaufnahmen unter den gegebenen Bedingungen zulässig sei, gehe das Berufungsgericht, ebenso wie offenbar auch schon das Erstgericht, davon aus, daß einem derartig dubiosen Beweismittel, das bei Berücksichtigung der schlechten Tonqualität auch durch Manipulation zustande gekommen sein könne, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zuerkannt werden könne; eine Notwehrsituation habe für den Berufungswerber bei der Herstellung der Tonaufnahme nicht bestanden.

Nach Auffassung des Generalprokurators steht dieses Vorgehen des Berufungsgerichtes mit dem Gesetz nicht im Einklang; in der deshalb gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde wird hiezu (ua) ausgeführt:

"1. Zunächst ist festzustellen, daß die Tauglichkeit eines Tonbandes als Beweismittel allgemein anerkannt ist und seine Verwendung als solches (ganz abgesehen vom Tonbandprotokoll gemäß § 271 Abs. 5 StPO) nicht selten ist (vgl. Seiler, Die Verwendung des Tonbandes im Strafprozeß, JBl. 1963, 68 insb. S 78; Kramer, Heimliche Tonbandaufnahmen im Strafprozeß, NJW 1990, 1760 mit Besprechung zweier Entscheidungen deutscher Höchstgerichte). Die Fälschungsmöglichkeiten sind nicht größer als bei anderen Beweismitteln (Kramer aaO). Wo sich Zweifel an der Richtigkeit der Tonaufzeichnung ergeben, kommt eine Untersuchung durch Sachverständige in Betracht. Bei besonders schlechter Qualität des Tonbandes ist eine Verwertung naturgemäß nicht möglich. Eine solche Mangelhaftigkeit muß aber vom Gericht - durch

Abhören - festgestellt werden (vgl. Mayerhofer-Rieder StPO3 E 63 zu § 33). Vorliegend hatte das Berufungsgericht nach dem Inhalt des Protokolls über die Berufungsverhandlung gar keine Gelegenheit, die Qualität des Tonbandes festzustellen. Die Abweisung des angeführten Beweisantrages wegen schlechter Qualität und dubioser Herkunft war daher mit dieser Begründung nicht zulässig, denn sie verstieß gegen das allgemeine Verbot vorgreifender Beweiswürdigung (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO3, E 52, 54 zu § 258, E 81 zu § 281 Z 4).

2. Nach der Darstellung des Angeklagten in der Berufungsschrift über das Zustandekommen der Tonaufzeichnung verwirklichte das Abhören von Gesprächen seiner Prozeßgegner in deren Wohnung und deren Aufzeichnung auf Tonband den Tatbestand des § 120 Abs. 1 StGB. Diese Frage ist aber für das verfahrensrechtliche Problem der Verwertung der Tonbandaufnahme nicht relevant. Aus der rechtswidrigen, ja auch der strafgesetz- oder grundrechtswidrigen Gewinnung eines Beweismittels ergibt sich im allgemeinen, von im Gesetz ausdrücklich geregelten und hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, kein Verbot der Verwertung dieser Beweismittel (vgl. Schmoller, Unvertretbares Beweismaterial im Strafprozeß, in:

Strafprozeß- und Vollzugsreform, Schriftenreihe des BMfJ Nr. 45, S 130, 156 f, 180, 206, 225; Mayerhofer-Rieder, StPO3 E 7a zu § 3). Die Ableitung eines Beweisverwertungsverbotes aus der rechtswidrigen Gewinnung des Beweismittels kommt insbesondere dann nicht in Betracht, wenn sie - wie vorliegend - durch Private außerhalb des Verfahrens erfolgt ist. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat im Schenk-Fall eine Verletzung des Art. 6 MRK durch die Verwertung eines - von einem Privatmann ohne Einverständnis des Betroffenen - rechtswidrig erlangten Beweismittels (Tonbandes) verneint (EuGRZ 1988, 390).

3. Auch eine Tatbestandsmäßigkeit der Wiedergabe der Tonbandaufzeichnung in der Hauptverhandlung oder der Berufungsverhandlung kommt als Verwertungshindernis nicht in Betracht. Zunächst ist aus prozessualer Sicht darauf hinzuweisen, daß die Wiedergabe nur dann tatbestandsmäßig ist, wenn sie gegen den Willen der abgehörten Personen erfolgt, und daß im vorliegenden Verfahren Einwände gegen das Abspielen des Tonbandes seitens der Privatankläger gar nicht erhoben wurden. Dem Gericht steht es nicht frei, in die Disposition der belauschten Sprecher einzugreifen, für die unter Umständen die Beweisaufnahme über die von ihnen geführten Gespräche eine Bestätigung ihrer eigenen Angaben und eine Widerlegung der Behauptung des Beschuldigten mit sich brächte. Aber auch ein Widerspruch der belauschten Zeugen hätte an der Zulässigkeit der prozessualen Verwertung nichts geändert.

Für diese ist nämlich entscheidend, daß Interessen der Strafrechtspflege, andererseits des Angeklagten an der Wahrheitsfindung vorliegen, deren Bedeutung die - bei Zutreffen der Behauptungen des Angeklagten über den Inhalt der Gespräche - minder schutzwürdigen Interessen der Privatankläger und ihrer Freunde an der Geheimhaltung überwiegen. Im Strafprozeß, der von den Grundsätzen der materiellen Wahrheitsforschung (zu deren Bedeutung vgl. JBl. 1988, 596 RZ 1988/17) und der Freiheit der Beweismittel (§ 258 Abs. 2 StPO - siehe RZ 1958, 71; 1959, 101; ferner Mayerhofer-Rieder, StPO3 E 25, 26, 34, 35, 59-62 zu § 3) beherrscht ist, besteht nicht nur kein der gegenständlichen Beweisaufnahme entgegenstehendes rechtliches Hindernis, sondern sogar die Verpflichtung des Gerichtes, ein derartiges Beweisanbot einer Prozeßpartei anzunehmen.

Rechtsprechung (EvBl. 1961/330, 1965/414 = RZ 1965, 94, EvBl. 1991/42) und Lehre (Seiler, Die Beweisverbote im Strafprozeß, JBl. 1974, 123, insb. 132 sowie Die Verwendung des Tonbandes im Strafprozeß, JBl. 1963, 68) haben seit jeher Einwände gegen die Verwendung eines Tonbandes zu Beweiszwecken mit dem Argument der Rechtfertigung der Verwendung durch übergesetzlichen Notstand (allenfalls Notwehr) abgelehnt. Dem entspricht, daß im ersten Entwurf des StGB in der Fassung der Strafrechtskommission der damalige § 223 eine ausdrückliche Ausnahme vom Tatbestand für die Fälle vorsah, daß die Tonbandaufnahme zur Wahrung eines berechtigten Interesses erforderlich war und dieses Interesse jenes an der Geheimhaltung überwiegt (siehe Seiler wo 1963). Den Erläuterungen zum StGB 1974, BT S 78 zu § 145 ist zu entnehmen, daß diese Einschränkung (nur) deshalb nicht in den Gesetzestext (nunmehr § 120 StGB) übernommen wurde, weil der auch sonst anerkannte Rechtfertigungsgrund des überwiegenden Interesses keiner besonderen Erwähnung bei einem einzelnen Tatbestand bedürfe. In der neueren Literatur tritt Koberger (Grenzenloser Schutz der Privatsphäre vor Tonbandgeräten ? ÖJZ 1990, 330) für eine Interessenabwägung bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Tonbandaufnahmen ein.

Zum selben Ergebnis der Verwertbarkeit verbotener Tonbandaufnahmen im vorliegenden Fall kommt man unter Berücksichtigung der Argumentation Schmollers, der in der schon oben zitierten eingehenden Untersuchung aller einschlägigen Probleme - unter Berücksichtigung auch der deutschen Judikatur und Lehre - sich auch ausführlich mit der Verwertung von Tonbandaufnahmen befaßt. Er arbeitet zwei Fälle der Unverwertbarkeit heraus: Einerseits hält er - abgesehen von anderen, hier nicht interessierenden Fällen - eine Verwertung von (selbst rechtmäßig gewonnenen) Beweismitteln für unzulässig, wenn sie Intimgeheimnisse betreffen, es sei denn, die Beweisaufnahme wäre "unerläßlich" (nämlich im Sinne des § 153 Abs. 1 und 2 StPO) oder (gleichbedeutend) "unumgänglich notwendig" (im Sinne § 166 Abs. 2 StPO). Intimgeheimnisse seien der Gesamtbereich (der) höchst persönlichen Lebensumstände (aaO S 148 ff). Daraus kann für den vorliegenden Fall kein Verwertungsverbot abgeleitet werden, denn ungeachtet der Vertraulichkeit von Gesprächen in einer Privatwohnung würde niemand die Zulässigkeit von Zeugenvernehmungen über den Inhalt solcher Gespräche bezweifeln. Eine Aussageverweigerung zumindest der Privatankläger wäre bei der vorzunehmenden Interessenabwägung als ungerechtfertigt anzusehen, diese wären zur Beantwortung der ihnen gestellten Fragen verhalten, verstieße es doch gegen das Gebot eines fairen Verfahrens, wenn die Privatankläger die Verteidigung gegen die von ihnen erhobene Anklage durch Aussageverweigerung behindern dürften.

Handelt es sich nicht um Intimgeheimnisse, die der Beweisaufnahme entrückt sind, so hält Schmoller die Verwertung von Tonbandaufnahmen dann für unzulässig, wenn der Belauschte einen (zivilrechtlich oder per analogiam aus §§ 149 a Abs. 2, 149 b Abs. 3 StPO begründeten) Anspruch auf Vernichtung des Tonbandes hat (aaO S 190, 197 ff). Zutreffend führt Schmoller aus, daß es nicht etwa das "Recht am Wort" ist, das die Verwertung der gegen den Willen des Sprechenden aufgenommenen Gespräche hindert. Die Tonbandaufnahme enthält ja nicht mehr als die Belauschten als Zeugen bei vollständiger Aussage angeben müßten. Aus der sohin größeren Zuverlässigkeit eines Beweismittels kann kein Argument gegen seine Verwendung gefunden werden (aaO S 193 f; G. Kodek, Rechtswidrig erlangtes Beweismaterial im Zivilprozeß S 151 ff). Die Zulassung bestimmter Tatsachen als Beweisthema bedeutet deshalb für die exakte Rekonstruktion dieser Tatsachen grundsätzlich einen Rechtfertigungsgrund, selbst wenn die Beweisaufnahme einen Straftatbestand (hier § 120 Abs. 2 StGB) erfüllen würde (Schmoller aaO S 193, FN 162). Selbst wenn man den Belauschten etwa einen Vernichtungsanspruch, den der Autor allerdings in der Regel bei rechtswidrig erlangten Tonbandaufnahmen für gegeben hält (aaO S 197), zugestehen wollte, kann - wie auch Schmoller einräumt - dieser gegenüber höherwertigen Interessen zurücktreten, wenn etwa ein den Vernichtungsanspruch überwiegendes privates Interesse an der Erhaltung der rechtswidrigen Aufnahme besteht (aaO S 199). Ein solches Interesse liegt aber nicht nur vor, wenn es um die Verhinderung einer Verurteilung wegen einer schweren Straftat geht, sondern allgemein, wenn der Inhalt der abgehörten Gespräche für die Entkräftung eines strafrechtlichen Vorwurfs relevant ist.

Zusammenfassend ist daher zu sagen, daß in Fällen, in denen - wie vorliegend - die Wahrheitsfindung die Aufklärung von behaupteten Absprachen zwischen Zeugen erfordert, diese also ein zulässiges Beweisthema ist, sie auch durch Abhörung eines widerrechtlich hergestellten Tonbandes in der Hauptverhandlung geschehen darf und muß, ohne daß dem das Verbot des § 120 Abs. 2 StGB entgegenstünde.

Allerdings ist, wie der Vollständigkeit halber beigefügt sei, ein abschließendes Urteil über die Rechtfertigung der Tat des Angeklagten und damit über deren Strafbarkeit (nach § 120 Abs. 1 StGB) erst nach Beweisaufnahme möglich, wenn feststehen sollte, daß der Inhalt der Tonaufzeichnungen geeignet ist, seinen Verdacht auf das Vorliegen ihn belastender falscher Beweisaussagen zu bestätigen. Ergibt sich daraus kein anzuerkennendes

überwiegendes Interesse des Angeklagten (vgl. SSt. 47/75 =

JBl. 1976, 656 = EvBl. 1976/186, EvBl. 1977/118 = RZ 1977/19), dann

ist die tatbestandsmäßige Tonbandaufnahme selbstverständlich nicht gerechtfertigt. Dies ist aber eine unabhängig vom gegenständlichen Strafprozeß zu entscheidende Frage, die nur in dem abgesonderten Verfahren über eine allfällige Privatanklage wegen § 120 StGB beantwortet werden kann.

4. Das Berufungsgericht irrte daher sowohl in der Entscheidung über die Verfahrensrüge des Angeklagten als auch in der Ablehnung seiner Beweisanträge in der Berufungsverhandlung und verletzt seine prozessualen Pflichten."

Rechtliche Beurteilung

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.

Vorliegend sollten die auf dem in Rede stehenden Tonband fixierten Aufnahmen der Entlastung des Beschuldigten dienen; hiedurch sollte (zur Stützung seiner leugnenden Verantwortung) der Nachweis erbracht werden, gleichsam das Opfer eines Verleumdungskomplotts geworden zu sein.

Das Bezirksgericht hat in der (erneuerten) Hauptverhandlung, ersichtlich der eingangs wiedergegebenen Rechtsansicht des Berufungsgerichtes folgend, das Tonband - wie auch alle darauf bezughabenden Fragen - als Beweismittel nicht zugelassen (vgl. S 88, 89, 103); daß der zusätzliche Hinweis "Strafverfahren beim Kreisgericht Leoben anhängig" (vgl. abermals S 103) nicht den Tatsachen entspricht (vgl. insbesondere S 31 im angeschlossenen Akt 12 E Vr 777/90 des Kreisgerichtes Leoben) sei hier der Vollständigkeit halber noch angemerkt.

Das Berufungsgericht hinwieder hat die in Rede stehende Beweisaufnahme mit dem Hinweis auf die schlechte Tonqualität und die dubiose Herkunft des Tonbandes abgelehnt. Nach dem Inhalt des Protokolls über diese Berufungsverhandlung - in der weder eine Wiederholung noch eine Ergänzung des Beweisverfahrens vorgenommen wurde - hatte jedoch das Berufungsgericht gar keine Gelegenheit (wahrgenommen), die Tonqualität der Bandaufnahme tatsachenmäßig festzustellen. Schon diese (prozeßordnungswidrige) Vorgangsweise bewirkt die aus dem Spruch ersichtlichen, vom Generalprokurator zu Recht aufgezeigten Gesetzesverletzungen; indem nämlich das Berufungsgericht diesem zur Gänze unbenützt gebliebenen Beweismittel von vornherein jeglichen Beweiswert absprach, hat es jedenfalls eine unzulässige vorgreifende Beweiswürdigung vorgenommen (Mayerhofer-Rieder aaO ENr. 52, 54 zu § 258; ENr. 81, 83 zu § 281 Z 4). In seinen Verteidigungsrechten wäre der Beschuldigte dadurch nur dann nicht beeinträchtigt, wenn die begehrte Beweisaufnahme im Urteil nicht hätte verwertet werden dürfen, weil dem ein - wie die Beschwerde gleichfalls zutreffend aufzeigt, von einem Beweisgewinnungsverbot streng zu trennendes - Beweisverwertungsverbot entgegensteht, welches es dem Gericht aus rechtlichen Gründen untersagt, ein bestimmtes ihm vorliegendes Beweismaterial bei der Urteilsfindung in die Beweiswürdigung einzubeziehen. Beweisverwertungsverbote können indes nur dort zum Tragen kommen, wo das Gesetz ein derartiges Verbot ausdrücklich statuiert; ein solches - hier

aktuelles - Verbot ist der derzeitigen Gesetzeslage nicht zu entnehmen. Selbst das durch die Finanzstrafgesetznovelle 1985 (BGBl. 571) eingeführte "erste moderne Verwertungsverbot für gesetzwidrig gewonnene Beweismittel in der österreichischen Strafrechtsordnung" (vgl. Harbich FinStrG3 § 98 Anm. 2) beschränkt dieses Beweisverwertungsverbot (§ 98 Abs. 4 FinStrG) auf ausdrücklich und taxativ aufgezählte Verstöße bei der Beweisgewinnung sowie außerdem darauf, daß die aufgezählten Beweismittel zum Nachteil des Beschuldigten nicht herangezogen werden dürfen, woraus geschlossen werden muß, daß dies zu dessen Vorteil jedenfalls zulässig ist.

Auch die MRK enthält keine Bestimmungen, die einer Verwertung rechtswidrig erlangter Beweismittel (zugunsten des Beschuldigten) entgegenstehen. In der in der Beschwerde angeführten Entscheidung des EGMR im Fall Schenk gegen die Schweiz (EuGRZ 1988, 390) wurde die Verwertung einer rechtswidrig erlangten Tonbandaufnahme sogar zu Lasten des Beschuldigten nicht ausgeschlossen; umsomehr ist im Interesse eines fairen Verfahrens die Verwertung von der Verteidigung des Beschuldigten dienenden Beweismitteln geboten.

Da sohin der Verwertung der in Rede stehenden Tonaufnahme kein rechtliches Verbot entgegensteht, waren in Stattgebung der vom Generalprokurator erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes die zum Nachteil des Verurteilten unterlaufenen Gesetzesverletzungen wie im Spruch festzustellen, das berufungsgerichtliche Urteil gemäß § 292 letzter Satz StPO aufzuheben und dem Kreisgericht Leoben die neuerliche (meritorische) Entscheidung über die Berufung - nach Erneuerung des Beweisverfahrens - aufzutragen, ohne daß es erforderlich war, auf die weiteren Beschwerdeausführungen näher einzugehen.

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