OGH 15Os93/03

OGH15Os93/0321.8.2003

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dachsberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Alina V***** und eine andere Angeklagte wegen der Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten Helga S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 30. Jänner 2003, GZ 40 Hv 3/03w-48, und ihre implizierte Beschwerde (§ 498 Abs 3 dritter Satz StPO) gegen den zugleich mit dem Urteil gefassten Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld wird zurückgewiesen.

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das in Ansehung der Angeklagten Alina V***** unberührt bleibt, in den die Angeklagte Helga S***** betreffenden Aussprüchen ebenso wie der Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer Berufung (gegen den Ausspruch über die Strafe) und der implizierten Beschwerde wird die Angeklagte Helga S***** auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Alina V***** und Helga S***** der Verbrechen des Menschenhandels nach § 217 Abs 1 StGB, V***** nach dem ersten und S***** nach dem zweiten Fall dieser Bestimmung, schuldig erkannt, weil sie im September 2002 in Salzburg und Rumänien "im gemeinsamen Zusammenwirken" die rumänischen Staatsangehörigen Veronica C***** und Daniela T***** der gewerbsmäßigen Unzucht in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, zugeführt und sie hiefür angeworben haben, wobei Helga S***** die Tat gewerbsmäßig begangen hat.

Rechtliche Beurteilung

Die Angeklagte Helga S***** bekämpft das Urteil mit einer auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der aus dem ersten Grund Berechtigung zukommt, mit einer Berufung wegen des Ausspruches über die Schuld, die zur Anfechtung kollegialgerichtlicher Urteile im Gesetz nicht vorgesehen ist (vgl § 283 Abs 1 StPO) und deshalb zurückzuweisen war, und mit Berufung gegen den Ausspruch über die Strafe.

Entgegen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) liegen zwar für die Beurteilung als Zuführen im Sinn des § 217 Abs 1 StGB in der Bedeutung einer aktiven und gezielten Einflussnahme auf das Tatobjekt zur Verlagerung der gesamten Lebensführung als Prostituierte in einen fremden Staat (Philipp in WK² § 217 Rz 15 mwN) hinreichende Urteilsannahmen vor (US 5 f, 7 und 9 f).

Zutreffend wird jedoch bemängelt, dass die in der Hauptverhandlung vorgelegten und verlesenen, von Veronica C***** und Daniela T***** nach der Abschiebung aus Österreich in einer rumänischen Rechtsanwaltskanzlei abgegebenen Erklärungen, dass sie ihre Angaben "vom Oktober 2002 vor der Polizei Salzburg" ausdrücklich widerrufen und angeben, Helga S***** habe "keinen moralischen oder materiellen Einfluss" auf die ihnen vorgeworfene Tätigkeit (nämlich Prostitution) gehabt, die abgegebenen Erklärungen seien ihnen eingeredet worden, Helga S***** habe nichts anderes getan als ihnen "eine Wohnung zu mieten" (S 5, 25 ff/II), im Urteil völlig übergangen wurden. Stimmen - wie im gegebenen Fall - mit Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Beweisergebnisse nicht überein, ist bei sonstiger Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Grund anzugeben, warum die der getroffenen Feststellung widerstreitenden Beweisergebnisse das Gericht nicht überzeugen konnten (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 425 mwN). Solche Erwägungen sind den Entscheidungsgründen nicht zu entnehmen. Weil schon dieser Begründungsmangel die im Spruch bezeichnete Teilkassation und die Anordnung der Verfahrenserneuerung im Umfang der Aufhebung erforderte, bedurfte das übrige Vorbringen keiner Erörterung.

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