OGH 15Os27/05t

OGH15Os27/05t17.3.2005

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. März 2005 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kain als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heinrich Wilhelm S***** wegen des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen, durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 15, 127, 129 Z 1, 130 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Dezember 2004, GZ 75 S Hv 186/04b-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr. Sperker, und des Angeklagten, jedoch in Abwesenheit der Verteidigerin zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Dezember 2004, GZ 75 S Hv 186/04b-49, verletzt in seinem zu Punkt II ergangenen Schuldspruch wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG hinsichtlich des jeweils dem eigenen Gebrauch dienenden Erwerbes und Besitzes von (1) Rohypnol § 27 Abs 1 SMG und (2) Kokain und Morphium § 35 Abs 1 SMG iVm § 37 SMG.

Dieses Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch II und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben.

Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird in der Sache selbst erkannt:

Heinrich Wilhelm S***** wird von der wider ihn erhobenen Anklage, er habe von einem noch festzustellenden Zeitpunkt bis zum 5. September 2004 in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtmittel, nämlich Rohypnol zum Eigengebrauch erworben und besessen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Im verbleibenden Umfang der Aufhebung, nämlich betreffend den Vorwurf, er habe bis 5. September 2004 in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtmittel, nämlich Kokain und Morphium zum Eigengebrauch erworben und besessen, und den Strafausspruch wird die Sache zur Verfahrenserneuerung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Die Staatsanwaltschaft Wien wird mit ihrer Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Heinrich Wilhelm S***** wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Dezember 2004, GZ 75 S Hv 186/04b-49, des Verbrechens des versuchten gewerbsmäßigen, teilweise durch Einbruch begangenen Diebstahls nach den §§ 15, 127, 129 Z 1, 130 erster Fall StGB (I) sowie (richtig:) der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG (II) schuldig erkannt und es wurde über ihn unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem ersten Strafsatz des § 130 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten verhängt. Diese Verurteilung blieb von Heinrich Wilhelm S***** unbekämpft, über die von der Staatsanwaltschaft gegen den Ausspruch über die Strafe erhobene Berufung wurde noch nicht entschieden.

Der Schuldspruch nach dem Suchtmittelgesetz erfolgte, weil der seit Jahren suchtgiftabhängige (US 5) Heinrich Wilhelm S***** (nach seinen eigenen Angaben) über einen nicht näher festgestellten, am 5. September 2004 endenden Zeitraum „den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtmittel, nämlich Kokain, Rohypnol und Morphium zum Eigenkonsum erworben und besessen hat" (US 3 iVm US 9), wobei ihm bewusst war, dem Suchtmittelgesetz zuwiderzuhandeln, was er billigend in Kauf nahm (US 6 f).

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt, steht der Schuldspruch wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG zu II des oben zitierten Urteils des Landesgerichtes für Strafsachen Wien mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Nach der Arzneimittelliste des Einführungserlasses zum SMG, JMZ 703.028/5-II.2/1997, handelt es sich bei Rohypnol um ein den psychotropen Stoff Flunitrazepam enthaltendes Arzneimittel, auf das die §§ 30 und 31 SMG, nicht aber die §§ 27 und 28 SMG zur Anwendung kommen. Von der Strafbarkeit vorschriftswidrigen Erwerbes und Besitzes von Rohypnol nach § 30 Abs 1 SMG ist gemäß Abs 2 Z 1 leg cit unter anderem ausgenommen, wer Arzneimittel, die einen psychotropen Stoff enthalten, für den eigenen Gebrauch erwirbt und besitzt, sofern es sich nicht um eine große Menge handelt.

Dem Akteninhalt sind keine Anhaltspunkte zu entnehmen, dass Heinrich Wilhelm S***** für seinen eigenen Gebrauch Rohypnoltabletten in einer großen Menge Flunitrazepam (0,4 g laut Psychotropen-Grenzmengenverordnung-PGV, BGBl II 378/1997, das wären 400 Stück; eine Rohypnoltablette enthält 1 mg Flunitrazepam) enthaltenden Anzahl erworben und besessen hätte. Eine Strafbarkeit des zwar vorschriftswidrigen Erwerbes und Besitzes des - eine große Menge Flunitrazepam nicht enthaltenden - Arzneimittels Rohypnol für den eigenen Gebrauch liegt daher nicht vor.

Dem wegen vorschriftswidrigen Erwerbes und Besitzes der Suchtgifte Kokain und Morphium erfolgten Schuldspruch nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG mangelt es für ein gesetzeskonformes Zustandekommen an einer bereits der Staatsanwaltschaft obliegenden, nach Anklageerhebung gemäß § 37 SMG vom Gericht vorzunehmenden Prüfung des grundsätzlich indizierten temporären Verfolgungshindernisses nach § 35 Abs 1 SMG. Die Aktenlage lässt nämlich keine der genannten Privilegierung entgegenstehenden Umstände erkennen, im Besonderen ergeben sich keine Anhaltspunkte, wonach Heinrich Wilhelm S***** mehr als geringe, nicht zusammenzurechnende (14 Os 150/99) Mengen der genannten Suchtgifte zum eigenen Gebrauch erworben und besessen hat. Die einschlägigen Vorstrafen sowie der mit dem Suchtmittelgesetz nicht im Zusammenhang stehende Schuldspruch zu Punkt I des gegenständlichen Urteiles schließen eine vorläufige (bedingte) Anzeigezurücklegung nicht aus. Die Tatrichter wären daher nach Einbringung der Anklageschrift gemäß § 37 SMG verhalten gewesen, vorerst die Auskünfte bzw Stellungnahme nach § 35 Abs 3 SMG einzuholen und sodann abschließend zu beurteilen, ob die Voraussetzungen des temporären Verfolgungshindernisses nach § 35 Abs 1 SMG gegeben sind. Der ohne Prüfung der Voraussetzungen nach § 35 Abs 3 SMG erfolgte Schuldspruch steht somit mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Der zum Nachteil des Angeklagten wirkende Schuldspruch wegen der Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG war daher aufzuheben. Da nach der Aktenlage betreffend den vorschriftswidrigen Erwerb und Besitz von Rohypnol auch bei Erneuerung des Beweisverfahrens im Hinblick auf die Angaben des Angeklagten bezüglich der von ihm erworbenen und besessenen Menge Rohypnol keine Erweiterung der Entscheidungsgrundlagen zu erwarten ist, war aus den oben angeführten Gründen in der Sache selbst mit einem Freispruch vorzugehen.

Im Übrigen war die Sache im Umfang der weiteren Aufhebung an das Erstgericht zurückzuverweisen, das die an §§ 35 ff SMG orientierte Prüfung nachzuholen und sodann neuerlich zu entscheiden haben wird.

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