Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden Albin K***** (A) und Herbert P***** (B) des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A 1, B 1) sowie des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB aF (A 2, B 2) schuldig erkannt, weil
1) Albin K***** in der Zeit vom Sommer 2001 bis zum Oktober 2001 in Klagenfurt, Herbert P***** in der Zeit vom Sommer 2001 bis zum Februar 2002 in Drasendorf wiederholt an der am 7. August 1997 geborenen Sabrina K***** einen Oralverkehr durchgeführt und sie veranlasst hatte, an seinem Penis zu saugen, sowie
2) durch die zu Punkt 1 des Schuldspruchs beschriebenen Tathandlungen Albin K***** sein minderjähriges Kind, Herbert P***** das zeitweilig seiner Aufsicht unterstehende minderjährige Enkelkind seiner Lebensgefährtin unter Ausnützung seiner Stellung zur Unzucht missbraucht hatte.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen von beiden Angeklagten aus den Gründen der Z 2, 3, 4 und 5, vom Zweitangeklagten Herbert P***** überdies aus dem Grund der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.
Zu den Verfahrensrügen der beiden Angeklagten nach Z 2, 3:
Vorweg ist festzuhalten, dass sich die Beschwerdeführer nach der Aktenlage nicht gegen die Verlesung des Protokolls über die kontradiktorische Vernehmung der Sabrina K***** (ON 34) aussprachen, sondern dieser ausdrücklich zustimmten (S 338).
Die erfolgreiche Relevierung der Verlesung aus Z 2 scheitert daher schon am Erfordernis der Verwahrung hiegegen.
Hinsichtlich der Videoaufzeichnung über die kontradiktorische Vernehmung - gegen deren Vorführung sich der Verteidiger des Erstangeklagten ausgesprochen hat (S 329) - verabsäumt es dessen Beschwerde darzutun, aus welchem Grund angesichts der parteieneinverständlichen Verlesung des Protokolls über diese Vernehmung eine den selben Vorgang betreffende technische Wiedergabe von nachteiligem Einfluss iSd § 281 Abs 3 StPO sein konnte, und geht solcherart fehl (14 Os 142/98, ÖJZ-LSK 1999/95; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 743).
Es sei daher nur der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass die Beschwerdebehauptung, Sabrina K***** sei nicht über ihr Entschlagungsrecht belehrt worden, der Aktenlage widerspricht (S 212), wobei es bedeutungslos ist, ob diese Belehrung vom Untersuchungsrichter persönlich oder - in dessen Gegenwart - vom (kinder-)psychiatrischen Sachverständigen durchgeführt worden ist. Aus Z 3 ist der Einwand mangelnder Belehrung im Zuge einer im Vorverfahren durchgeführten Einvernahme unbeachtlich, weil er sich nicht auf einen Vorgang der Hauptverhandlung bezieht. Das Vorbringen, das Protokoll über die Vernehmung der Sabrina K***** sei rechtswidrig verlesen worden, weil sich diese niemals geweigert habe, in der Hauptverhandlung auszusagen, übersieht, dass die Verlesung nicht nach der Bestimmung der Z 2a, sondern nach jener der Z 4 des § 252 Abs 1 StPO - also mit Einverständnis der Prozessparteien - erfolgt ist (S 338). Zum Beschwerdeansatz, die Voraussetzungen für die Vorführung der Videoaufzeichnung über diese Vernehmung seien nicht gegeben gewesen, sei zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen zur Rüge aus Z 2 verwiesen. Mit dem - im Übrigen nicht aktenkonformen (s S 329, 336) - Einwand, die Videoaufzeichnung über die kontradiktorische Vernehmung sei "nicht im Rahmen des Beweisverfahrens" vorgeführt worden, und der Relevierung der Abweisung eines Beweisantrags werden aus Z 3 beachtliche Verfahrensmängel nicht einmal behauptet.
Zur übrigen Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten Albin K*****:
Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wies das Erstgericht den Antrag (S 336 f) auf "Beiziehung" von Sachverständigen aus den Sachgebieten der "Entwicklungspsychologie" und der "Aussagepsychologie" zum Beweis dafür, dass Sabrina K***** die vom Sachverständigen Univ. Prof. Dr. Max F***** vorgenommene Belehrung nicht verstehen konnte und dass deren den Erstangeklagten belastende Angaben auf nicht kindergerechte und suggestive Befragung durch den Sachverständigen zurückzuführen seien, zutreffend ab (S 337), weil sich der solcherart auf die Überprüfung des Sachverstandes Dris. F***** gerichtete Beweisantrag nicht an den Kriterien der §§ 125 f StPO orientierte (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 351).
Das ergänzende Beschwerdevorbringen hiezu hat auf sich zu beruhen, weil allein der Antrag den Gegenstand der Entscheidung des Gerichtshofes bildet und demnach auch der Oberste Gerichtshof dessen Berechtigung stets auf den Antragszeitpunkt bezogen überprüft (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).
Entgegen der Mängelrüge (Z 5) war das Erstgericht - dem Gebot zur gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) folgend - nicht verhalten, die Aussage der Zeugin MMag. Renate E*****, Sabrina K***** habe ihr gegenüber nicht geäußert (S 315 f), vom Erstangeklagten sexuell missbraucht worden zu sein, zu erörtern, weil diese den tatrichterlichen Konstatierungen keineswegs widerspricht.
Mit der Frage allfälliger Einflussnahmen auf Sabrina K***** setzt sich die angefochtene Entscheidung sehr wohl auseinander (US 12). Die inhaltliche Richtigkeit des im Vorverfahren vorgelegten Gedächnisprotokolls vom 17. Juli 2002 (ON 15) in Frage stellend wendet sich die Rüge nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die tatrichterliche Beweiswürdigung.
Korrespondierendes gilt für das Beschwerdebemühen, die belastenden Angaben der Sabrina K***** auf die Vernehmungstechnik des Sachverständigen zurückzuführen, wobei ergänzend festzuhalten ist, dass die - kontradiktorische - Befragung ohne Einwände der Parteien(-vertreter) durchgeführt worden ist (ON 34), und für die Kritik an der (im Übrigen nur unterstützend) beweiswürdigenden Heranziehung einer Aussagenpassage MMag. E*****s.
Soweit die Beschwerde die Erörterung der Depositionen des Zeugen Erich D***** zum Konflikt über das Besuchsrecht gegenüber Sabrina K***** vermisst, bezieht sie sich nicht auf entscheidende Tatsachen. Zur übrigen Nichtigkeitsbeschwerde des Zweitangeklagten Herbert P*****:
Die Verfahrensrüge (Z 4) geht schon im Ansatz fehl, weil ihr weder ein Antrag des Beschwerdeführers noch ein gegen seinen Widerspruch gefälltes Zwischenerkenntnis zugrunde liegt.
Das weitwendige Vorbringen der Mängelrüge (Z 5) erschöpft sich großteils darin, aus dem zeitlichen Ablauf des Hervorkommens der Tatvorwürfe sowie dem familiären Hintergrund auf rein spekulativer Basis eigene, urteilsfremde Schlüsse abzuleiten und bekämpft solcherart in - im Nichtigkeitsverfahren - unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Erstgerichts, ohne aus Z 5 relevante Verfahrensmängel auch nur zu behaupten.
Der Einwand, die angefochtene Entscheidung erörtere die bezüglich eines der Tatzeitpunkte den Depositionen der Sabrina K***** widersprechende Aussage der Zeugin Maria K***** (S 325 f) nicht, entfernt sich von der Aktenlage (US 13).
Die Tatsachenrüge (Z 5a) greift insgesamt in unzulässiger Weise die tatrichterliche Beweiswürdigung an, indem sie auf die Hypothesen der Mängelrüge verweist, die vom Erstgericht empirisch und logisch einwandfrei gewürdigte Aussage der Sabrina K***** durch isoliertes Herausgreifen einzelner Aussagedetails unter teilweise unrichtiger Wiedergabe des Aussageinhalts (so durch die Behauptung, die Zeugin habe ausgesagt, bei den Angeklagten nur im Halsbereich gesogen zu haben - s S 222) als unglaubwürdig darzustellen trachtet und auf subjektive Einschätzungen einzelner Zeugen verweist, und vermag solcherart keine (erheblichen) Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher als teils nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt (§ 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO), teils offenbar unbegründet (§ 285d Abs 1 Z 2 StPO) schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Berufungen kommt somit dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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