OGH 6Ob87/04v

OGH6Ob87/04v23.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Ehmayr als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber, Dr. Prückner, Dr. Schenk und Dr. Schramm als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts St. Pölten zu FN ***** eingetragenen Franz W***** Gesellschaft mbH in Liquidation mit dem Sitz in R***** über den Revisionsrekurs des Nachtragsliquidators Franz W*****, vertreten durch Dr. Walter Anzböck und Dr. Joachim Brait, Rechtsanwälte in Tulln, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 18. Februar 2004, GZ 28 R 389/03m-6, mit dem der Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 7. Oktober 2003, GZ 18 Fr 2226/03v-2, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Im Firmenbuch war seit 20. 9. 1979 die Franz W***** Gesellschaft mbH eingetragen. Mit Generalversammlungsbeschluss vom 29. 6. 1999 wurde die Auflösung der Gesellschaft beschlossen und der bisherige Geschäftsführer Franz W***** zum Liquidator bestellt. Auf dessen Antrag wurde die Gesellschaft infolge beendeter Liquidation am 7. 8. 2001 im Firmenbuch gelöscht. Am 10. 12. 2002 beantragte Franz W***** die Einleitung der Nachtragsliquidation, die Wiedereintragung der bereits gelöschten Gesellschaft und die Eintragung seiner eigenen Bestellung zum Nachtragsliquidator im Firmenbuch. Es sei nachträgliches Vermögen in Form einer noch offenen Provisionsforderung in der Höhe von rund 10.000 bis 20.000 EUR hervorgekommen. Mit Beschluss vom 13. 2. 2003 bestellte das Erstgericht Franz W***** gemäß § 93 Abs 5 GmbH zum Nachtragsliquidator. Mit Beschlüssen vom 11. und 14. 4. 2003 wurden antragsgemäß die Wiedereintragung der Gesellschaft in Liquidation und des Nachtragsliquidators zur Durchführung der Nachtragsliquidation bewilligt.

Am 26. 8. 2003 beantragte Franz W***** die Eintragung der Fortsetzung der Gesellschaft aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses vom 31. 7. 2003, die Löschung des Firmenzusatzes "in Liqu.", die Beendigung der Nachtragsliquidation, seine Löschung als Liquidator sowie seine Eintragung als selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer. Aufgrund der Tätigkeit des Liquidators seien die Geschäfte zwischen der Provisionsgeberin und einem dritten Unternehmen derart intensiviert worden, dass laufende Einnahmen aus Provisionsansprüchen zu erwarten seien. Die Provisionsvereinbarung ende zwar grundsätzlich am 25. 1. 2004, die Provisionsgeberin sei aber bereit, weiterhin Provisionen zu zahlen, sofern der Liquidator die Geschäftsbeziehungen weiter intensiviere. Die Gesellschaft sei in der Lage, das Unternehmen praktisch ohne Aufwendungen durchaus positiv zu führen. Ein im Zuge der Nachtragsliquidation vorhandener Liquidationsüberschuss sei an die Gesellschafter noch nicht verteilt worden; "respektive" würden sich diese bereit erklären, einen allfälligen Überschuss wieder an die Gesellschaft zurückzuzahlen. Die Fortsetzung der Gesellschaft sei in analoger Anwendung aktienrechtlicher Vorschriften zulässig.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Eine Fortsetzung der Gesellschaft nach Verteilung des Gesellschaftsvermögens - auch nach Wiedereintragung und Durchführung einer Nachtragsliquidation - sei ausgeschlossen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss. In der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 6 Ob 330/98t (NZ 2000, 90 = RdW 1999, 594 = wbl 1999, 471) habe der Oberste Gerichtshof mit ausführlicher Begründung ausgesprochen, dass die Fortsetzung einer gemäß § 2 ALöschG (§ 40 FBG) gelöschten Gesellschaft nicht möglich sei. Der vorliegende Fall unterscheide sich zwar dadurch, dass hier die Gesellschaft nicht infolge einer amtswegigen Löschung wegen Vermögenslosigkeit, sondern durch Gesellschafterbeschluss aufgelöst worden sei und - daraus folgend - dadurch, dass hier die Gesellschaft nicht gemäß § 2 ALöschG (§ 40 FBG), sondern infolge beendeter Liquidation gemäß § 93 GmbHG gelöscht worden sei. Die wesentlichen Gründe, die in der zitierten Entscheidung für die Unmöglichkeit der Fortsetzung einer amtswegig gelöschten Gesellschaft ausgeführt worden seien, hätten aber auch im Fall einer infolge beendeter Liquidation auf eigenen Antrag gelöschten Gesellschaft Geltung. Auch in diesem Fall habe die Gesellschaft im Löschungsverfahren Parteistellung und rechtliches Gehör gehabt. Die Gesellschaft habe nicht nur ihrer eigenen Löschung nicht widersprochen, sondern diese sogar beantragt. Auch im Fall der Löschung nach § 93 GmbHG bestehe die Vermutung der Vermögenslosigkeit und das Vertrauen der Außenstehenden auf diesen Umstand. In § 215 AktG sei keine Fortsetzungsmöglichkeit nach Löschung infolge beendeter Liquidation angeordnet. Die ordnungsgemäß durchgeführte Liquidation setze gemäß § 91 Abs 3 GmbHG die Befriedigung der Gläubiger und sodann die Verteilung des verbliebenen Gesellschaftsvermögens an die Gesellschafter voraus. § 215 Abs 1 AktG schließe gerade die Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft aus, wenn bereits mit der Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre begonnen worden sei. Hieran ändere auch eine Refundierung des erhaltenen Liquidationserlöses nichts. Es sei selbst nach dem Rekursvorbringen nicht ausgeschlossen, dass im Zuge der Liquidation Gesellschaftsvermögen an die Gesellschafter verteilt worden sei. Dass das Erstgericht die Gesellschaft (lediglich zwecks Ersichtlichmachung der Nachtragsliquidation) wieder in das Firmenbuch eingetragen habe, wozu es nicht verpflichtet gewesen wäre, stehe dieser Ansicht nicht entgegen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil das Rekursgericht der zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs gefolgt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist jedoch zulässig. In der vom Rekursgericht zitierten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs wurde die Möglichkeit der Fortsetzung der Gesellschaft ausdrücklich für den - hier nicht vorliegenden - Fall verneint, dass die Gesellschaft gemäß § 2 Abs 1 ALöschG (§ 40 FBG) gelöscht wurde. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein gemäß § 84 Abs 1 Z 2 GmbHG gefasster Auflösungsbeschluss rückgängig gemacht werden kann, wurde nicht beantwortet.

Die Antrags- und Rechtsmittellegitimation des Nachtragsliquidators und von den (ehemaligen) Gesellschaftern bestellten Geschäftsführers auch im eigenen Namen ist zu bejahen, weil es um eine Eintragung geht, die er in persönlicher Verpflichtung anzumelden hat (6 Ob 330/98t).

Sein Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 215 Abs 1 AktG kann eine durch Zeitablauf oder durch Beschluss der Hauptversammlung aufgelöste Aktiengesellschaft die Fortsetzung der Gesellschaft beschließen, solange noch nicht mit der Verteilung des Vermögens unter die Aktionäre begonnen ist. Gleiches gilt gemäß Abs 2 für bestimmte Formen der Auflösung der Aktiengesellschaft durch Konkurseröffnung. Für die GmbH fehlen Rechtsvorschriften über eine Fortsetzung. Nach herrschender Ansicht ist § 215 AktG analog auf die GmbH anwendbar. Eine aufgelöste Gesellschaft kann aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses grundsätzlich fortgesetzt werden (vgl RIS-Justiz RS0059934). Die Fortsetzung wird solange als zulässig angesehen, als die GmbH noch nicht beendet ist und noch nicht mit der Verteilung des Gesellschaftsvermögens begonnen wurde (6 Ob 330/98t; Koppensteiner, GmbH-Gesetz² § 84 Rz 29, 34; Umfahrer, Die GmbH5 Rz 766 mwN; Gellis/Feil, Kommentar zum GmbHG5 § 84 GmbHG Rz 10; Reich-Rohrwig, GmbH-Recht [1983] 688 f; Kastner/Doralt/Nowotny5 447; Geist in Jabornegg/Strasser Kommentar zum AktG4 § 215 Rz 4, 6, 7). Auch im deutschen Schrifttum ist heute unstrittig, dass eine bereits aufgelöste, aber noch nicht voll beendete Gesellschaft als werbende Gesellschaft fortgesetzt werden kann (Karsten Schmidt in Scholz, Kommentar zum GmbHG9 § 60 Rz 79 ff, 82 mwN; Weitprecht in Münchener Handbuch des Gesellschaftsrechts § 64 GmbHG Rz 27; Rasner in Rowedder GmbHG4 § 60 Rz 66 mwN; Ulmer in Hachenburg GmbHG8 § 60 Rz 85). Dass mit dem Beginn der Vermögensverteilung die Möglichkeit der Fortsetzung der Gesellschaft endet, wird damit begründet, dass ansonsten jegliche Kontrolle des Neubeginns durch das Registergericht fehle (Ulmer aaO mwN); dass die Gesellschafter mit dem Beschluss, das Gesellschaftsvermögen unter sich zu verteilen, einen definitiven Schritt zur Beendigung der Gesellschaft getan hätten; dass von diesem Zeitpunkt an für die Gläubiger nicht mehr die (relative) Sicherheit gegeben sei, dass sie in rechtlich geordneter Weise befriedigt werden könnten und dass zumindest die Gesellschafter sich nicht vorab aus dem Gesellschaftsvermögen bedienten (Rasner aaO) und dass das Fortsetzungshindernis der Vermögensverteilung das Verbot der Einlagenrückgewähr gegen eine Umgehungsmöglichkeit absichere und wie dieses dem Schutz der Gläubiger diene (Hüffer in Münch Komm zAktG² § 274 Rz 21 mwN). Deshalb hätten die Geschäftsführer bei der Anmeldung der Fortsetzung einer aufgelösten Gesellschaft gegenüber dem Firmenbuchgericht zu erklären, dass mit der Verteilung des Vermögens noch nicht begonnen worden sei (Rasner aaO).

Es wird auch die Ansicht vertreten, dass eine Fortsetzung der Nachtragsliquidation überhaupt nicht möglich sei, wenngleich die zu Unrecht gelöschte Gesellschaft, da noch Vermögen vorhanden sei, noch fortexistiere; eine nach der Verteilung des Gesellschaftsvermögens (oder vermeintlicher Vermögenslosigkeit) gelöschte Gesellschaft könne nicht besser behandelt werden als eine aufgelöste Gesellschaft nach Beginn der Vermögensverteilung; die Fortexistenz der Gesellschaft diene nur noch der Schlussabwicklung (Karsten Schmidt aaO Rz 83). Für diese Ansicht sprechen auch die insoweit auf den Auflösungsfall des § 84 Abs 1 Z 2 GmbHG übertragbaren Ausführungen in der Entscheidung 6 Ob 330/98t, dass es mit dem Gedanken der Rechtssicherheit nicht vereinbar sei, wenn eine Gesellschaft der Löschung nicht widerspreche (hier wurde die Löschung von der Gesellschaft sogar selbst beantragt) und erst nach Jahren durch die Bescheinigung eines (geringfügigen) Vermögens die schon eingetretene Wirkung der Auflösung bloß durch einen Fortsetzungsbeschluss beseitigen könnte.

Ob die Fortsetzung einer Gesellschaft im Stadium der Nachtragsliquidation in allen Fällen der vorangehenden Löschung ausgeschlossen ist, ist hier aber nicht weiter zu prüfen, weil der Antragsteller und Rechtsmittelwerber zwar behauptet hat, dass der im Zuge der Nachtragsliquidation vorhandene Liquidationsüberschuss noch nicht verteilt worden sei, nicht jedoch, dass auch im vorangehenden, zur Löschung der Gesellschaft nach § 93 Abs 1 GmbHG führenden Liquidationsverfahren kein Erlös an die Gesellschafter verteilt worden sei. Er brachte vielmehr vor, die Gesellschafter hätten sich verpflichtet, "allenfalls" an sie geleistete Liquidationsüberschüsse wieder an die Gesellschaft zurückzuzahlen. Ungeachtet der älteren, inzwischen überwiegend abgelehnten Ansicht, dass die Fortsetzung der Gesellschaft in der Liquidationsphase dann möglich sei, wenn der an die Gesellschafter verteilte Liquidationserlös zurückerstattet wurde (vgl Reich-Rohrwig aaO Rz 688; dagegen insbesondere Gellis/Feil aaO § 84 GmbHG Rz 10; Hüffer aaO § 274 AktG Rz 21 mwN), kommt eine Fortsetzung der Gesellschaft mit der Behauptung, die Gesellschafter hätten sich zur Rückzahlung des erhaltenen Liquidationserlöses verpflichtet, nicht in Betracht. Da die Abwicklung gerade dem Zweck dient, das nach Berichtigung und Sicherstellung der Schulden verbleibende Vermögen der Gesellschaft unter die Gesellschafter zu verteilen (§ 91 Abs 3 GmbHG) und der ordnungsgemäße Löschungsantrag diese Vermögensverteilung voraussetzt, ist nicht anzunehmen, dass in dem der Löschung der Gesellschaft vorangehenden Liquidationsverfahren überhaupt kein Erlös verteilt wurde. Die Fortsetzung der Gesellschaft lässt sich hier daher schon nach dem Antrags- und Rekursvorbringen mit dem Verbot der Einlagenrückgewähr (§ 82 GmbHG) nicht in Einklang bringen.

Die zutreffenden Beschlüsse der Vorinstanzen auf Abweisung der auf eine Fortsetzung der Gesellschaft zielenden Eintragungsanträge sind daher zu bestätigen.

Stichworte