OGH 15Os90/04

OGH15Os90/049.9.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 9. September 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Finster als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Jan K***** wegen der Verbrechen nach § 28 Abs 2, zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3 erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15. Jänner 2004, GZ 8 Hv 53/03y-106, nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Jan K***** wurde (richtig:) der Verbrechen nach § 28 Abs 2, zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 3, erster Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt, weil er in Graz von Februar bis 25. September 2001 gewerbsmäßig Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28 Abs 6 SMG) übersteigenden Menge ein- und ausgeführt sowie in Verkehr gesetzt hat, indem er insgesamt zumindest 2,8 kg Kokain (Reinheitsgehalt zumindest 40 %, vgl US 10) in 14 Angriffen von der Slowakei nach Österreich schmuggelte und sodann in Graz und anderen Orten dem zu AZ 8 Hv 105/02h des Landesgerichtes für Strafsachen Graz abgesondert verfolgten Josef S***** gewinnbringend verkaufte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Angeklagten aus Z 1a, 3, 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich bereits aus dem Grund der Z 5 leg cit als zielführend.

Zutreffend kritisiert die Mängelrüge (Z 5), dass die Aussage des Zeugen Josef S***** (ON 76/I), "Ich machte nie Kokaingeschäfte, auch das bei Martin F***** sichergestellte Kokain stammt nicht von mir. Das sind alles Verleumdungen. Die Angaben meiner Gattin Zuzanna S***** sind einfach erlogen, sie hat mir zum Beispiel erzählt, dass sie Rubbellose in Bratislava verkauft hat, dies muss schon 5 oder 6 Jahre her sein, bei den Gesprächen mit Jan K***** ging es ausschließlich um Schmuck und Uhrengeschäfte", die laut Protokollsberichtigungsbeschluss ON 120/IV iVm mit dem Hv-Protokoll ON 105/IV (fallgegenständlich zugunsten des Angeklagten) als verlesen bzw vorgetragen anzusehen sind, im Urteil völlig übergangen wurden. Die Tatrichter stützten den Schuldspruch auf das "abgeführte Beweisverfahren und die Angabe der im Beweisverfahren vernommenen bzw verlesenen Zeugenaussagen", wobei sie in der Begründung zwar die (den Angeklagten belastenden) Depositionen der Zeugin Zuzanna S***** und die Erhebungsergebnisse aus dem Akt AZ 8 Hv 1152/01p des Landesgerichtes für Strafsachen Graz, die im Widerspruch zur leugnenden Verantwortung des Angeklagten standen, erörterten, auf die oben angeführten, entgegenstehenden Angaben des Suchtgiftabnehmers Josef S***** jedoch nicht eingingen.

Stimmen - wie im gegebenen Fall - mit Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Beweisergebnisse nicht überein, ist bei sonstiger Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Grund anzugeben, warum die der getroffenen Feststellung widerstreitenden Beweisergebnisse das Gericht nicht überzeugen konnten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 425 mwN, 15 Os 93/03). Solche Erwägungen sind in den Entscheidungsgründen jedoch nicht zu entnehmen.

Weil schon dieser Begründungsmangel die im Spruch bezeichnete Kassation und die Anordnung der Verfahrenserneuerung forderte, bedurfte das übrige Beschwerdevorbringen keiner Erörterung. Das angefochtene Urteil war somit - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur und der in der gemäß § 35 Abs 2 StPO von der Verteidigung erstatteten Äußerung vertretenen Ansicht - bei nichtöffentlicher Beratung sofort aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen. Zur Klarstellung für die Durchführung des erneuerten Verfahrens ist zu bemerken, dass sich die Protokollierungsfloskel "verlesen wird der wesentliche Akteninhalt" als verfehlt erweist, weil sie völlig offen lässt, was dem Protokollsverfasser als wesentlich erschienen ist (Ratz aaO Rz 462).

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

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