European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2005:E76463
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Im Rahmen ihrer Mängelrüge macht die Revisionswerberin in unzulässiger Weise bereits vom Berufungsgericht verneinte Mängel des Verfahrens erster Instanz geltend (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 3 zu § 503 ZPO mwN).
Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, zumal das Berufungsgericht keine eigenen Feststellungen getroffen hat. Bloße Erwägungen des Berufungsgerichtes (hier: die Bewertung eines Gutachtens) im Rahmen der Behandlung einer Beweisrüge vermögen diesen Revisionsgrund nicht abzugeben (RIS‑Justiz RS0043277).
Das Berufungsgericht geht von der zu bestandgeschützten Arbeitsverhältnissen ergangenen Rechtsprechung (RIS‑Justiz RS0028233) aus, nach der ein unwirksam gekündigte Arbeitnehmer seinen Fortsetzungsanspruch nicht zeitlich unbeschränkt wahrnehmen kann, weil ihn auf Grund eines erheblichen Klarstellungsinteresses des Arbeitgebers eine Aufgriffsobliegenheit trifft. Auch verkennt das Berufungsgericht nicht, dass die Einbringung einer auf § 105 ArbVG gestützten Rechtsgestaltungsklage dieser Aufsgriffsobliegenheit noch nicht Genüge tut, weil die Geltendmachung eines solchen Anspruchs ja gerade die Wirksamkeit der Kündigung voraussetzt (RIS‑Justiz RS0112268 [T2,5]). Im vorliegenden Fall kann jedoch das Vorbringen im Schriftsatz vom 20. August 2002 (ON 11) nicht übersehen werden, welcher erst 5 Monate nach Ausspruch der Kündigung eingebracht bzw dem Beklagtenvertreter gemäß § 112 ZPO direkt übermittelt wurde. Darin heißt es ausdrücklich, dass die Klage zwar „primär auf Sozialwidrigkeit der Kündigung gestützt werde“, aber auch, dass „der Kündigungsgrund der körperlichen Nichteignung“ nicht vorliege. Wenngleich dieses ergänzende Vorbringen allein noch nicht ausreichend schlüssig war, so ist daraus doch zu erkennen, dass sich der Kläger auch gegen die Wirksamkeit der Kündigung selbst wenden wollte. Das - über Anleitung des Erstgerichtes - erst 10 Monate nach der Kündigung formulierte Feststellungs‑Eventualbegehren war somit nicht die erste Geltendmachung der Unwirksamkeit. Unter diesem besonderen Aspekt ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes vertretbar, dass für die beklagte Arbeitgeberin ausreichend und noch rechtzeitig klargestellt war, dass der Kläger für die Fortsetzung seines Arbeitsverhältnisses auch die Unwirksamkeit der Kündigung ins Treffen führen wollte und somit seiner Aufgriffsobliegenheit nachgekommen war.
Die Revisionswerberin vermeint weiters, dass die Verneinung des Kündigungsgrundes der mangelnden körperlichen Eignung (§ 48 Abs 2 lit b des KollV „Dienstordnung“) durch das Berufungsgericht mit der zu vergleichbaren Kündigungsgründen bei bestandgeschützten Arbeitsverhältnissen ergangene Rechtsprechung im Widerspruch stehe. Danach könnten auch lange andauernde Krankenstände diesen Kündigungsgrund darstellen. Nach den Feststellungen hatte die Versetzung des Klägers vom jahrelang ausgeübten Tagdienst (Fahrdienst) in den Schichtdienst seine psychische Erkrankung bewirkt, deren Folge die häufigen Krankenstände waren, welche aber in einen Beobachtungszeitraum von nur 8 Monaten (bis zum Ausspruch der Kündigung) fielen. Weiters wurde festgestellt, dass sich durch die ärztliche Behandlung und die neuerliche Versetzung des Klägers in den Tages‑Fahrdienst bereits zur Zeit der Kündigung eine derartige Besserung des Gesundheitszustandes eingestellt hatte, dass mit vermehrten Krankenständen nicht mehr zu rechnen war (AS 157). Damit unterscheidet sich aber der vorliegende Fall erheblich von den Sachverhalten, welche der von der Beklagten zitierten Judikatur (RIS‑Justiz RS0081880) zugrunde gelegen waren. Dort wurden die für eine weitere Arbeitsfähigkeit ungünstigen Prognosen daraus abgeleitet, dass sich die über dem Durchschnitt liegenden Krankenstände der gekündigten Arbeitnehmer jeweils über mehrere Jahre hin erstreckt hatten und daher auf eine entsprechende Wahrscheinlichkeit auch in der Zukunft geschlossen werden konnte. Soweit daher das Berufungsgericht den Fall des Klägers als nicht vergleichbar eingestuft hat, liegt darin eine schlüssig differenzierende Einzelfallbeurteilung, die keiner Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)