OGH 1Ob220/04s

OGH1Ob220/04s23.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marcin J*****, vertreten durch Mag. Franz Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Elzbieta W*****, vertreten durch Dr. Heinz Wechsler, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Ungültigkeit eines mündlichen Testaments (Streitwert 4.200 EUR) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 17. Februar 2004, GZ 36 R 412/03k-26, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 17. Juni 2003, GZ 17 C 1244/02m-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Kläger ist der Sohn des am 31. 10. 2001 verstorbenen Lebensgefährten der Beklagten (in der Folge kurz Erblasser). Beide gaben im Verlassenschaftsverfahren eine Erbserklärung zum gesamten Nachlass ab, wobei sich der Kläger auf das Gesetz und die Beklagte auf ein mündliches Testament vom 15. 9. 2001 beriefen. Der Kläger begehrte die Feststellung, dass dieses mündliche Testament ungültig sei. Er brachte vor, dass kein gültiges mündliches Testament des Erblassers existiere, weil kein Testierwille vorgelegen sei und die Testamentszeugen nicht von einer am 15. 9. 2001 abgegebenen letztwilligen Erklärung ausgegangen seien.

Die Beklagte wendete ein, ihr Lebensgefährte habe vor drei Zeugen ordnungsgemäß seinen letzten Willen erklärt.

Das Erstgericht erkannte das mündliche Testament vom 15. 9. 2001 für ungültig.

Es stellte fest, an diesem Tag hätten die Beklagte und ihr Lebensgefährte drei Personen zu sich eingeladen, wobei ihr Lebensgefährte bei Tisch gemeint habe, die Beklagte sollte - sofern ihm etwa zustieße - "alles bekommen". Er habe einer der eingeladenen Personen gegenüber erklärt, kein (schriftliches) Testament errichtet zu haben und auf die Möglichkeit eines mündlichen Testaments, das vor drei Zeugen errichtet werden könne, und insbesondere, dass (nunmehr) drei Zeugen anwesend seien, hingewiesen. Diese Zeugin habe die Äußerung des Lebensgefährten, er "errichte nunmehr" ein Testament, ernst genommen. Deren Ehegatte habe sich letztlich auch "als Testamentszeuge gefühlt". Hingegen habe die dritte eingeladene Person die Äußerung des Verstorbenen nicht gleich, sondern erst später - nach dessen Tod - ernst genommen. Dass der Erblasser am 15. 9. 2001 seine Äußerung, die Beklagte solle alles bekommen, mit dem Willen zu testieren abgegeben habe, könne nicht festgestellt werden. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Erstgericht, dass bei einem der Zeugen das Bewusstsein, eine letztwillige Verfügung zu vernehmen, gefehlt habe. Demnach, und weil der Testierwille des Erblassers nicht feststellbar gewesen sei, mangle es an einem gültigen mündlichen Testament.

Das Berufungsgericht wies das auf Ungültigerklärung des mündlichen Testaments gerichtete Klagebegehren ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000, nicht jedoch 20.000 EUR übersteige; die ordentliche Revision erklärte es letztlich für zulässig. Es stellte nach Beweiswiederholung die Äußerungen des Erblassers im Einklang mit dem Erstgericht fest. Es stellte aber ferner fest, dass auch der dritte Zeuge den Eindruck gehabt habe, der Lebensgefährte habe ein Testament errichten wollen. Er habe die "Testamentserrichtung" deshalb zunächst persönlich nicht ernst genommen, weil er insoweit geschockt gewesen sei, als er den Eindruck gehabt habe, der Lebensgefährte habe sich von ihm faktisch verabschieden wollen. Diese Ansicht habe aber nur die persönlichen Gefühle und Gedankengänge dieses dritten Testamentszeugen wiedergegeben; eine Feststellung darüber, dass der Erblasser im Zeitpunkt seiner streitverfangenen Erklärung keinen Testierwillen gehabt habe, sei daraus nicht abzuleiten. Bei gebotener strenger Prüfung sei sowohl das Bewusstsein des Erblassers, eine letztwillige Verfügung zu errichten, wie auch das Bewusstsein aller Zeugen, einem Testierakt beizuwohnen, vorgelegen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist unzulässig.

Zur Gültigkeit eines mündlichen Testaments ist neben der Testierabsicht des Erblassers erforderlich, dass die Zeugen wissentlich und willentlich im Einverständnis mit dem Erblasser am Testierakt mitwirken. Die Wirksamkeit einer mündlichen letztwilligen Anordnung hängt also auch vom Bewusstsein der Zeugen ab, an einer letztwilligen Verfügung teilzunehmen. Die Willensäußerung des Erblassers muss im Bewusstsein dessen entgegengenommen werden, dass sie erklärt worden sei, damit die Zeugen zu einem späteren Zeitpunkt die Absicht des Erblassers bestätigen könnten (7 Ob 305/03h; JBl 2002, 518; NZ 1997, 368; SZ 62/60).

An der Testierabsicht des Lebensgefährten der Beklagten am 15. 9. 2001 ist nicht zu zweifeln, hat dieser doch ausdrücklich erklärt, die Beklagte sollte - nach seinem Tode - alles bekommen, und er errichte nunmehr vor drei anwesenden Zeugen ein mündliches Testament (S 4 des Berufungsurteils). Das Berufungsgericht hat auch ausdrücklich zur vom Erstgericht getroffenen Feststellung, der Testierwille des Lebensgefährten habe aus den Aussagen des dritten Testamentszeugen nicht abgeleitet werden können, Stellung bezogen und klar zum Ausdruck gebracht, dass der Testierwille vorgelegen sei (S 5 des Berufungsurteils). Damit ist die Testierabsicht endgültig und für den Obersten Gerichtshof nicht mehr überprüfbar (Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 1 zu § 503 mwN) festgestellt.

Es fällt aber auch die Frage nach dem Willen und dem Bewusstsein einer Person, als Zeuge einer letztwilligen Verfügung fungiert zu haben, nach stRsp in den Tatsachenbereich, weshalb auch die Feststellung, alle Zeugen hätten den Eindruck gehabt, dass der Erblasser am 15. 9. 2001 ein Testament habe errichten wollen, der Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen ist (7 Ob 305/03h; JBl 2002, 518; NZ 1997, 368). Damit ist aber die vom Berufungsgericht für bedeutsam erachtete Frage, ob "die Wertungen der von ihm herangezogenen Entscheidung AZ 4 Ob 2256/96k (= NZ 1997, 368) auf den vorliegenden Fall Anwendung finden könnten", unbeachtlich. Auch der Revisionswerber vermag keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzuzeigen, vielmehr geht er unzulässigerweise davon aus, dass es dem dritten Testamentszeugen nicht bewusst gewesen sei, einer Testamentserrichtung beizuwohnen, und dass es dem Erblasser am Testierwillen gemangelt habe.

Die Revision ist demnach zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden.

Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung nicht hingewiesen. Deshalb hat sie die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen (§§ 40, 50 ZPO).

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