OGH 3Ob231/04y

OGH3Ob231/04y20.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Sigrid Antonie S*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Klaus Peter S*****, vertreten durch Dr. Charlotte Böhm, Mag. Marina Breitenecker, Dr. Christine Kolbitsch und Dr. Heinrich Vana, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwalt in Wien, wegen einstweiliger Verfügung (§ 382e EO), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 2. Juni 2004, GZ 43 R 306/04z, 307/04x-52, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 28. Juli 2004, AZ 43 R 307/04z, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 7. April 2004, GZ 3 C 11/03f-46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdete Partei ist schuldig, ihrem Gegner die mit 399,74 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin 66,62 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Ehegatten. Ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Der Beklagte und Gegner der gefährdeten Partei (im Folgenden nur Beklagter) ist verfügungsberechtigter Hauptmieter eines Reihenhauses in Wien, das als Ehewohnung diente. Der Beklagte trug während aufrechter Lebensgemeinschaft stets sämtliche Kosten für die Ehewohnung. Aufgrund einer einstweiligen Verfügung (EV) gemäß § 382e EO ist ihm jede Verfügung über die Ehewohnung verboten. Die Ehewohnung wird derzeit nur von der Klägerin und gefährdeten Partei (im Folgenden nur Klägerin) und den beiden minderjährigen Kindern der Streitteile zur Befriedigung deren dringenden Wohnbedürfnisses bewohnt, weil der Beklagte die Ehewohnung aufgrund einer rechtskräftigen EV gemäß § 382b EO (ON 31) bis zur rechtskräftigen Beendigung des Scheidungsverfahrens nicht mehr betreten darf. Nach seiner Wegweisung aus der Ehewohnung und deren Umgebung widerrief er den Dauerauftrag zur Bezahlung der Miete; die rückständigen Raten für Februar und März 2004 bezahlte er nach Mahnung durch die Vermieterin.

Mit Sicherungsantrag vom 2. März 2004 beantragte die Klägerin, den Beklagten gemäß § 382e EO zur Zahlung der rückständigen und der künftig fälligen Kosten von Miete incl. Betriebskosten, Gas und Strom zu verpflichten. Es bestehe die Gefahr des Verlusts der Ehewohnung aus zu befürchtender mutwilliger Schädigungsabsicht des Beklagten.

Der Beklagte wendete ein, er habe die Miete vor Antragstellung bezahlt, ein Zahlungsrückstand habe ebenso wenig wie eine Schädigungsabsicht bestanden. Es bestehe keine Gefahr für einen Verlust der Wohnung. Die Verpflichtung zur Zahlung der Gas- und Stromkosten sei vom Sicherungsanspruch nach § 382e EO nicht gedeckt, weil sich dieser ausschließlich auf den Erhalt der Wohnung beziehe.

Das Erstgericht verhielt den Beklagten zur Zahlung der Miete inklusive Betriebskosten für die Ehewohnung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtfertigungsklage und wies das Mehrbegehren, den Beklagten auch zur Zahlung der Strom- und Gaskosten zu verpflichten, mit der Begründung ab, § 382e EO umfasse ausschließlich den Wohnungserhaltungsanspruch nach § 97 ABGB.

Das Rekursgericht bestätigte über Rekurs der Klägerin die erstinstanzliche Entscheidung, dessen Rechtsansicht billigend, dass die EV nach § 382e EO zur Sicherung des Wohnungserhaltungsanspruchs des § 97 ABGB diene. Aus § 97 ABGB ergebe sich, dass grundsätzlich der wohnungsbedürftige Ehegatte gegen den Verfügungsberechtigten einen Unterlassungs- allenfalls auch einen Leistungsanspruch habe, der etwa auf positives Tun durch Weiterzahlung von Darlehensrückzahlungen und Fixkosten, sofern es sich nicht um verbrauchsabhängige Betriebskosten handle, gerichtet sein könne. Es sei allerdings nicht zu rechtfertigen, dem Beklagten auch die (Wohnungs)Betriebskosten wie Strom und Gas auch nur anteilsmäßig anzulasten, weil er die Wohnung nicht mehr benütze. Diese Kosten seien vielmehr von der Klägerin und den Kindern der Streitteile, die in der Wohnung verblieben seien, zu tragen.

Der von der zweiten Instanz nachträglich - mit der Begründung, es fehle Rsp des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob der Gegner der gefährdeten Partei mit EV nach § 382e EO auch zur Bezahlung der für die Benützbarkeit der Wohnung erforderlichen Kosten der Beleuchtbarkeit und Beheizbarkeit verpflichtet werden könne - im Verfahren nach § 528 Abs 2a ZPO zugelassene Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Durch das EheRÄG 1999 BGBl I 125/1999 schuf der Gesetzgeber zur Sicherung des Anspruchs nach § 97 ABGB eine besondere gesetzliche Regelung, nämlich den mit 1. Jänner 2000 in Kraft getretenen § 382e EO. Diese Bestimmung umfasst sowohl Ansprüche eines Ehegatten auf Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses als auch Ansprüche wegen Verletzung dieses Wohnungserhaltungsanspruchs. Einhelligkeit besteht in der Lehre und Rsp darüber, dass es sich um eine anspruchsgebundene EV (3 Ob 21/01m = SZ 74/51 = EvBl 2001/166 u.a.; Sailer in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 382e Rz 7; Zechner, Sicherungsexekution und Einstweilige Verfügung, § 382e EO Rz 1). Der zu sichernde Anspruch nach § 97 ABGB gewährt dem Ehegatten, der ein dringendes Wohnbedürfnis hat, gegenüber dem verfügungsberechtigten Ehegatten den Anspruch, dass dieser alles unterlasse und vorkehre, damit der auf die Wohnung angewiesene Ehegatte diese nicht verliere. Es handelt sich um einen Anspruch auf Erhaltung der Wohnmöglichkeit des wohnungsbedürftigen Ehegatten gegen den anderen Ehegatten, der den wohnungsbedürftigen Ehegatten vor einer Räumungsklage schützen soll (Stabentheiner in Rummel3, § 97 ABGB Rz 2). Der verfügungsberechtigte Ehegatte darf nicht derart über die Wohnung verfügen, dass sie dem bedürftigen Ehegatten ganz oder teilweise entzogen wird. Als eine solche Entziehung kommt die Beendigung des der Wohnungsbenützung zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses in Betracht, wie etwa die Aufkündigung eines Mietverhältnisses, der Verkauf oder die Belastung des Wohnobjekts, aber auch rein tatsächliches Verhalten, wie etwa die Behinderung des Zutritts der Wohnung durch Aussperren oder Anwendung körperlicher Gewalt (Stabentheiner aaO § 97 ABGB Rz 2a, 3a; Giefing, Aspekte des ehelichen Wohnens [1998] 123). Der Anspruch nach § 97 ABGB beinhaltet nicht nur Unterlassungs-, sondern auch konkrete Leistungsansprüche auf Verwirklichung der für die Wohnungserhaltung erforderlichen Vorkehrungen einschließlich Wiederherstellung (Stabentheiner aaO § 97 ABGB Rz 4 und 4a mit Beispielen). Unter derartige Ansprüche fällt etwa der Anspruch auf Erhebung von Einwendungen gegen die Aufkündigung des Mietvertrags oder auf Erfüllung zweckdienlicher Geldansprüche wie etwa Annuitäten und Zinsen eines Wohnungskredits oder Gemeindeabgaben, die Zahlung des Mietzinses an den Bestandgeber oder der noch offenen Leistungen an die Wohnungseigentümergemeinschaft (1 Ob 368/98y = JBl 1999, 72 = EvBl 1999/136 = RZ 1999/61; 9 Ob 226/02d = EvBl 2003/80, je mwN u.a.; Sailer aaO § 382e Rz 7; Stabentheiner aaO § 97 ABGB Rz 4; Zechner aaO § 382e EO Rz 1; Giefing aaO 121; Schwimann in Schwimann2 § 97 ABGB Rz 8).

Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 97 erster Satz ABGB (arg. "damit er diese [die Wohnung] nicht verliere") fallen unter den Sicherungsanspruch des § 382e EO nur die zur Beschaffung und Erhaltung der Ehewohnung erbrachten Aufwendungen, nicht aber auch Aufwendungen wie Kosten für Strom, Heizung etc. Es ist demnach notwendig, nach § 382e EO sicherungsfähige Leistungen, deren Unterbleiben einen Verlust der Wohnung zur Folge haben kann, von solchen Leistungen, bei denen ein derartiger Verlust nicht droht, zu unterscheiden. So kann die Nichtzahlung des Mietzinses zur Kündigung des Mietverhältnisses führen, bei Nichtzahlung der Kosten für Strom, Gas etc. ist dies jedoch nicht der Fall. Inhalt des Anspruchs nach § 97 ABGB ist somit nach dessen Wortlaut der Erhalt der Wohnung an sich und nicht auch der Erhalt deren Benützbarkeit zu Wohnzwecken, sodass der Gegner der gefährdeten Partei mit EV nach § 382e EO nur zur Bezahlung der zur Abwehr des Verlustes der Ehewohnung erforderlichen Wohnungserhaltungskosten, nicht jedoch auch der Wohnungsbenützungskosten, wie im vorliegenden Fall der Energiekosten für Beleuchtung und Beheizung der Wohnung verpflichtet werden kann. Bereits in der E 1 Ob 551/91 = RZ 1992/66 (und der folgenden Rsp; RIS-Justiz RS0009551) wurde ausgesprochen, dass nur die zur Beschaffung und zur Erhaltung der Ehewohnung erbrachten Aufwendungen des verfügungsberechtigten Ehegatten ausschließlich dem durch § 97 ABGB in dieser Weise konkret geordneten familienrechtlichen Verhältnis zwischen den Ehegatten zuzurechnen seien; Aufwendungen, die lediglich deshalb erbracht würden, um die von den Unterhaltsberechtigten (mit-)benützte Wohnung in benützungsfähigem Zustand zu erhalten (z.B. Kosten für Strom, Heizung und ähnliches), seien als Naturalunterhaltsleistungen zu beurteilen, soweit damit nicht der andere Ehegatte infolge von Zahlungsrückständen doch wieder der Gefahr ausgesetzt wird, die Wohnung zu verlieren. Letzteres wird hier von der Klägerin nicht einmal behauptet.

Auch die Materialien (RV, 1653 BlgNR 20. GP, 33 ff) sagen nichts anderes und haben keine Änderung der Regelung des § 97 ABGB herbeigeführt.

In der E 1 Ob 102/01h = EFSlg 98.723 wurde zwar ausgesprochen, der Anspruch nach § 97 ABGB iVm § 382e EO diene zur Befriedigung des angemessenen Wohnbedürfnisses der Klägerin einschließlich der weitgehenden Aufrechterhaltung jenes Wohnkomforts, der den ehelichen Lebensverhältnissen vor der Beziehungskrise der Streitteile entsprochen habe. Das schließe die Möglichkeit zur Aufbewahrung der näher bezeichneten Fahrnisse im Objekt top 17 als Teil der ehelichen Wohnung ein, um für die Befriedigung anderer Wohnbedürfnisse in der Wohnung top 16 Platz zu schaffen. Es ging somit beim angesprochenen Wohnkomfort in dieser Entscheidung um die Frage, welche Räume zur Ehewohnung gehören und nicht um Energiekosten. Diese Kosten sind, wie bereits dargestellt, im Rahmen eines allfälligen Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen.

Zusammengefasst ergibt sich, dass der Anspruch nach § 97 ABGB iVm § 382e EO nicht die Bezahlung der Kosten für Strom und Gas einer Wohnung (in casu: Einfamilienhaus) umfasst. Der Revisionsrekurs gegen die zutreffende Beurteilung der zweiten Instanz muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 402, 78 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.

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