OGH 1Ob45/04f

OGH1Ob45/04f23.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Erhard Hackl, Rechtsanwalt, Linz, Hofgasse 7, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Johannes Hochleitner, Rechtsanwalt in Eferding, wider die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wolfgang Lirk, Dr. Dietmar Lirk und Mag. Hanna Spielbüchler, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 43.603,70 sA infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 16. Dezember 2003, GZ 3 R 176/03b-15, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Das durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der klagenden Partei unterbrochene Verfahren wird aufgenommen.

2.) Die Bezeichnung der klagenden Partei wird auf "Dr. Erhard Hackl, Rechtsanwalt, Linz, Hofgasse 7, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der S***** GmbH, *****, richtiggestellt.

3.) Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Über das Vermögen der Klägerin wurde am 16. 3. 2004 der Konkurs eröffnet. Mit Schriftsatz vom 23. 7. 2004 erklärte der Masseverwalter, gemäß § 7 Abs 2 KO das ex lege unterbrochene Verfahren aufzunehmen, welcher Tatsache durch die Punkte 1.) und 2.) des Spruchs Rechnung zu tragen ist.

Nach Mängelrüge und Gesprächen über eine Preisminderung korrigierte der von der Beklagten als Auftraggeberin mit der Bauaufsicht beauftragte Prüfingenieur die von der Klägerin als Auftragnehmerin gelegte Schlussrechnung. Der um den Klagsbetrag verringerte Rechnungsbetrag ging auf das Konto der Klägerin am 27. 6. 2001 mit Wertstellung 28. 6. 2001 ein. Dem Vertragsverhältnis lag unter anderem die ÖNORM B 2110 idF 1. 3. 1995 zu Grunde, deren Punkt 2.29.2 lautet:

"Die Annahme einer Schlusszahlung aufgrund einer Schluss- oder Teilschlussrechnung schließt nachträgliche Forderungen für die vertragsmäßig erbrachten Leistungen aus, wenn nicht ein Vorbehalt in der Rechnung enthalten ist, oder binnen drei Monaten nach Erhalt der Zahlung schriftlich erhoben wird. Der Vorbehalt ist schriftlich zu begründen. Weicht die Schlusszahlung vom Rechnungsbetrag ab, beginnt die Frist von drei Monaten frühestens mit schriftlicher Bekanntgabe der nachvollziehbaren Herleitung des Differenzbetrages."

Die Klägerin beeinspruchte die Schlussrechnungskorrektur erstmals mit Schreiben vom 26. 9. 2001. Dieses Schreiben langte am 1. 10. 2001 im "TZ Verbund Sekr" und am 8. 10. 2001 bei der für das Baumanagement zuständigen Bauträger GmbH ein.

Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren wegen Verfristung ab. Zur Rechtsrüge führte das Berufungsgericht, das die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärte, im wesentlichen aus, in Analogie zu § 862a ABGB liege eine materiell-rechtliche Frist vor, für die § 902 ABGB gelte. Die Schlussrechnungskorrektur des Rechnungsprüfers sei eine nachvollziehbare Herleitung der Abzüge im Sinn der Ö-Norm gewesen, sodass das Schreiben der Klägerin der Beklagten drei Monate nach Zahlungseingang, somit spätestens am 28. 9. 2001, hätte zugehen müssen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Darstellung erheblicher Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ABGB unzulässig.

Die Klägerin bestreitet nicht mehr, dass ihr die Berechnung des Differenzbetrags bekannt war, sodass ausschließlich auf den Zahlungseingang - ob dieser mit 27. 6. oder 28. 6. 2001 anzunehmen ist, kann in Anbetracht der beiden möglichen Zugangsdaten des Schreibens dahinstehen - als Beginn des Fristenlaufs abzustellen ist.

§ 862a ABGB, nach dem die Annahmeerklärung dem Antragsteller innerhalb der Annahmefrist zukommen muss, ist auf Grund allgemein anerkannter Analogie als Bestimmung über das Wirksamwerden empfangsbedürftiger Willenserklärungen schlechthin anzusehen (Rummel in Rummel ABGB3 § 863a, Rz 1 mwH). Der sich aus dieser Gesetzesstelle ergebenden Empfangstheorie hat die Rechtsprechung etwa die qualifizierte Mahnung (RIS-Justiz RS 0014059), die Zessionsmitteilung (RIS-Justiz RS 0014097) und die Kündigung (RIS-Justiz RS 0014092) unterstellt. Einen signifikanten Unterschied zwischen diesen Fällen und dem Vorbehalt gemäß Punkt 2.29.2 der ÖNORM B 2110 vermag die Revisionswerberin nicht darzustellen. Ihr Hinweis auf § 377 HGB muss - abgesehen von den dogmatischen Bedenken gegen die Annahme einer Nichtempfangsbedürftigkeit (Kramer in Straube HGB3 §§ 377, 378, Rz 46; Reischauer in Rummel ABGB³ § 933 Rz 4a) - schon deshalb versagen, weil es dort in Absatz 4 der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung, es reiche die rechtzeitige Absendung der Anzeige zum Rechteerhalt aus, bedurfte, um so den - anders als nach der Ö-Norm - zur unverzüglichen Rüge verpflichteten Käufer zu entlasten (Kramer aaO.). Eine gleichartige Regelung findet sich in der ÖNORM B 2110 nicht.

Es kann nicht zweifelhaft sein, dass es sich bei der Vorbehaltsfrist der Ö-Norm um eine solche des materiellen Rechts handelt. Die Fristen des materiellen Rechts sind Zeiträume, an deren Beachtung das Gesetz bestimmte materielle Rechtsfolgen knüpft. Dient eine schriftliche Verfahrenshandlung der Wahrung einer solchen Frist, muss sie spätestens am letzten Tag dieser Frist zugegangen sein. Ob eine bestimmte Frist dem Verfahrens- oder dem materiellen Recht zuzurechnen ist, hängt nicht davon ab, in welcher Rechtsvorschrift sie angeordnet ist, sondern davon, ob an ihre Einhaltung verfahrens- oder materiellrechtliche Folgen geknüpft sind (Fasching ZPR² Rz 548). Demgemäß sind insbesondere Fristen, deren Beachtung Erfolgsvoraussetzung für die Geltendmachung von Ansprüchen ist, dem materiellen Recht zuzuordnen (1 Ob 665/90). Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin wird für die strittige Vorbehaltsfrist auch in der Literatur keine gegenteilige Ansicht vertreten. Weder Karasek (ÖNORM B 2110, 358 ff), noch Kropik (Der Bauvertrag und die ÖNORM B 2110, 188) nehmen zur Rechtsnatur der Frist und deren Berechnung Stellung.

Soweit sich die Revisionswerberin darauf beruft, die in der Ö-Norm angeordnete Schriftlichkeit des Vorbehalts sei lediglich Ordnungsvorschrift, sie habe den Abzug von der Schlussrechnung jedenfalls mündlich rechtzeitig gerügt, ist ihr - ohne dass es erforderlich wäre, auf die Rechtsnatur des Schriftlichkeitsgebots näher einzugehen - zu erwidern, dass bereits das Berufungsgericht diesen Einwand zutreffend als unzulässige Neuerung qualifiziert hat. Wie das Gericht zweiter Instanz weiters ebenfalls zutreffend dargelegt hat, ist der Hinweis auf die Anwendbarkeit der einschlägigen Bestimmungen der ZPO in der Ö-Norm ausschließlich auf die Schiedsgerichtsbarkeit bezogen (vgl. Karasek aaO., 660 f).

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht ( § 510 Abs 3 ZPO).

Stichworte