OGH 16Ok22/04

OGH16Ok22/0420.12.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Kommerzialräte Dr. Fidelis Bauer und Dr. Erich Haas in der Kartellrechtssache der Anzeigerin Bundesinnung der F*****, 1045 Wien, wegen Herausgabe einer unverbindlichen Verbandsempfehlung, infolge Antrages auf Erteilung eines Widerrufsauftrages durch die Bundeswettbewerbsbehörde, Praterstraße 31, 1020 Wien, über den Rekurs der Bundeswettbewerbsbehörde gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Kartellgericht vom 10. August 2003, GZ 26 Kt 157, 201/03-25, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Eingabe vom 30. 4. 2003 zeigte die Bundesinnung der F***** ihre "Bildhonorare 2003, Unverbindliche Veröffentlichungshonorare im Fotografengewerbe in Österreich" als unverbindliche Verbandsempfehlung gemäß den §§ 31 ff KartG an.

Die Bundeswettbewerbsbehörde beantragte ausdrücklich gestützt auf § 33 Abs 1 Z 2 KartG, der Bundesinnung den Widerruf der angemeldeten unverbindlichen Verbandsempfehlung aufzutragen. Nach § 33 Abs 1 Z 2 KartG iVm § 23 Z 3 KartG könne die volkswirtschaftliche Rechtfertigung dann nicht angenommen werden, wenn sie mit den im § 7 Abs 1 KartG angeführten internationalen Verträgen unvereinbar sei. Dazu gehöre auch das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum. Die Nachfrage für Bildnutzungen erfolge grenzüberschreitend. Die Verbandsempfehlung enthalte auch Zuschläge für die Verbreitung genutzter Bilder über Österreich hinaus. Die Verbandsempfehlung richte sich an das gesamte österreichische Fotografengewerbe, weswegen von einer Überschreitung der Spürbarkeitsgrenze von 5 % auszugehen sei. Die Kommission habe in der "Fenex-Entscheidung" ausgesprochen, dass schon die Festsetzung eines Preises den Wettbewerb dadurch beeinträchtige, dass er den Teilnehmern die Möglichkeit gebe, mit hinreichender Sicherheit vorauszusehen, welche Preispolitik die Konkurrenten verfolgen würden. Verbandsempfehlungen, die Preise und Preisgrenzen enthielten, seien unzulässig, Empfehlungen, die Kalkulationsrichtlinien zur Verfügung stellten, hingegen unbedenklich.

Die Bundesinnung der F***** verwies darauf, dass in der "Fenex-Entscheidung" die von der dortigen Tarifkommission errechneten und vom Vorstand beschlossenen Tarife mit Rundschreiben versandt worden seien, in denen die feste Erwartung ausgedrückt worden sei, dass der Empfehlung Folge geleistet werde. Die Bildhonorare der Anzeigerin seien demgegenüber nur erhoben, nicht aber errechnet oder beschlossen worden. Sie würden nur in einer Fachzeitung publiziert mit dem Hinweis auf die Unverbindlichkeit (Einleitung, Vorwort, jede Seite im Kopf und in der Fußzeile). Es gehe nicht um ein Honorar für die Erstellung einer Leistung, also die Herstellung des Fotos, sondern um eines für die Bildnutzung eines bereits vorhandenen Fotos. Das Erstgericht hat den Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde auf Erteilung eines Widerrufsauftrages abgewiesen. Zwar falle das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum, mit dessen Inkrafttreten am 1. 1. 1994 das europäische Kartellrecht in Österreich unmittelbar anwendbar geworden sei, unter die entsprechend § 7 Abs 1 KartG zu berücksichtigenden internationalen Verträge. Es sei auch nach dem 31. 12. 1994 - Beitritt zur EU - zulässig, unverbindliche Verbandsempfehlungen zu untersagen, wenn sie im Widerspruch zum in Österreich unmittelbar anwendbaren europäischen Kartellrecht stehen. Daher sei auch Art 81 Abs 1 lit a EG über die Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen, welche den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und die Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes durch die unmittelbare oder mittelbare Festsetzung der An- oder Verkaufspreise oder sonstiger Geschäftsbedingungen bezwecken oder bewirken, zu beachten. Da die empfohlenen Bildhonorare auch Entgelte für die über Österreich hinausgehende Nutzung beinhalten, sei die Verbandsempfehlung prinzipiell geeignet, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, weil sie sich an alle in Österreich im Fotografengewerbe Tätigen richtet. Der Begriff der "Vereinbarung" im Sinne des Art 81 EG sei weit auszulegen. Die Kommission verstehe darunter jede Verständigung von Unternehmen oder Unternehmensvereinigungen über eine wettbewerbsbeschränkende Praxis, das heißt, jede Willensübereinstimmung zwischen Unternehmen und Vereinigungen über ihr gemeinsames Auftreten am Markt. Übereinkünfte, die für die daran Beteiligten nicht verbindlich sind, gehörten nur dann dazu, wenn ihre Nichtbefolgung wirtschaftlich, gesellschaftlich, moralisch oder ähnlich sanktioniert sei. Nicht alleine die Bezeichnung als "unverbindlich" sei entscheidend, sondern ob aus dem Beschluss der Willen des Verbandes zum Ausdruck komme, das Verhalten der Mitglieder auf dem Markt der Empfehlung entsprechend zu koordinieren. Die Erwägungen der Europäischen Kommission in der "Fenex-Entscheidung" seien von einer solchen Willensäußerung ausgegangen. Dies sei aber hier zu verneinen. Die Bezeichnung der angezeigten Verbandsempfehlung sei durchgängig als "unverbindliche" Empfehlung erfolgt.

Gegen diesen den Antrag auf Erteilung eines Widerrufsauftrages nach § 33 Abs 1 Z 2 KartG abweisenden Teil dieses Beschlusses richtet sich der Rekurs der Bundeswettbewerbsbehörde (im Folgenden BWB) mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Antragsgegnerin der Widerruf der unverbindlichen Verbandempfehlung aufgetragen werde.

Die Bundesinnung hat eine Rekursbeantwortung erstattet, in der sie beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Unverbindliche Verbandsempfehlungen iSd § 31 Abs 1 KartG sind Empfehlungen zur Einhaltung bestimmter Preise, Preisgrenzen oder Kalkulationsrichtlinien, die

  1. 1. keine Empfehlungskartelle (§ 12) sind;
  2. 2. von Verbänden ausgehen, deren Ziel die Vertretung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmern ist; unter Verbänden im Sinn dieser Bestimmung sind gesetzliche berufliche Interessenvertretungen und Vereine von Unternehmern zu verstehen; und

    3. nicht an Angehörige eines freien Berufes gerichtet sind. Der Fachverband der Fotografen (Bundesinnung) ist nun einer der in der nach § 15 WKG erlassenen Fachorganisationsordnung errichteten Fachverbände (vgl § 5 Z 17 der Fachorganisationsordnung BGBl II 2000/108). Der Aufgabenbereich der Fachorganisationen wird in § 17 WKG dahin festgelegt, dass es sich um Angelegenheiten handeln muss, die nur die Interessen der Mitglieder dieser Fachorganisation berühren. Der Fachverband ist also eine gesetzliche berufliche Interessenvertretung im Sinne des § 31 Abs 1 Z 2 KartG. Die Bedeutung der §§ 31 ff KartG besteht nun nicht etwa darin, dass den betroffenen Unternehmerverbänden dort eine Begünstigung eingeräumt würde. Vielmehr handelt es sich um die Auferlegung von Pflichten, gerade weil der Gesetzgeber Verbandsempfehlungen wegen ihrer potentiellen Wirkungen auf den Preiswettbewerb besonderen Regelungen unterwerfen will (vgl dazu etwa OGH 16 Ok 9/00). Wo eine solche Wirkung eintreten kann, ist im Zweifel ein den §§ 31 ff KartG zuzuordnender Tatbestand anzunehmen (RIS-Justiz RS0114916 mwN). Voraussetzung für das Vorliegen einer unverbindlichen Verbandsempfehlung ist aber stets, dass kein Empfehlungskartell (§ 12 KartG) vorliegt (Koppensteiner Wettbewerbsrecht3, 207 f). Nach § 33 Abs 1 Z 2 KartG hat das Kartellgericht dem empfehlenden Verband dann aufzutragen, die Empfehlung binnen 14 Tagen den Empfängern gegenüber ausdrücklich zu widerrufen, wenn die Empfehlung volkswirtschaftlich nicht gerechtfertigt ist (§ 23 Z 3 KartG). Zum Antrag nach Abs 1 Z 2 des § 33 KartG sind unter anderem die Amtsparteien (§ 44 KartG) berechtigt.

    Die Bundeswettbewerbsbehörde stützt sich zu dem hier vorliegenden Widerrufsantrag nach § 33 Z 2 KartG darauf, dass die vorliegende unverbindliche Verbandsempfehlung wegen ihrer Koordinierungsabsicht gegen Art 81 EG verstoße.

    § 33 Abs 1 Z 2 KartG verweist nun auf § 23 Z 3 KartG. § 23 Z 3 KartG wiederum ordnet im Zusammenhang mit der Genehmigung von Kartellen an, dass ein Kartell jedenfalls dann nicht als volkswirtschaftlich gerechtfertigt anzusehen ist, wenn es mit den im § 7 Abs 1 KartG angeführten internationalen Verträgen unvereinbar ist. Das Gemeinschaftsrecht, insbesondere Art 81 EG ist davon aber nicht erfasst, sondern durch die Frage der Rechtmäßigkeit eines Kartells im Sinne der Z 2 des § 23 KartG ersetzt (vgl Barfuß/Wollmann/Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, 63 f; 16 Ok 7/98). Der von der Bundeswettbewerbsbehörde ausdrücklich herangezogene Tatbestand der Z 2 des § 33 Abs 1 KartG kann also das gestellte Begehren nicht decken. Im Übrigen ist allerdings darauf hinzuweisen, dass auch zum Anwendungsbereich des Widerrufsauftrags nach § 33 KartG die Auffassung vertreten wird, dass davon der Fall der Gesetzwidrigkeit der unverbindlichen Verbandsempfehlung erfasst sei (vgl Koppensteiner aaO, 210) und damit auch der Fall eines Widerspruchs zum Kartellrecht der Gemeinschaft (vgl Reich-Rohrwig/Zehetner Kartellrecht I E 6 - Kartellgerichts vom 25. 11. 1996, 25 Kt 277/96; 17. 12. 1996, 25 Kt 320/96). Hinzu kommt, dass seit dem 1. 5. 2004 die - insbesondere auf Art 83 EG gestützte - Verordnung EG Nr 1/2003 des Rates vom 16. 12. 2002 zur Durchführung der in den Art 81 und 82 des Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln gilt, die in allen ihren Teilen verbindlich und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat (Art 45 der VO) wirksam ist. Mangels entgegen stehender Übergangsbestimmungen ist diese Verordnung auch auf zum Zeitpunkt ihres Inkrafttretens von nationalen Kartellbehörden bereits anhängige Verfahren - demnach also auch im Anlassfall - anzuwenden.

    Nach der Verordnung sind die Wettbewerbsbehörden der Mitgliedstaaten für die Anwendung der Art 81 und 82 in Einzelfällen zuständig. Sie können von Amts wegen oder auf Grund einer Beschwerde Entscheidungen erlassen, mit denen unter anderem die Abstellung von Zuwiderhandlungen angeordnet werden kann.

    Art 35 Abs 1 VO Nr 1/2003 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet sind, Wettbewerbsbehörden einzurichten, die zur Anwendung der Art 81 und 82 EG in einer Weise befugt sind, dass die Verordnung wirksam angewandt werden kann; zu den bestimmten Behörden können auch Gerichte gehören. Werden einzelstaatliche Verwaltungsbehörden und Gerichte mit der Durchsetzung des Wettbewerbsrechtes der Gemeinschaft betraut, so können die Mitgliedstaaten diesen unterschiedliche Befugnisse und Aufgaben zuweisen (Art 35 Abs 2 der VO).

    Das Kartellgericht ist gemäß § 42 f Abs 1 KartG zur Erlassung von Entscheidungen im Einzelfall zuständig, die nach den Art 84 bis 86 EG und den nach Art 83 EG erlassenen Verordnungen von den Behörden der Mitgliedstaaten zu treffen sind. Es hat hiebei die Verfahrensvorschriften des Gesetzes anzuwenden. Die Bestimmung stellt klar, dass in den Fällen, in denen die (unmittelbar anzuwendenden) Wettbewerbsregeln der EG Entscheidungen der Behörden der Mitgliedstaaten im Einzelfall vorsehen, das Kartellgericht die zuständige Behörde sein kann (EBRV 1005 BlgNR 21. GP, 27 f). Dabei soll "flexibel" auf die jeweiligen innerstaatlichen Verfahrensbestimmungen verwiesen werden (vgl EBRV 1005 BlgNR 21. GP, 28). Denkbar wären nun einerseits die für Widerrufsaufträge vorgesehenen Verfahrensbestimmungen, aber auch jene, die im Zusammenhang mit der Untersagung von Kartellen vorgesehen sind, heranzuziehen.

    Eine Anpassung des Kartellgesetzes an die durch die Verordnung 1/2003 in vielerlei Hinsicht geänderten Anforderungen des Gemeinschaftsrechts ist bisher nicht erfolgt.

    Eine abschließende Erörterung der Frage der verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen kann hier nun unterbleiben, weil die von der Bundeswettbewerbsbehörde geltend gemachten Bedenken hinsichtlich der Unvereinbarkeit der gegenständlichen unverbindlichen Verbandsempfehlung mit dem Gemeinschaftsrecht schon im Ansatz nicht nachgewiesen wurden. Zwar spräche wohl manches für die Bejahung der "Zwischenstaatlichkeit" und "Spürbarkeit" eines allfälligen "Empfehlungskartells" (vgl Eilmansberger in Streinz EUV/EGV Art 81 Rz 71 FN 232; Schröter in Schröter/Jakob/Mederer Kommentar zum Europäischen Wettbewerbsrecht Art 81 Rz 202 FN 925). Voraussetzung ist aber, dass überhaupt ein "Beschluss" im Sinne des Art 81 EG vorliegt. Dies wird bei Verbandsempfehlungen dann bejaht, wenn diese die Mitglieder faktisch binden, weil sie sich der Empfehlung nicht entziehen können, ohne Nachteile rechtlicher, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Art in Kauf nehmen zu müssen (vgl Schröter aaO, 82; aber auch die von der Bundeswettbewerbsbehörde herangezogene Entscheidung der Kommission in der Rs FENEX ABl L 181 vom 20. 7. 1996, S 28 ff, Rz 36, wo darauf abgestellt wurde, dass die Tarifempfehlung mit Schreiben versandt wurden, die zwingenden Charakter hatten). Genau das wurde hier aber nicht festgestellt. Vielmehr wird in der Empfehlung durchgängig deren Unverbindlic hkeit betont.

    Soweit die Bundeswettbewerbsbehörde nunmehr darauf abstellt, dass alleine schon durch die Autorität des Fachverbandes die koordinierende Wirkung eintrete, handelt es sich dabei um eine im Rekursverfahren unbeachtliche Neuerung (vgl RIS-Justiz RS0063600 mwN; vgl im Übrigen zur Bedeutung der faktischen Beachtung bzw des abgestimmten Verhaltens Schröter aaO mwN insbes FN 312). Ausgehend von den konkreten Feststellungen und dem Vorbringen in erster Instanz vermögen die Ausführungen der Bundeswettbewerbsbehörde keine Bedenken gegen die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts hervorzurufen.

    Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

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