OGH 2Ob217/04g

OGH2Ob217/04g4.10.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache des am 29. September 1966 geborenen Reinhold D*****, vertreten durch die Sachwalterin Gerlinde K*****, diese vertreten durch Dr. Franz Hofbauer, Rechtsanwalt in Ybbs, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen gegen den Beschluss des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgericht vom 8. Juli 2004, GZ 10 R 59/04k-39, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Ybbs vom 7. Juni 2004, GZ 8 P 85/03k-34, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Klagsführung des Betroffenen gegen seinen Vater Franz D***** auf Unterhalt in Form einer Stufenklage gemäß Art XLII EGZPO genehmigt wird.

Text

Begründung

Für den Betroffenen wurde mit Beschluss vom 14. 10. 1985 ein Sachwalter zur Besorgung aller Angelegenheiten bestellt. Im Vergleich vom 24. 6. 1988 verpflichtete sich sein Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 2.250. Dieser Vergleich wurde gerichtlich genehmigt.

Am 4. 6. 2004 beantragte die Sachwalterin die sachwalterschaftsbehördliche Genehmigung zur Einbringung einer Stufenklage gemäß Art XLII ZPO gegen den Vater des Betroffenen. In der Klage wird vorgebracht, es bestehe der "Verdacht", dass dieser nach Beendigung seines Dienstverhältnisses eine zusätzliche Firmenpension beziehe bzw eine Abfertigung erhalten habe. Er sei aber trotz mehrfacher Aufforderung nicht bereit, über den Bezug dieser zusätzlichen Einnahmequellen Aufklärung zu leisten. Es wird begehrt, den Vater des Betroffenen zur Vorlage eines Verzeichnisses seines Vermögens zu verurteilen, worin sämtliche Einkünfte, insbesondere Pensions- oder diesen gleichgestellte Firmenpensionsansprüche, auch bereits abgegoltene oder erst künftig gewährte Ansprüche, Abfertigungsansprüche und sämtliche Bezugsstellen, insbesondere ehemalige Dienstgeber und die daraus resultierenden Ansprüche bekanntgegeben werden; er solle einen Eid dahin leisten, dass seine Angaben richtig und vollständig sind. Im Punkt 2 des Urteilsbegehrens wird verlangt, den Beklagten für schuldig zu erkennen, ab Abrechnung bzw Offenlegung sämtlicher Einkünfte einen monatlichen Unterhalt für den Kläger im gesetzlichen und dann zu bestimmenden Ausmaß zu bezahlen.

Das Erstgericht wies den Antrag auf sachwalterschaftsgerichtliche Genehmigung der Klagsführung ab.

Das Rekursgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und sprach aus, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig.

In rechtlicher Hinsicht führte es aus, nach ständiger Rechtsprechung begründe die aus dem Gesetz abgeleitete Unterhaltsverpflichtung keine Rechnungslegungspflicht.

Den ordentlichen Revisionsrekurs erachtete das Rekursgericht für zulässig, weil in der Lehre die Entscheidung 1 Ob 2370/96b als Grundlage für einen erweiterten Informationsanspruch ausgelegt werde.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs der Sachwalterin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Klage sachwalterschaftsbehördlich genehmigt werde.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Rechtsmittel ist zulässig und auch berechtigt.

Die Sachwalterin macht in ihrem Rechtsmittel geltend, es bestehe zwischen dem Betroffenen und seinem Vater eine rechtliche Sonderbeziehung, der Unterhaltsanspruch bestehe jedenfalls dem Grunde nach zu Recht. Unter Berücksichtigung der schweren und unheilbaren Behinderung müsse die Interessenabwägung eindeutig zugunsten des Betroffenen ausfallen, diesem komme besondere Schutzwürdigkeit zu. Es fehle jegliche Einsichtsmöglichkeit in die Gehaltssituation des Vaters.

Hiezu wurde erwogen:

Der Rechnungslegungsanspruch gemäß Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO steht jedem zu, der gegen einen ihm aus materiellrechtlichen Gründen zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, zu erheben vermag, wenn dem Verpflichteten die Auskunftserteilung nach redlicher Verkehrsauffassung zumutbar ist (SZ 65/165). Eine derartige Rechnungslegungspflicht setzt jedoch immer einen darauf gerichteten Anspruch nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts voraus. Der nach der Rechtsprechung keinesfalls ausdehnend auszulegende erste Anwendungsfall der genannten Bestimmung begründet keinen neuen materiellrechtlichen Anspruch auf Vermögensangabe, Rechnungslegung oder Auskunftserteilung; er setzt vielmehr voraus, dass eine solche Verpflichtung schon nach bürgerlichem Recht besteht (RIS-Justiz RS0034986). In den Entscheidungen SZ 3/65 und SZ 30/54 wurde die Ansicht vertreten, die Unterhaltsleistungsverpflichtung begründe keine Rechnungslegungs- oder Eidespflicht.

In der Entscheidung 1 Ob 2370/96d (= RdW 1997, 726 = ZIK 1997, 100) wurde ausgeführt, dass der Masseverwalter nach Konkurseröffnung einen Anspruch auf Rechnungslegung nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts geltend machen könne, wenn bestimmte Rechtshandlungen bereits erfolgreich angefochten worden oder der Anfechtungsanspruch dem Grunde nach zu Recht bestehe. Aus dieser Entscheidung leitet Konecny (in Fasching/Konecny² II/1 Art XLII EGZPO Rz 31) ab, dass der Oberste Gerichtshof bereits vom Erfordernis einer ausdrücklichen Regelung der Rechnungslegungspflicht abgegangen sei. Er vertritt die Meinung, es sei allein eine Frage der Auslegung der privatrechtlichen Vorschriften, ob diese auch ohne ausdrückliche Anordnung Grundlage für ein Vorgehen gemäß Art XLII ZPO seien. Im Sinne der zitierten Entscheidung setze eine erweiterte Aufklärung ein Sonderrechtsverhältnis voraus, das unter zwei Voraussetzungen gegeben sei: 1. müsse der Klagsanspruch dem Grunde nach zu Recht bestehen, 2. müsse eine Interessenabwägung zugunsten des Klägers ausfallen (Konecny, aaO, Art XLII EGZPO Rz 33).

Ob dieser Lehrmeinung generell zu folgen ist und ob die zitierte Entscheidung eine Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung bedeutet, kann hier dahingestellt bleiben. Entgegen der von den Vorinstanzen vertretenen Ansicht kann im vorliegenden Fall die Berechtigung eines Rechnungslegungsbegehrens nicht schlichtweg verneint werden.

Nach ständiger Rechtsprechung ist über die gesetzlichen Unterhaltsansprüche minderjähriger Kinder derzeit im außerstreitigen Verfahren, über die volljähriger Kinder hingegen im streitigen Verfahren zu entscheiden (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht³, 103 mwN). Auch die Unterhaltsansprüche unter Sachwalterschaft stehender volljähriger Kinder sind im Streitweg geltend zu machen (SZ 50/133). Im außerstreitigen Unterhaltsfestsetzungsverfahren entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass der Unterhaltspflichtige bei der Feststellung seiner Einkommensverhältnisse mitzuwirken hat, widrigens sein Einkommen nach freier Würdigung geschätzt werden kann (RIS-Justiz RS0047432). Diese Rechtsprechung beruht auf dem für das außerstreitige Verfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz, wonach das Gericht "alle Umstände und Verhältnisse, welche auf die richterliche Verfügung Einfluss haben, von Amts wegen zu untersuchen hat" (§ 2 Abs 2 Z 5 AußStrG). Wenngleich auch im streitigen Verfahren keine reine Verhandlungsmaxime gilt, so ist doch der Untersuchungsgrundsatz abgeschwächt (Rechberger/Simotta6, Grundriss des österr Zivilprozessrechts, Rz 269), und besteht keine Verpflichtung des Beklagten, aktiv an der Feststellung seiner Einkommensverhältnisse mitzuwirken. Es würde nun einen Wertungswiderspruch darstellen, wenn nur bei minderjährigen Kindern eine Mitwirkungspflicht des Unterhaltspflichtigen an der Feststellung seiner Einkommensverhältnisse bestünde, nicht aber bei großjährigen. Dieser kann nur dadurch beseitigt werden, dass man den großjährigen Kindern die Möglichkeit einräumt, eine Stufenklage nach Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO einzubringen. Dabei ist aber vor der Entscheidung über das Rechnungslegungsbegehren zu prüfen, ob der geltend gemachte Anspruch dem Grunde nach überhaupt zu Recht besteht. Erst wenn dieser bejaht werden kann, ist im Rahmen der Stufenklage dem Rechnungslegungsbegehren durch Teilurteil stattzugeben (1 Ob 2370/96b).

Daraus folgt, dass die Vorinstanzen zu Unrecht der vorliegenden Stufenklage die pflegschaftsbehördliche Genehmigung versagt haben.

Stichworte