Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Der minderjährige Patrick G***** ist der eheliche Sohn von Josef G***** jun. und Karin G*****. Die Ehe der Eltern wurde mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 19. Februar 2002 geschieden. Mit der am 21. 12. 2000 vor dem Bezirksgericht Innsbruck geschlossenen Vereinbarung wurde das Besuchsrecht des Kindesvaters dahin geregelt, dass dieser 14-tägig von Freitag 14 Uhr bis Sonntag 17 Uhr seinen minderjährigen Sohn zu sich nehmen durfte. Am 16. 1. 2001 beantragte die Mutter, ihr die alleinige Obsorge für den Minderjährigen zu übertragen.
In dem zur Obsorgefrage eingeholten kinderpsychologischen Gutachten des Sachverständigen Dr. Peter Pilgermaier stellte dieser eine ähnlich intensive Beziehung des Minderjährigen zum Vater wie zur Mutter fest, stufte jedoch die Mutter nach ihrer Persönlichkeitsstruktur und Belastungsfähigkeit als adäquater ein, auf die Bedürfnisse des Kleinkindes einzugehen, Erziehungsmaßnahmen zu setzen und sachgemäß anzuwenden. Das Kindeswohl sei daher bei einer Obsorgezuteilung an die Mutter besser gewahrt. Schon damals stellte der Sachverständige fest, dass der Minderjährige massiv und nicht kontrollierbar in die elterlichen Auseinandersetzungen mit eingebunden war und direkt oder indirekt instrumentalisiert wurde. Schließlich wurde mit Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 16. 3. 2001 ausgesprochen, dass der Kindesmutter allein die Obsorge für den Minderjährigen zukomme.
Nachdem es bei Ausübung des Besuchsrechtes durch den Vater zu einigen unliebsamen Vorfällen gekommen war, wurde ein weiterer kinderpsychologischer Sachbefund zur Frage, in welchem Ausmaß das Besuchsrecht des Vaters im Kindeswohl gelegen sei, eingeholt. Der Sachverständige Dr. Köppl sprach sich für eine Beibehaltung der 14-tägigen Besuchsrechtregelung aus. Diese liege im Interesse des Minderjährigen. Beide Elternteile müssten zu einvernehmlichen Entscheidungen kommen und damit ihr Kind aus einer Loyalitätsbedrängnis befreien. Dem Vater werde es letztlich nicht erspart bleiben, sich aus der als symbiotisch bezeichneten Beziehungseinheit mit seinem Kind herauszuentwickeln, wofür es förderlich wäre, psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Am 28. Februar 2002 wurde das Besuchsrecht schließlich dahin geregelt, dass der Vater den Minderjährigen an jedem zweiten Wochenende von Freitag 17 Uhr bis Sonntag 18 Uhr sowie in den Sommerferien im Ausmaß von zwei Wochen und in den Weihnachtsferien im Ausmaß von vier Tagen und in den Osterferien von drei Tagen zu sich nehmen könne.
Auch in der Folge beruhigte sich die Situation nicht. Es kam immer wieder zu Problemen im Zusammenhang mit der Ausübung des Besuchsrechts.
Nachdem die Kindesmutter einen Antrag auf Aussetzung des Besuchsrechtes gestellt hatte, wurde die Sachverständige Dr. Michaela Rungaldier mit der Erstellung eines kinderpsychologischen Gutachtens betraut. In ihrem am 30. 7. 2003 bei Gericht eingelangten Gutachten führte die Sachverständige aus, dass beide Elternteile prinzipiell liebevoll um das Wohl des Kindes bemüht seien, der Vater bisher auch immer mit legalen Mitteln um "sein Recht" gekämpft habe und eine drohende Konfrontation des Minderjährigen mit Gewalterlebnissen und eine diesbezügliche Gefährdung des Kindes nicht gegeben sei. Der Minderjährige habe ein Bedürfnis nach beständiger und liebevoller Beziehung zu beiden Eltern. Eine Aussetzung des Besuchsrechts des Vaters sei daher nicht im Kindeswohl. Das Gutachten stellte allerdings psychosomatische Reaktionen des Minderjährigen fest, die aus einer Instrumentalisierung und Einbeziehung des Kindes in den elterlichen Machtkampf resultierten. Es sei dringend psychotherapeutische Hilfe für den Minderjährigen erforderlich. Auch sei die Erziehungsfähigkeit der Mutter zu überprüfen, weil diese die Zusammenarbeit mit Behörden und Personen verweigere, auch eine psychologische Einzeluntersuchung des Kindes verhindert habe. Am 24. 10. 2003 kam es schließlich zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen dem Vater, der Mutter und dem mütterlichen Großvater, wobei der Vater die Mutter und auch den mütterlichen Großvater verletzte. Diesen Vorfall musste der Minderjährige miterleben. Dieser Vorfall ist Gegenstand des Strafverfahrens zu 7 U 203/03f des Bezirksgerichtes Innsbruck. Daraufhin beantragte die Mutter eine Aussetzung des Besuchsrechtes und eine Abberaumung des nächsten Besuchstermins vom 7. 11. 2003. Sie verwies noch darauf, dass schon bei einem früheren Vorfall der Vater mit seinem Pkw auf die mütterliche Großmutter zugefahren sei und sie zum Beiseitespringen genötigt habe.
Mit Beschluss vom 7. 11. 2003 wurde das Besuchsrecht des Vater vorläufig ausgesetzt, bis geklärt werden könne, ob die weitere Ausübung eines Besuchsrechts infolge der gewalttätigen Vorfälle dem Kindeswohl entspreche.
Mit Beschluss vom 1. März 2004 hob das Erstgericht die vorläufige Aussetzung des Besuchsrechts des Vaters auf und regelte das Besuchsrecht für die Zukunft dahin, dass dem Vater Besuchskontakte im Rahmen der "begleiteten Besuchstage" wie sie vom Jugendwohlfahrtsträger angeboten und derzeit vom Verein für soziale Arbeit durchgeführt werden, eingeräumt wurden. Beiden Elternteilen wurde auftragen, diese Form der Besuchsrechtsausübung zu ermöglichen. Dem Vater wurde überdies auftragen, psychotherapeutische Hilfe bei der Männerberatung "Mannsbilder" weiterhin in Anspruch zu nehmen und monatlich dem Gericht darüber zu berichten.
Dabei ging das Erstgericht von folgenden weiteren Feststellung aus:
Der minderjährige Patrick besuche seit Herbst 2003 die Volksschule. Nachdem es anfänglich Probleme gegeben hatte, weil der Minderjährige befürchtete, seine Mutter werde Mittags nicht mehr da sein, habe sich die Situation nun beruhigt. Die Volksschullehrerin sei mit den Leistungen des Minderjährigen zufrieden. In den Klassenverband sei der Minderjährige gut eingebunden und unter seinen Klassenkameraden auch beliebt.
Nach dem Vorfall vom Oktober 2003 habe die Mutter auf Anraten des zuständigen Sozialarbeiters mit dem Minderjährigen die Einrichtung "KIST" aufgesucht, wo Patrick nach wie vor betreut werde und die Geschehnisse schrittweise aufarbeiten könne. Der Minderjährige besuche diese Einrichtung wöchentlich.
Der anhaltende Streit bzw Zwiespalt zwischen seinen Eltern habe bei Patrick jedoch einen für ihn sehr schmerzhaften Loyalitätskonflikt bewirkt. Dadurch sei es zu psychosomatischen Reaktionen gekommen, beispielsweise einer sekundären Enkopresis, einem Einkoten, obwohl Patrick schon einmal sauber gewesen sei. Dies sei nach der Scheidung wieder aufgetreten. Auch Einschlafstörungen von Patrick gingen in diese Richtung. Patrick sehe sich vielfältigen Belastungsfaktoren ausgesetzt, die ihn überforderten. Derzeit sei für ihn eine Entlastung dringend notwendig, zum einen durch die bereits eingeleitete Therapie und andererseits, indem er aus dem Spannungsfeld der Eltern herausgenommen werde. Er brauche eine geschützte, begleitete Form des Kontakts zu seinem Vater, sowie dass sich beide Elternteile mit ihrer Elternrolle auseinandersetzen. Gerade für Patrick als Buben sei der Vater eine Identifikationsfigur. Der Vater könne ihn jedoch nur dann unterstützen, wenn er es schaffe, die ungelöste partnerschaftliche Beziehungsdynamik nicht in die Vater-Sohn-Beziehung einfließen zu lassen und auf aggressive Verhaltensweisen zu verzichten. Patrick habe ein Bedürfnis nach stabilen, beständigen und liebevollen Beziehungen zu Mutter wie Vater. Auch der Vater habe ein hohes Engagement und Interesse an Patrick gezeigt. Eine längerfristige Aussetzung des Besuchsrechts des Vaters wäre für Patrick mit Irritationen verbunden und könnte zu einer erheblichen Verunsicherung beitragen. Die Besuchssituation müsste allerdings in einer geschützten Form stattfinden. Der Vater habe sich bereits wiederholt verbal aggressiv gezeigt, sowohl dem Stadtjugendamt als auch der Sachverständigen und dem Gericht gegenüber.
Der Vater habe dringend psychotherapeutische Behandlung nötig. Er habe auch schon mit dem Männerzentrum und dem Psychologen der Firma S*****, bei der er beschäftigt sei, Kontakt aufgenommen. Im Rahmen der "begleiteten Besuchstage" sei es auch organisierbar, dass die Eltern nicht aufeinander treffen. Die Besuchstage fänden 14-tägig Samstags von 13 bis 17 Uhr statt. Monatlich gebe es dabei verpflichtende begleitende Elterngespräche. Für Patrick sei die Begegnung mit seinem Vater im Rahmen der begleiteten Besuchstage eine Chance, diesen in einer geschützten, ruhigen und entspannten Atmosphäre positiv zu erleben, um seine letzte Erinnerung an den Vater vom Vorfall vom Oktober 2003 aufarbeiten zu können. Das Erstgericht führte noch aus, dass sich eine weitergehende Beweisaufnahme - wie sie von der Mutter beantragt worden sei - durch Einvernahme des Volksschuldirektors sowie von Silvia S***** von "KIST" erübrige, da die Meinung der Lehrerin ohnedies in einer Stellungnahme des Stadtjugendamts beinhaltet sei. Die Sachverständige Dr. Rungaldier habe die begleitete Besuchsrechtsausübung befürwortet. Eine Einvernahme der zuständigen Beraterin des "KIST" könnte diese Einschätzung wohl nicht revidieren. Darüber hinaus hätte die Stellungnahme der Betreffenden ohne weiteres rechtzeitig zur Tagsatzung vorgelegt werden können.
In rechtlicher Hinsicht beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, dass eine weitere Aussetzung des Besuchsrechts nicht im Kindeswohl gelegen sei. Das in § 148 ABGB geregelte Besuchsrecht jenes Elternteils, mit dem das minderjährige Kind nicht im gemeinsamen Haushalt lebe, könne nur aus wichtigen, im Wohl des Kindes gelegenen Gründen eingeschränkt oder ganz entzogen werden. Im Wohl des Kindes sei es aber, eine sichere Bindung zu seinem Vater herzustellen und Irritationen durch eine längerfristige Aussetzung der Besuche zu vermeiden.
Einem dagegen von der Mutter Karin G***** erhobenen Rekurs gab das Rekursgericht nicht Folge. Es präzisierte lediglich den Ausspruch über die Form der Besuchsrechtsausübung.
Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, die nach Ansicht der Rekurswerberin dahingelegen seien, dass die Einvernehme der angebotenen Zeugin Silvia S*****, des Schuldirektors W***** und die Aufnahme eines weiteren kinderpsychologischen Gutachtens unterlassen worden seien. Die Beurteilung der Frage des Kindeswohls falle im gegenständlichen Fall in den Fachbereich der kinderpsychologischen Sachverständigen. Die von der Zeugin S***** vertretene Meinung sei aufgrund von deren im Akt erliegenden Schreiben vom 9. 2. 2004 ohnedies bekannt. Welche zweckdienlichen Angaben der Schuldirektor machen könne, sei nicht nachvollziehbar. Auch die Einholung eines weiteren kinderpsychologischen Gutachtens sei nicht erforderlich. Das Gutachten der Sachverständigen Dr. Rungaldier sei schlüssig und stoße auf keine Bedenken.
In der Folge erledigte das Rekursgericht die Beweisrüge des Rechtsmittels im Wesentlichen unter Berufung auf die gutachterlichen Äußerungen der Sachverständigen Dr. Rungaldier.
In rechtlicher Hinsicht teilte es die Ansicht des Erstgerichtes. Eine Entziehung und Einschränkung des Besuchsrechtes könne nur aus solchen triftigen Gründen erfolgen, die eine Bedrohung der psychischen oder physischen Integrität des Kindes ergäben. Die bloße Befürchtung einer Irritation reiche nicht aus. Seien die mit der Ausübung des Besuchsrecht verbundenen Irritationen des Kindes allein auf Spannungen zwischen den Eltern zurückzuführen, dann sei es Pflicht und Aufgabe der Eltern, dies zu unterlassen. Zu einer Untersagung des Besuchsrechtes führe dies nicht, sofern nicht das übliche Ausmaß erheblich überschritten werde. Maßgeblich sei vor allem, dass die Beeinträchtigung des Minderjährigen im Zusammenhang mit der Ausübung des Besuchsrechtes des Vaters nicht aus einer grundsätzlich gestörten oder fehlenden Beziehung zwischen Vater und Sohn resultiere, sondern aus ungelösten Partnerschaftskonflikten. Die daraus entstehenden Probleme seien beiden Elternteilen vorzuwerfen. Während die "Instrumentalisierung" des Minderjährigen durch den Vater ohnehin aktenkundig sei, sei auch der Mutter vorzuwerfen, dass sie ihrer Verpflichtung zur positiven Förderung des Besuchswillens des Kindes nicht nachgekommen sei, was offensichtlich in einem kausalen Zusammenhang mit der Eskalation vom Oktober 2003 stehe. In der vom Erstgericht eingeräumten Form einer Besuchsbegleitung sei eine (erhebliche) Gefährdung des Kindeswohls nicht zu erwarten, dies insbesondere auch wegen der Anwesenheit einer fachlich ausgebildeten Aufsichtsperson und der Möglichkeit eines jederzeitigen Einschreiten derselben.
Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig, weil die Beurteilung der Frage, ob das Kindeswohl in concreto eine weitere Aussetzung des Besuchsrechtes erfordere, eine solche des Einzelfalls darstelle.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer weiteren Aussetzung des Besuchsrechts des Vaters. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Vater hat von der ihm eingeräumten Möglichkeit Gebrauch gemacht, zum außerordentlichen Revisionsrekurs Stellung gezogen und dessen Zurückweisung begehrt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Mutter ist zulässig und im Sinn des Aufhebungsantrags auch berechtigt:
Das Schwergewicht des außerordentlichen Revisionsrekurses liegt auf einer behaupteten Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens, die das Gericht zweiter Instanz zu unrecht verneint habe. Es seien die angebotenen Beweismittel nicht ausgeschöpft worden, um ausreichende Feststellungen darüber zu gewinnen, ob der psychische Zustand des Kindes durch eine Besuchsrechtsausübung durch den Vater gefährdet sei. Letztlich lasse sich die entscheidende Frage des Kindeswohls ohne Einvernahme der Zeugin Silvia S*****, die wöchentlich mit dem Minderjährigen die Geschehnisse der letzten Vergangenheit, insbesondere den Vorfall vom 24. 10. 2003 aufarbeite, sowie des Volksschuldirektors Gottfried W*****, der täglich Kontakt mit dem Buben habe, vor allem aber ohne Einholung eines ergänzenden kinderpsychologischen Gutachtens nicht beurteilen.
Dazu hat der erkennende Senat erwogen:
Zunächst gilt, dass auch für die Frage der Aussetzung des Besuchsrechts die nach dem pflichtgemäßen Ermessen zu treffende Entscheidung grundsätzlich von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist, und ihr deshalb keine Bedeutung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG zukommt, wenn nicht leitende Grundsätze der Rechtsprechung verletzt wurden (RIS-Justiz RS0097110 ua).
Dazu ist anzumerken, dass oberstes und einziges Prinzip nach ständiger Rechtsprechung das Kindeswohl ist und dass grundsätzlich alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten auszuschöpfen sind, um entsprechende Feststellungen zu gewinnen, die eine umfassende Beurteilung zulassen. Aus diesem Grund ist der auf das Verfahren Außerstreitsachen ausgedehnte Grundsatz, ein vom Gericht zweiter Instanz verneinte erstinstanzlicher Mangel könne in dritter Instanz nicht erfolgreich zum Gegenstand einer Verfahrensrüge gemacht werden, im Pflegschaftsverfahren jedenfalls dann nicht anzuwenden, wenn das die Interessen des Kindeswohls erfordern (1 Ob 2297/96g; 9 Ob 71/01h uva; vgl RIS-Justiz RS0050037).
Im vorliegenden außerordentlichen Rechtsmittel macht die Mutter des minderjährigen Patrick geltend, durch die Unterlassung der Einvernahme der beantragten Zeugen sei eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Rechtssache unterblieben. Sie hat im erstinstanzlichen Verfahren entsprechende Anträge gestellt, und auch begründet. Das betrifft auch die Unterlassung der Einholung eines neuerlichen kinderpsychologischen Gutachtens. Dazu ist anzumerken, dass Frau S***** seit den gewalttätigen Vorfällen vom 24. 10. 2003 in der psychologischen Einrichtung KIST den Minderjährigen betreut und die Befundaufnahme der Sachverständigen Rungaldier mehrere Monate vor dem Vorfall vom 24. 10. 2003 lag. Die Sachverständige hat - ohne den Minderjährigen offensichtlich seither neuerlich untersucht zu haben - ihr Gutachten in der mündlichen Verhandlung vor dem Erstgericht bloß ergänzt.
Dadurch ist aber eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der vorliegenden Pflegschaftssache unterblieben, weil keine ausreichenden Feststellungen darüber getroffen werden konnten, wie sich konkret der Vorfall vom 24. 10. 2003 auf die psychische Situation des minderjährigen Patrick ausgewirkt hat und ob der Minderjährige dieses "traumatisierende Erlebnis" (so die Sachverständige) bereits ausreichend verarbeitet hat, um seinen Vater wieder zu sehen bzw ob er aufgrund dieses Vorfalls nach wie vor Angstgefühle seinem Vater gegenüber hegt. Vor allem ist auch zu klären, wie sich die Aussetzung des Besuchsrechts seit dem Vorfall vom 24. 10. 2003 auf den Minderjährigen ausgewirkt hat und ob schädliche Auswirkungen der Ausübung des Besuchsrechts durch den Vater noch zu befürchten sind. Erst wenn sich diese Fragen ausreichend beantwortet sind, kann beurteilt werden, ob eine gänzliche Unterbindung des persönlichen Kontakts zwischen dem Vater und dem Minderjährigen zu unterbleiben hat und eine ohne Gefährdung des Kindeswohls sich bietende Möglichkeit zu einer Kontaktaufnahme genutzt werden muss (RIS-Justiz RS0047955). Dass eine Kontaktaufnahme überhaupt nur in der von den Vorinstanzen festgesetzten Form, nämlich im Rahmen einer Besuchsbegleitung, wie sie vom Jugendwohlfahrtsträger angeboten wird, möglich ist, ist eine Frage, die von jener zu trennen ist, ab wann die Wiederaufnahme von persönlichen Kontakten für den Minderjährigen ohne Gefahr einer (weiteren) seelischen Schädigung möglich ist.
Diesen Fragen wurde in den vorinstanzlichen Sachverhaltsfeststellungen insgesamt zu wenig Augenmerk geschenkt. Weitgehend wurden die Feststellungen nämlich aus kinderpsychologischen Gutachten gewonnen, die lang vor den das Kind traumatisiertenden Vorfällen vom Oktober 2003 lagen.
Zusammengefasst ist daher folgendes zu bemerken:
Wurde das Besuchsrecht des Vaters eines Kindes vorläufig ausgesetzt, weil es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen dem Vater, der Kindesmutter und dem mütterlichen Großvater kam, die vom Vater verursacht wurden und vom Kind mit angesehen werden mussten und eine traumatisierende Wirkung auf das Kind hatten, lässt sich die Beurteilung der Notwendigkeit einer (weiteren) Aussetzung des Besuchsrechts nur dann vornehmen, wenn durch eine diesen Vorfällen nachfolgende kinderpsychologische Begutachtung nicht nur klargestellt ist, wie in Zukunft das Besuchsrecht auszuüben ist (nämlich in Form einer Besuchsbegleitung), sondern vor allem, ab welchem Zeitpunkt das Kind die traumatisierenden Erlebnisse verarbeitet hat und neuerlich in Kontakt mit dem Vater treten kann, ohne dass damit die Gefahr weiterer psychischer Beeinträchtigungen verbunden ist. In der Nichtausschöpfung der zu diesem Thema angebotenen Beweismittel durch das Erstgericht und im Fehlen entsprechender Feststellungen wurde eine primäre und sekundäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens bewirkt, wie vom Revisionsrekurs zutreffend aufgezeigt wird. Das hatte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Rückverweisung an das Gericht erster Instanz zu führen.
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