Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Verfahrens über seine Rechtsmittel zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthaltenden Urteil wurde Dkfm. DDr. Gerhard G***** der Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB aF (BB 1) und der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach § 209 StGB (BB 2) sowie des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (BB 3) schuldig erkannt.
Darnach hat er in Steeg (jeweils) im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Siegfried Z***** unmündige Personen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbraucht, und zwar zu nicht näher bekannten Zeitpunkten zwischen Sommer 1996 und Anfang Juli 1997
a) den am 23. Juli 1989 geborenen Daniel M***** wiederholt dadurch, daß er diesen am Geschlechtsteil betastete und dessen Penis in den Mund nahm bzw küßte, sowie
b) den am 29. April 1988 geborenen Stefan M***** dadurch, daß er in mindestens zwei Angriffen dessen Geschlechtsteil betastete, und
zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Sommer 1996
c) den am 14. Dezember 1982 geborenen Klaus Hubert Po***** sowie den am 9.Mai 1983 geborenen Stefan Pu***** dadurch, daß er bei Klaus Hubert Po***** dessen Glied masturbierte und einen Oralverkehr durchführte, während Siegfried Z***** gleichzeitig bei Stefan Pu***** einen Oralverkehr vornahm;
2. teils alleine, teils im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Siegfried Z***** mit nachangeführten Personen, die das 14., aber noch nicht das 18. Lebensjahr vollendet hatten, gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben, und zwar
a) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Frühjahr oder Sommer 1997 alleine mit dem am 31. August 1981 geborenen Manuel K***** dadurch, daß er auf dessen Geschlechtsteil griff und auch versuchte, dessen Hose hinunterzuziehen, und
b) zu nicht näher bekannten Zeitpunkten zwischen Herbst 1996 und Sommer 1997 im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit Siegfried Z***** mit dem am 29. Juli 1981 geborenen Michael F***** sowie dem am 12. Juni 1983 geborenen Wolfgang F***** dadurch, daß er bei Michael F***** dessen Geschlechtsteil betastete und einen Oralverkehr durchführte, während Siegfried Z***** gleichzeitig bei Wolfgang F***** einen Oralverkehr vornahm; sowie
3. zu nicht näher bekannten Zeitpunkten in den Jahren 1996 und 1997 wiederholt die genannten Stefan und Daniel M***** durch die Äußerungen, wenn sie etwas von den sexuellen Übergriffen erzählen, werden sie ins Heim kommen, mithin durch gefährliche Drohung, zur Abstandnahme von der Erzählung von diesen sexuellen Übergriffen genötigt.
Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5, 9 lit a, 10 und 11 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten versagt.
Rechtliche Beurteilung
Die Verfahrensrüge übersieht, daß der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag, Prof. Dr. Bernd S***** mit der (erneuten) gutächtlichen Beurteilung der Glaubwürdigkeit der minderjährigen Zeugen Daniel und Stefan M***** zu beauftragen, des konkreten - nicht durch Polemik zu ersetzenden - Hinweises auf dem Gutachten Dris. Maria R***** anhaftende Mängel im Sinne der §§ 125 f StPO bedurft hätte (vgl Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 133). Fragen danach, "wie sich die Aussagen seit der Entstehung des Verdachtes ... entwickelt haben" (S 304/IV; § 125 StPO), hat der Beschwerdeführer nicht gestellt. Zudem erweist sich die beantragte Gutachtenserstellung angesichts des in der Hauptverhandlung dazu erstatteten Vorbringens, es sei "heute nicht mehr feststellbar, ob und inwieweit die Aussagen der Kinder auf tatsächlich Erlebtes oder auf andere mit der Erinnerung an tatsächlich Erlebtes mittlerweile untrennbar verwobene suggestive Eindrücke zurückzuführen sind", als unzulässiger Erkundungsbeweis (Mayerhofer aaO E 88). Für das weitere Ziel des Antrages, methodische Mängel des Gutachtens Dris. R***** (erst) aufzuzeigen, gilt Gleiches (S 97/IV).
Inwieweit die ins Treffen geführten angeblichen Suggestivfragen an die Tatopfer Daniel und Stefan M***** seitens der intervenierenden Gendarmeriebeamten und deren kriminaltaktische Vorgangsweise die Qualifikation der genannten Sachverständigen in Frage stellen sollten, vermag die Beschwerde nicht substantiiert darzulegen.
Daß das Erstgericht diesen Kindern nicht in allen Punkten Überzeugungskraft zuerkannt, sondern in einem geringen Teil der Vorwürfe - dem Zweifelsgrundsatz folgend - zu einem Freispruch gelangte, stellt einen zulässigen Akt freier Beweiswürdigung dar und läßt keinerlei Rückschlüsse auf die Beurteilung der Richtigkeit der ohnedies von Unsicherheitsfaktoren ausgegangenen (S 285 ff/IV), als eindrucksvoll erachteten (US 24) Ausführungen der Sachverständigen zu.
Mit der in der Hauptverhandlung mangels Verlesung gar nicht vorgekommenen (vgl § 258 Abs 1 StPO) Stellungnahme des Prof. Dr. S***** mußte sich das Schöffengericht entgegen dem (insoweit der Sache nach aus Z 5 erstatteten) Vorbringen nicht befassen. Rechtsfragen, auf die sich das angebotene "Konvolut von Entscheidungen" bezieht (S 306/IV), sind aber nicht Gegenstand des Beweisverfahrens.
Warum die unterlassene Vernehmung eines "deutschen Sachverständigen" als Zeugen Gemeinschaftsrecht der EU ("die durch u.a. Art 59,60 lit d EGV garantierte Freizügigkeit des Dienstleistungsverkehrs") berühren und als Grundlage für ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH herangezogen werden sollte, wird ebensowenig nachvollziehbar dargelegt wie mehrfach behauptete Verletzungen der EMRK.
Was die Vorführung der Videoaufzeichnung über die kontradiktorische Vernehmung des minderjährigen Daniel M***** (ON 62) betrifft, verabsäumt es die Verfahrensrüge darzutun, weshalb angesichts der parteieneinverständlichen Verlesung des Protokolls über diese Vernehmung (S 311 f/IV) eine den selben Vorgang betreffende technische Wiedergabe von nachteiligem Einfluß im Sinne § 281 Abs 3 StPO sein konnte und geht solcherart fehl.
Der Mängelrüge (Z 5) zuwider war das Erstgericht nicht verhalten, die Aussagen der Zeugen Thomas O***** (S 270 ff/IV) und Marko K***** (S 419 ff/II) im Urteil näher zu erörtern, weil widersprechende Angaben über die vom Schuldspruch erfaßten Mißbrauchshandlungen nicht zu ersehen sind.
Mit dem Hinweis, daß im Urteilstenor zum Schuldspruch BB 1 a und b überflüssig die (nur zum Faktum BB 1 c aktuelle) Mittäterschaft mit dem abgesondert verfolgten Siegfried Z***** beschrieben wurde (US 3), obwohl - wie auch im Hauptverhandlungsprotokoll zutreffend angeführt (S 316 f/IV) - ein diesbezüglicher Teilfreispruch erging (US 8), wird kein Nichtigkeitsgrund geltend gemacht.
Im übrigen vermag die Beschwerde keine offenbaren Unzulänglichkeiten der Urteilsbegründung in der Bedeutung des relevierten Nichtigkeitsgrundes prozeßordnungsgemäß aufzuzeigen, sondern bekämpft unzulässig die Beweiswürdigung der Tatrichter, die alle zur Verfügung stehenden Sach- und Zeugenbeweise in ihrem inneren Zusammenhang unter Mitberücksichtigung des persönlich gewonnenen Eindrucks kritisch geprüft (§ 258 Abs 2 StPO) und mit logischer und empirisch einwandfreier Begründung zureichend (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) dargestellt haben, aus welchen Gründen sie der leugnenden Verantwortung des Angeklagten nicht zu folgen vermochten (US 21 ff).
Indem der Beschwerdeführer unter punktueller Bezugnahme auf einzelne, vom Erstgericht ohnedies berücksichtigte Beweisdetails (wie seinen Auslandsaufenthalt im Sommer 1996; US 25 f) bzw auf unerhebliche Umstände (wie die exakte Eingrenzung der jeweiligen Tatzeiten) den erstrichterlichen Überlegungen für ihn günstige Hypothesen entgegenstellt oder die aus der Gesamtheit der Verfahrensergebnisse auf die Erfüllung der inneren Tatbestandserfordernisse - insbesondere in bezug auf die nach den Urteilsannahmen vom bedingten Vorsatz umfaßte Unmündigkeit der Opfer zum Faktum BB 1 - abgeleiteten Schlußfolgerungen (US 14) unsubstantiiert in Frage stellt, zeigt er ebenfalls keinen formalen Begründungsfehler auf.
Hinlängliche Deckung finden ferner die bekämpften Feststellungen zum Vorwurf der Nötigung der Brüder Stefan und Daniel M***** zur Unterlassung der Offenbarung der zu ihrem Nachteil erfolgten sexuellen Übergriffe des Angeklagten (BB 3), haben die Tatrichter diese Konstatierungen doch aktengetreu auf für glaubhaft erachtete Zeugenaussagen (Darstellung der beiden Tatopfer und Bekundungen der - mittelbar betroffenen - Mutter Elisabeth M*****) gestützt (US 28 f). Mit den relevierten Widersprüchen über den konkreten Wortlaut der Drohung hat sich das Erstgericht ohnedies - im Sinne des Gebotes zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe - auseinandergesetzt und sich zugunsten des Beschwerdeführers für die ihn (gegenüber der Androhung - auch - eines Gefängnisaufenthaltes) weniger belastende Variante der Inaussichtstellung der Heimunterbringung entschieden.
Indem der Angeklagte in der Rechtsrüge (Z 9 lit a) die zum Schuldspruch BB 3 inkriminierte Androhung einer Freiheitsentziehung durch die Ankündigung, im Fall der Offenbarung der Mißbrauchshandlungen würden die Kinder "ins Heim kommen", mit der Androhung einer bevorstehenden Anhaltung in Haft gleichsetzt, vergleicht er prozeßordnungswidrig den maßgeblichen Urteilssachverhalt nicht mit dem darauf angewendeten Gesetz, sondern bekämpft unter Rückgriff auf vorgebliche Verfahrensresultate (unter dem Aspekt materiellrechtlicher Nichtigkeit in unzulässiger Weise) die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen über Sinn und Tragweite der Äußerung (vgl Leukauf/Steininger Komm3 § 74 RN 23; 11 Os 12/77).
Die Subsumtionsrüge (Z 10) zum Schuldspruch BB 2 a entbehrt ebenfalls einer Ausrichtung am Gesetz, weil sie (erneut) nicht den gesamten Urteilssachverhalt berücksichtigt, sondern urteilsfremd von einer bloß "kurzen" (flüchtigen) Betastung des Geschlechtsteils des Jugendlichen Manuel K***** ausgeht und unter Vernachlässigung des weiters festgestellten Tatsachensubstrats (Versuch, dem Opfer die Hose hinunterzuziehen; eindeutig sexuell motivierte Tendenz der Tathandlung; Intensität der übrigen gleichartigen Übergriffe nach § 209 Abs 1 StGB) die Richtigkeit des (fallspezifisch zutreffend angenommenen) Deliktsstadiums der Tatbestandsvollendung bestreitet.
Die Strafzumessungsrüge (Z 11) vermag eine Gesetzwidrigkeit des Sanktionsausspruches in Nichtigkeit bewirkender Weise gleichfalls nicht aufzuzeigen, sondern führt lediglich Ermessensfehler und damit Berufungsgründe (nämlich Milderungsumstände sowie eine angeblich fehlerhafte Entscheidung über die - vom Erstgericht keineswegs grundsätzlich als unanwendbar angesehene - teilweise bedingte Strafnachsicht) ins Treffen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Linz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung ist in § 390a StPO begründet.
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