Spruch:
Julius E***** hat durch die zu A/I des Schuldspruchs als erwiesen angenommenen Tatsachen das Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter Fall, Abs 3 erster Fall und Abs 4 Z 3 SMG begangen und wird hiefür sowie für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldsprüchen zur Last liegenden Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG und nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28 Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 7 (sieben) Jahren
verurteilt.
Gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB wird die mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 3. Dezember 2002 zum AZ 20 Hv 17/00 gemäß § 40 SMG verfügte bedingte Strafnachsicht des (ursprünglich unbedingt verhängten) Strafteiles von einem Jahr widerrufen.
Der darüber hinausgehende Antrag der Staatsanwaltschaft St. Pölten auf Widerruf des (schon ursprünglich) bedingt nachgesehenen Strafteiles von 2 Jahren wird zurückgewiesen.
Die Aussprüche über die Vorhaftanrechnung und über den Ersatz der Verfahrenskosten erster Instanz werden aus dem erstgerichtlichen Urteil übernommen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Teilfreispruch enthält, wurde Julius E***** (A/I) der („sechs Mal begangenen") Verbrechen nach § 28 Abs 2 zweiter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG und der Vergehen (A/II) nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG sowie (B) nach § 50 Abs 1 Z 3 WaffG schuldig erkannt und unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28 Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von siebeneinhalb Jahren verurteilt. Unter einem wurde gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO iVm § 53 Abs 1 StGB die im Verfahren des Landesgerichtes St. Pölten zum AZ 20 Hv 17/00 beschlossene bedingte Strafnachsicht widerrufen. Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in St. Pölten und anderen Orten
(A) den bestehenden Vorschriften zuwider ein Suchtgift, nämlich Amphetamin
(I) von Ende 2000 bis Anfang 2004 in zumindest sechs Angriffen gewerbsmäßig in einer großen Menge eingeführt, indem er das Suchtgift in einer Gesamtmenge von ca 6.000 Gramm in jeweiligen Mengen von ca 1.000 Gramm in Polen einkaufte (Reinheitsgrad des Suchtmittel 25 %, vgl US 16 und 17) und nach Österreich einschmuggelte, sohin die im § 28 Abs 2 SMG bezeichnete Tat in Beziehung auf ein Suchtgift begangen, dessen Menge zumindest das 25-fache der Grenzmenge (Abs 6) ausmacht;
(II) ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt ab Ende 2000 bis Frühjahr 2004 in nicht geringer Menge erworben und bis zum Eigenkonsum besessen;
(B) ab einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis 11. Februar 2004 Waffen und Munition besessen, obwohl ihm dies gemäß § 12 WaffenG verboten ist, nämlich einen Karabiner K 98, 24 Stück Spitzmantelgeschoße, 26 Patronen, eine Luftdruckpistole, einen Schlagstock und ein Stichmesser.
Vom weiteren Anklagevorwurf, er habe von Ende 2000 bis zumindest Herbst 2003 in vielfachen Angriffen insgesamt 2.700 Gramm Amphetamin durch Verkauf an nicht ausgeforschte Suchtgiftabnehmer sowie an Franz En***** in einer Menge 808 Gramm in Verkehr gesetzt, wurde er gemäß § 259 Z 3 StPO (unangefochten) freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus Z 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene, nach dem Inhalt der Rechtsmittelschrift ausschließlich das Faktum A/I anfechtende Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel. Eine Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO begründende Unvollständigkeit des Urteils ist nur dann gegeben, wenn das Gericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche zwischen den Aussagen der vernommenen Personen nicht würdigt oder die seinen Feststellungen widerstreitenden Beweisergebnisse nicht erörtert oder die Gründe nicht angibt, aus denen es diese Beweise nicht für stichhältig erachtet (Fabrizy, StPO9 § 281 Rz 43).
Die auf die Unterlassung der Erörterung der Ein- und Ausreisestempel in seinem Reisepass gerichtete Rüge des Beschwerdeführers bezieht sich auf ein Beweismittel, das in der Hauptverhandlung nach dem unberichtigt gebliebenen Protokoll nicht vorgekommen ist, sodass es vom Erstgericht im Urteil gar nicht verwertet werden durfte. Einen Antrag auf Beischaffung und Verlesung der Eintragungen im Reisepass, der ihm im Fall seiner Abweisung die Bekämpfung des Urteils mittels Verfahrensrüge (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) ermöglicht hätte, hat der während der gesamten Hauptverhandlung durch einen Verteidiger vertretene Angeklagte nicht gestellt.
Der Nichtigkeitsgrund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO greift erst dann, wenn aktenkundig Beweisergebnisse vorliegen, die nach grundlegenden Erfahrungssätzen gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Das Beweismittel, aus dem diese Bedenken abgeleitet werden, muss zwar nicht als Urteilsgrundlage iSd § 258 Abs 2 StPO herangezogen worden sein, es muss sich jedoch spätestens zur Zeit der Hauptverhandlung bei den Akten befunden haben und der Einsicht durch den Beschwerdeführer zugänglich gewesen sein (Fabrizy, aaO § 281 Rz 49). Der dem Angeklagten bei seiner Festnahme abgenommene Reisepass (S 169/I), der als Häftlingsdeposit in einem Tresor der Justizanstalt St. Pölten verwahrt wird (S 173/I), stellt somit kein Beweismittel dar, aus dem der erwähnte Nichtigkeitsgrund abgeleitet werden kann. Die Tatsachenrüge ist daher schon aus verfahrensrechtlichen Gründen verfehlt. Im Übrigen vermag das Fehlen von Grenzkontrollstempeln eines Landes, für das für österreichische Staatsbürger kein Visumszwang besteht, keinesfalls die Ein- und Ausreise auszuschließen. Es liegen daher auch der Sache nach keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der Urteilsfeststellung von sechs Schmuggelfahrten vor.
Die auf eine Betrachtung des Beweisverfahrens statt - wie bei Geltendmachung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes geboten (RIS-Justiz RS0099810) - auf den Urteilssachverhalt abstellende Rechtsrüge (Z 9 lit a inhaltlich Z 10) behauptet zum einen, Vorsatz auf das Verschaffen einer fortlaufenden Einnahmequelle sei nicht vorgelegen und "ergebe sich auch nicht aus den Feststellungen", im Übrigen sei dieser Vorsatz von keinem Beweismittel gedeckt. Dabei übergeht die Beschwerdeargumentation zum einen die diesbezüglichen (gegenteiligen) Urteilskonstatierungen S 6 betreffend die Gewerbsmäßigkeit bei der Einfuhr je großer Mengen Amphetamin nach Österreich (vgl auch US 19) und lässt, soweit sie den Vorsatz ohne weitere Begründung in Abrede stellt, die deutliche und bestimmte Bezeichnung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 285d Rz 10) vermissen. Insoferne sie auf die Bestreitung des gewerbsmäßigen Inverkehrsetzens von Suchtmitteln abstellt, erweist sich die Beschwerde im Hinblick auf den diesbezüglichen Freispruch des Angeklagten als nicht zu seinem Vorteil ausgeführt. Obwohl der Rechtsmittelantrag auf Urteilsaufhebung zur Gänze lautet, finden sich zu Punkt A/II und B keine sachbezogenen Ausführungen in der Beschwerde, sodass es ihr insoweit ebenfalls an der deutlichen und bestimmten Bezeichnung mangelt.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Aus ihrem Anlass überzeugte sich jedoch der Oberste Gerichtshof davon, dass beim Schuldspruch zu A/I das Gesetz unrichtig angewendet worden ist.
Setzt ein Täter Suchtgift in einer Menge in Verkehr, die zumindest das 25-fache der Grenzmenge beträgt, so sind die jeweiligen Handlungseinheiten zu einer Subsumtionseinheit zusammenzufassen. § 28 Abs 4 Z 3 SMG stellt angesichts fehlender Gewerbsmäßigkeitsqualifikation eine - mit dem sogenannten Schuldgrundsatz aufgrund der Vorsatzerfordernis in Hinsicht auf jeweils große Mengen ohne weiteres zu vereinbarende - besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz für jeweils große (und allfällige nach § 15 StGB, § 28 Abs 2 SMG beurteilte Rest-)Mengen (mithin "die im Abs 2 bezeichnete Tat") - vergleichbar den für wert- und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB - dar, sodass § 28 Abs 2 SMG, nach Abs 4 Z 3 qualifiziert - ungeachtet der unselbstständigen Qualifikation nach Abs 3 erster Satz (erster Fall) - auch bei gleichartiger Realkonkurrenz stets nur ein einziges Verbrechen begründet (RIS-Justiz RS0117464, Ratz, Häufige Kritikpunkte an Urteilen und staatsanwaltschaftlichen Rechtsmitteln aus der Sicht eines OGH-Richters, RZ 2003, 198). Da das Erstgericht dementgegen zu A/I von der Begehung von sechs Verbrechen ausging und auch bei der Strafzumessung das Zusammentreffen von „sechs Verbrechen" mit zwei Vergehen als erschwerend gewertet hat, war gemäß § 290 Abs 1 StPO vorzugehen (§ 281 Abs 1 Z 10 und 11 zweiter Fall StPO), weil durch die Annahme mehrerer Verbrechen nicht nur eine Strafzumessungsvorschrift verletzt ist, die durch den Erschwerungsgrund der mehrfachen Überschreitung der Übermenge gleichwertig kompensiert würde, sodass ein Nachteil des Angeklagten bei der Vorgangsweise des Erstgerichtes nicht ausgeschlossen werden kann. Somit war die Annahme von sechs Verbrechen aus dem Spruch des Urteils auszuschalten, dieser zu korrigieren und der Strafausspruch sowie der damit verbundene Beschluss auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO aufzuheben und mit Strafneubemessung vorzugehen.
Dabei wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, den überaus raschen Rückfall, das Zusammentreffen von einem Verbrechen mit mehreren Vergehen sowie den Umstand, dass das 25-fache der im Abs 6 des § 28 SMG genannten Menge mehrfach überschritten wurde; als mildernd das teilweise Geständnis. Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen und dem hohen Gefährdungspotenzial, das sich auch aus der Aggravierung der Suchtgiftdelinquenz erschließen lässt, ist die im Spruch angeführte Freiheitsstrafe schuld- und tatangemessen, wobei der eigene Suchtgiftgebrauch gebührend berücksichtigt worden ist. Von einer Gewöhnung und vorwiegenden Tatbegehung deshalb, um sich Suchtmittel für den eigenen Gebrauch oder Mittel zu dessen Erwerb zu verschaffen, kann nach den Konstatierungen des Erstgerichtes und der Aktenlage nicht ausgegangen werden.
Gleichfalls war neuerlich gemäß § 494a Abs 1 Z 2 StPO auf Widerruf der mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten gemäß § 40 SMG zum AZ 20 Hv 17/00 verfügten bedingten Strafnachsicht des vorerst unbedingt verhängten Strafteiles von einem Jahr Freiheitsstrafe aus den im erstgerichtlichen Urteil zutreffend angeführten Gründen zu erkennen.
Der darüber hinausgehende Antrag der Staatsanwaltschaft auf Widerruf der mit Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten vom 27. September 2000, AZ 20 Hv 17/00, RK 27. September 2000 verfügten bedingten Strafnachsicht eines Strafteiles von zwei Jahren Freiheitsstrafe (von der insgesamt in der Dauer von drei Jahren bemessenen Freiheitsstrafe) war mangels Einhaltung der Fristen des § 56 StGB (im gegenständlichen Verfahren wurde die Voruntersuchung gegen den Angeklagten am 10. Februar 2004 eingeleitet; S 3d verso AV-Bogen, aus der Haft wurde er im Verfahren zum AZ 20 Hv 17/00 des Landesgerichtes St. Pölten am 2. Oktober 2000 entlassen, vgl ON 121 in 20 Hv 17/00 des Landesgerichtes St. Pölten), zurückzuweisen.
Beim Widerruf des bedingt nachgesehenen Strafteiles von einem Jahr der ursprünglich insoweit unbedingt ausgesprochenen Freiheitsstrafe war die Frist des § 56 StGB im Hinblick auf den am 3. Dezember 2002 gefassten Beschluss (ON 167 in 20 Hv 17/00, Landesgericht St. Pölten) gewahrt.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a StPO.
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