OGH 15Os9/05w

OGH15Os9/05w17.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. März 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kain als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Kurt Ernst P***** wegen der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 2. August 2004, GZ 11 Hv 17/04w-32, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Kurt Ernst P***** wurde (richtig:) der (in einer unbestimmten Anzahl von Angriffen begangenen) Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er im Sommer 1999 in Wels dadurch, „dass er die am 17. 6. 1993 geborene Saskia L***** aufforderte, seinen Penis anzugreifen, wobei er ihre Hand erfasste und in mehreren Fällen zu seinem Penis führte, wobei Saskia L***** den Penis mit den Fingerspitzen berührte, von einer unmündigen Person eine geschlechtliche Handlung an sich vornehmen hat lassen."

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 3, 5, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Dem Vorbringen der Verfahrensrüge (Z 3) zuwider ist das Erstgericht zutreffend davon ausgegangen, dass zufolge der Aufhebung der Lebensgemeinschaft zwischen dem Angeklagten und der Zeugin Leopoldine R***** ein Entschlagungsrecht dieser Zeugin mangels Ausdehnung der - frühere Ehegatten begünstigenden - Bestimmung des § 152 Abs 1 Z 2 StPO im Wege der Analogie auf frühere Lebensgefährten nicht in Betracht kommt (vgl Jerabek in WK2 § 72 Rz 18) und hat die Zeugin daher - wie die Beschwerde selbst zugesteht - in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl EvBl 1976/221) richtigerweise nicht über ein Entschlagungsrecht belehrt. Weshalb es „in Anbetracht der inzwischen in vielen Bereichen eingetretenen Gleichstellung der Lebensgefährten mit dem Ehepartner" nicht mehr gerechtfertigt wäre, diese Unterscheidung aufrecht zu erhalten, legt die Beschwerde im Übrigen nicht dar und erweist sich in diesem Umfang als nicht deutlich und bestimmt bezeichnet. Insgesamt liegt die von der Beschwerde monierte Formverletzung im Sinn des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes nicht vor. Entgegen der Undeutlichkeit der Urteilsbegründung behauptenden Kritik der Mängelrüge (Z 5) lässt sich die Annahme mehrfacher Angriffe als getrennte Handlungskomplexe hinreichend deutlich (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 419) aus den (stets in ihrer Gesamtheit samt Erkenntnis [§ 260 Abs 1 Z 1 StPO] heranzuziehenden, vgl US 3 und 5) Entscheidungsgründen entnehmen. Aus den Konstatierungen US 3 ergibt sich, dass der Angeklagte nach dem dort geschilderten Verhalten im Sommer 1999 das Tatopfer davon abzuhalten trachtete, den Vorfall jemandem zu erzählen, und sich sodann „diese", auf US 3 geschilderten Übergriffe auf die Zeugin mehrmals wiederholten. Daraus lässt sich nicht ableiten, dass es sich zufolge zeitlich eng aufeinanderfolgender, von einem Tatentschluss getragener geschlechtlichen Handlungen nur um eine einzige zusammenhängende Straftat handelt, sondern ist zweifelsfrei nach den Feststellungen von echter Realkonkurrenz der Delikte auszugehen (vgl RIS-Justiz RS0114523).

Die bloß pauschale Individualisierung der vom Angeklagten im Sommer 1999 an der Unmündigen begangenen, jeweils gleichartigen Taten widerspricht auch nicht § 260 Abs 1 Z 1 StPO, weil diesen Erfordernissen bei einer Mehrzahl gleichartiger strafbarer Handlungen, die mangels einer weiteren Aufklärungsmöglichkeit zahlenmäßig und nach den Tatzeitpunkten nicht mehr näher bestimmt werden können, immer schon dann entsprochen ist, wenn im Schuldspruch die gleichartigen, am selben Objekt verübten Taten des Angeklagten örtlich und zeitlich (mit Anfangszeit und Endzeit) umgrenzt werden (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 219, RIS-Justiz RS0098773). Die vom Erstgericht verwendete Sammelbezeichnung im Urteilsspruch, die klarstellend zu formulieren war, vermag Nichtigkeit nicht zu begründen, weil diese Sammelbezeichnung keine Undeutlichkeit hinsichtlich der einzelnen Taten offen lässt (WK-StPO aaO Rz 292). Insoweit ein „Begründungsmangel" darin erblickt wird, dass - unter der Annahme der Verwirklichung der geschlechtlichen Handlung nur auf Grund mehrmaligen Berührens des Penis - nähere Konstatierungen zu den Wiederholungen und dem Zeitraum, in dem diese stattgefunden hätten, erforderlich gewesen wären, genügt der Hinweis auf die oben dargelegten Ausführungen zum Vorliegen mehrerer realkonkurierender Handlungen, die nicht von einem einheitlichen Handlungsvorsatz getragen waren.

Im Übrigen haben die Tatrichter, dem Gebot der gedrängten Darstellung der Urteilsgründe nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend, im Einklang mit den Gesetzen folgerichtigen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen begründet dargelegt, warum sie die Urteilsannahmen auf die als glaubwürdig angesehen Depositionen des Tatopfers gestützt und dadurch die leugnende Verantwortung des Angeklagten als widerlegt angesehen haben und somit von einer mehrfachen Begehung der Tat ausgegangen sind (US 3 und 5). Warum die Vorgangsweise des Angeklagten als geschlechtliche Handlung und nicht nur flüchtige Berührung anzusehen ist, hat das Erstgericht in den in US 3 geschilderten gesamten Umständen (dass der Angeklagte nach der Aufforderung an die Zeugin, seinen Geschlechtsteil anzugreifen und ihrer Weigerung deren Hand ergriff und zu seinem Penis führte; weiters dem Versuch, ihre Hand wegzuziehen, dadurch begegnete, dass er diese mit entsprechender Zielstrebigkeit wieder zu seinem Geschlechtsteil hinzog und es somit zur Berührung des Penis mit der Fingerspitze kam) begründet dargelegt (vgl 15 Os 21/00). Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) bestreitet das Vorliegen einer geschlechtlichen Handlung im Sinne des § 207 StGB unter isolierter Betrachtung der Berührung des Penis lediglich mit den Fingerspitzen, ignoriert aber die weiteren Urteilskonstatierungen Seite 3, wonach der Angeklagte gegen den Widerstand des Opfers dessen Hand zu seinen Penis führte, sodass es zur Berührung kam, und übersieht dabei, dass Gegenstand von Rechts- und Subsumtionsrüge ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts, einschließlich prozessualer Verfolgungsvoraussetzungen, mit dem festgestellten Sachverhalt ist (Ratz, WK-StPO Rz 581). Die Sanktionsrüge (Z 11) moniert die Annahme der Tatwiederholung als erschwerend und wendet sich neuerlich - (inhaltlich Z 5) - gegen die mangelnde Begründung der mehrfach festgestellten Übergriffe und „dass das Erstgericht betreffend der Frage der Wiederholung nicht der Verantwortung des Angeklagten gefolgt sei." Die dazu beweiswürdigenden Erwägungen der Beschwerde argumentieren ebenfalls auf urteilsfremder Grundlage. Wie bereits in Erwiderung der Einwände zum Nichtigkeitsgrund der Z 5 angeführt, lässt sich angesichts der einzelnen, als „wiederholt" angeführten Übergriffe unzweifelhaft erkennen, dass die Anführung „des Verbrechens nach § 207 Abs 1 StGB" im Spruch letztlich als eine Sammelbezeichnung im Sinne von als „pars pro toto" verwendet wurde und nicht als eine Art zusammenfassende Subsumtionseinheit sui generis (Ratz, WK aaO Rz 292). Damit hat sich die die Annahme der mehrfachen Tatbegehung als erschwerend - anstelle der richtigerweise heranzuziehenden Strafzumessungstatsache des Zusammentreffens mehrerer Verbrechen - nicht zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 Z 1 iVm § 285a Z 2 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.

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