OGH 8Ob107/04z

OGH8Ob107/04z20.1.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Langer als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Miroslava S*****, vertreten durch Dr. Herwig Hammerer, Rechtsanwalt in Krems, als Verfahrenshelfer, wider die beklagte Partei Lemi Peter S*****, vertreten durch Dr. Helmut Malek, Rechtsanwalt in Krems, als Verfahrenshelfer, wegen Ehescheidung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems a.d. Donau als Berufungsgericht vom 25. Mai 2004, GZ 2 R 209/03b-16, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Krems a.d. Donau vom 9. September 2003, GZ 10 C 1126/02x-10, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.065,98 EUR bestimmten Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens (darin enthalten 177,66 EUR Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile schlossen am 29. 8. 1991 vor dem Standesamt Neulengbach die Ehe. Der Ehe entstammen die am 25. 3. 1993 geborene mj. Michaela und die am 17. 8. 1994 geborene Janett. Beide Streitteile sind österreichische Staatsbürger. Die Ehe verlief Anfangs gut. Die Beziehung verschlechterte sich jedoch nach der Geburt des zweiten Kindes. Der Beklagte war von Anfang an gegen ein zweites Kind und konnte sich auch nach deren Geburt mit diesem nicht recht anfreunden. Sie entsprach wenig seinem Charakter. Im Unterschied zur älteren Tochter war sie sehr zart und sensibel und leicht erregbar. Der Beklagte hatte Schwierigkeiten, sich in sie hineinzufühlen. Er bevorzugte aus diesem Grund die ältere Tochter. Es kam deshalb häufig zu Streitigkeiten zwischen den Ehegatten. Schon zu Beginn der Ehe hatte der Beklagte hin und wieder Marihuana geraucht. Das war der Klägerin bekannt. Im Laufe der Ehe steigerte der Beklagte gegen den Willen der Klägerin seinen Konsum. Die Klägerin trat gegen den Willen des Beklagten der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas bei und besuchte gegen seinen Willen regelmäßig deren Veranstaltungen. Weil er sich darüber ärgerte, steigerte der Beklagte seinen Haschischkonsum. Das ärgerte wiederum die Klägerin. Aus diesen Gründen kam es immer wieder zum Streit.

Beide Ehegatten trugen etwa gleichteilig zum ehelichen Einkommen bei. Beide kümmerten sich um den Haushalt.

Die Klägerin forderte den Beklagten im Jänner 2002 auf, die Wohnung zu verlassen. Sie suchte ihm ein Zimmer als Ersatzwohnung und übergab ihm 35.000 S in bar. Damit sollten sämtliche vermögensrechtlichen Ansprüche aus der Ehe abgegolten werden. Die Klägerin sicherte dem Beklagten zu, dass er für die Kinder als weiteren Ausgleich für die Aufteilungsansprüche ein halbes Jahr keinen Unterhalt zahlen müsse. Insgesamt erhielt der Beklagte daher 50.000 S zur Abgeltung seiner Aufteilungsansprüche. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin jeglichen Willen verloren, die Ehe fortzusetzen. Sie war nicht mehr willens, mit dem Beklagten in Zukunft eine eheliche Gemeinschaft einzugehen. Lediglich der Beklagte hoffte noch, dass ihn die Klägerin in die Ehewohnung zurückholen würde. Ca 14 Tage nach seinem Auszug ging der Beklagte eine Beziehung zu einer anderen Frau ein. Dieser Umstand hatte für den Entschluss der Klägerin, die Ehe endgültig zu beenden, keinerlei Einfluss mehr.

Nach dem Auszug des Beklagten äußerten die Kinder, vor allem die jüngere Tochter Janett, ihre Ängste vor dem Vater. Für die Klägerin erhob sich - nachdem sie den Verein "Die Möwe" kontaktiert hatte - der Verdacht eines sexuellen Missbrauchs. Sie erstattete in der Folge Anzeige gegen den Beklagten. Ob es tatsächlich zu Vorfällen gegenüber den Kindern gekommen ist, kann nicht festgestellt werden. Das Strafverfahren gegen den Beklagten wurde eingestellt. Die Klägerin begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Der Beklagte habe Janett abgelehnt und unverhohlen seinen Hass auf das Kind zum Ausdruck gebracht. Er habe beide Kinder in Abwesenheit der Klägerin misshandelt und gequält. Er gehe aus eigenem Verschulden keiner Arbeit nach. Er nehme regelmäßig Drogen. Nachdem die Klägerin im Jänner 2002 festgestellt habe, dass die Angstzustände Janetts bereits Krankheitswert erreicht hätten, habe die Klägerin den Beklagten gegen Leistung einer Ausgleichszahlung im Jänner 2002 aus der Ehewohnung gewiesen. Der Beklagte unterhalte ehebrecherische Beziehungen.

Der Beklagte, der für den Fall der Scheidung der Ehe den Antrag auf Ausspruch eines Mitverschuldens der Klägerin an der Ehescheidung stellte, wendet ein, dass die von der Klägerin behaupteten Eheverfehlungen frei erfunden seien. Der Beklagte nehme nicht regelmäßig Drogen, sondern habe nur einige Male Haschisch konsumiert, womit die Klägerin einverstanden gewesen sei. Die Klägerin habe den Haushalt immer mehr vernachlässigt.

Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Die Klägerin habe keine wesentlichen Eheverfehlungen gesetzt. Kein Ehegatte dürfe dem anderen vorschreiben, welcher Religion er angehöre. Die entscheidende Eheverfehlung des Beklagten habe darin bestanden, dass er unmittelbar nach seinem Auszug aus der Ehewohnung eine ehebrecherische Beziehung zu einer andern Frau eingegangen sei. Das Berufungsgericht, das nach teilweiser Beweiswiederholung die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen über den Ehewillen der Klägerin zum Zeitpunkt des Auszuges des Beklagten aus der Ehewohnung abänderte, gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung des Beklagten teilweise dahin Folge, dass es aussprach, dass das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe beide Ehegatten treffe. Es erachtete dazu rechtlich, dass das Eingehen einer ehewidrigen bzw ehebrecherischen Beziehung des Beklagten mit einer anderen Frau nach seinem Auszug aus der Ehewohnung nicht zu berücksichtigen sei, weil dieser Umstand von der Klägerin nicht mehr als zerrüttet empfunden worden sei. Die Streitigkeiten der Ehegatten resultierten aus dem Suchtgiftkonsum des Beklagten, den die Klägerin aber ursprünglich akzeptiert habe und aus der Bevorzugung der älteren Tochter durch den Beklagten. Allerdings stelle sich das Gesamtbild der Ehe so dar, dass keiner der Ehegatten mehr die notwendigen Bemühungen aufgebracht habe, um ein gedeihliches Zusammenleben zu ermöglichen. Dafür sei signifikant, dass der Beklagte nicht bereit gewesen sei, seinen Haschischkonsum einzustellen. Andererseits habe die Klägerin regelmäßig gegen den Willen des Beklagten Veranstaltungen der Zeugen Jehovas besucht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision ist zulässig und berechtigt: Das Berufungsgericht hat sich über die von der Revisionswerberin zutreffend zitierte Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0056684; insbesondere 8 Ob 275/01a) hinweggesetzt, wonach das Bekenntnis zu den religiösen Anschauungen der Zeugen Jehovas weder als ehrloses noch als unsittliches Verhalten in Betracht kommt. Es bildet auch sonst keine schwere Eheverfehlung. Eine schwere Eheverfehlung könnte nur dann verwirklicht sein, wenn aus einer fanatischen oder unduldsamen Einstellung heraus der andere Ehegatte oder die Familienangehörigen in einer für sie unerträglichen Weise beeinflusst werden sollten, die ehelichen Pflichten ernsthaft vernachlässigt würden oder es sonst zur Verletzung der Pflicht zur toleranten und achtungsvollen Begegnung käme (8 Ob 275/01a mwN). Entsprechende Feststellungen haben die Vorinstanzen weder getroffen noch hat der Beklagte in erster Instanz auch nur behauptet, dass die Klägerin eine schwere Eheverfehlung in diesem Sinn gesetzt habe. Er hat lediglich vorgebracht (siehe S 3 in ON 3), dass die Klägerin den Haushalt immer mehr vernachlässigt habe. Dazu haben allerdings die Vorinstanzen festgestellt, dass sich beide Ehegatten um den Haushalt kümmerten. Der Beklagte hat diese Feststellung zwar in seiner Berufung bekämpft und behauptet, dass die Klägerin den Haushalt und die Kinder durch die häufigen Besuche bei Veranstaltungen der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas vernachlässigt habe. Das Berufungsgericht hat die Beweisrüge des Beklagten in diesem Punkt ausdrücklich als unberechtigt erachtet.

Da somit nicht feststeht, dass der Beitritt der Klägerin zur Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas zu einer Vernachlässigung des Haushaltes, des Beklagten oder der gemeinsamen Kinder führte, war der außerordentlichen Revision im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils Folge zu geben: Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes stehen Eheverfehlungen der Klägerin nicht fest:

Auch die nach Geburt der zweiten Tochter auftretenden Streitigkeiten der Ehegatten hatten nach den Feststellungen des Erstgerichtes ihre Ursache darin, dass es der Beklagte war, der sich mit dem Charakter seiner jüngeren Tochter nicht anfreunden konnte. Zieht man dazu ins Kalkül, dass der Beklagte durch den von der Klägerin abgelehnten gesteigerten Drogenkonsum jedenfalls eine weitere Eheverfehlung setzte, ist mit dem Erstgericht davon auszugehen, dass den Beklagten das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft. Der Einwand in der Revisionsbeantwortung, es müsse berücksichtigt werden, dass die Klägerin den Beklagten zu Unrecht einer gerichtlich strafbaren Handlung bezichtigt habe, ist deshalb unberechtigt, weil nach den Feststellungen der Vorinstanzen nicht feststellbar ist, ob der bei der Klägerin aufgrund der Ängste der jüngeren Tochter bestehende Verdacht des sexuellen Missbrauchs des Beklagten berechtigt war oder nicht.

Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Da das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung durchführte, war die mündliche Berufungsverhandlung zu honorieren, dafür aber für den Berufungsschriftsatz nur der einfache Einheitswert zuzusprechen (§ 23 Abs 9 RATG).

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