OGH 5Ob32/04y

OGH5Ob32/04y3.8.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Putenzucht M***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Hasch & Partner, Anwaltsgesellschaft mbH in Linz, wider die beklagten Parteien 1. "P*****" *****, PL-*****, 2. Cezary C*****, ebendort, 3. Marek S*****, PL*****, alle vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in Linz, wegen EUR 624.410,55, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgericht vom 15. Dezember 2003, GZ 4 R 218/03-19, womit der Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 21. Oktober 2003, GZ 28 Cg 113/02i-13, aufgehoben wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rekursbeantwortung der erstbeklagten Partei sind weitere Kosten des Zuständigkeitsstreits.

Text

Begründung

Die klagende Partei nimmt die erstbeklagte Partei, eine Gesellschaft mit dem Sitz in Polen, mit einer Kaufpreisklage bei jenem Gericht in Anspruch, in dessen Sprengel sie selbst ihren Sitz hat. Zur Dartuung der inländischen und örtlichen Gerichtsbarkeit hat sie sich auf eine schriftliche Gerichtsstandvereinbarung nach Art 17 Abs 1 LGVÜ berufen und diese auch erwiesen. Hilfsweise hat sie sich auf Art 5 LGVÜ den Gerichtsstand des Erfüllungsorts, berufen.

Die beklagte Partei hielt dem entgegen, dass durch eine spätere Gerichtsstandvereinbarung eine Abänderung der ursprünglichen herbeigeführt worden sei. Die klagende Partei hat dies bestritten. Das Erstgericht hat bisher das Zustandekommen der zweiten Vereinbarung nicht geprüft, weil es der Rechtsansicht war, seine internationale und örtliche Zuständigkeit sei jedenfalls durch Art 5 LGVÜ, den Gerichtsstand des Erfüllungsorts bewirkt.

Mit der zutreffenden Begründung, eine Gerichtsstandvereinbarung nach Art 17 Abs 1 LGVÜ führe zu einer ausschließlichen Zuständigkeit, welche die besonderen Zuständigkeitsregeln und Wahlgerichtsstände ausschließe, hat das Rekursgericht die erstinstanzliche Entscheidung aufgehoben und dem Erstgericht aufgetragen, zu prüfen, ob es tatsächlich zu einer Abänderung der ursprünglichen Gerichtsstandvereinbarung gekommen sei. Zu dieser Frage lägen widersprüchliche Beweisergebnisse vor, es seien noch nicht alle Beweisanträge erledigt, allenfalls sei auch ein kriminologisches Sachverständigengutachten zur Frage der Verfälschung des Urkundentextes der Beilage 13 einzuholen.

Den Rekurs gegen seine aufhebende Entscheidung erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil höchstgerichtliche Judikatur zu einem ähnlichem Zuständigkeitsstreit (zwei zeitlich auseinanderliegende, inhaltlich unterschiedliche Zuständigkeitsvereinbarungen, hinsichtlich der späteren überdies divergierende Fotokopien bei Fehlen der Originalurkunde), nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichtes, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist, liegen die Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht vor. Dies ist wie folgt kurz zu begründen:

Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist geklärt, dass eine Gerichtsstandvereinbarung gemäß Art 17 LGVÜ zu einer ausschließlichen Zuständigkeit führt, welche unter anderem auch die Zuständigkeitsregel des Art 6 LGVÜ (Gerichtsstands des Sachzusammenhangs) ausschließt (OGH ZfRV 2000/76). Art 17 EuGVÜ schließt auch die Zuständigkeitsregel des Art 5 LGVÜ aus (vgl Klauser, Europäisches Zivilprozessrecht E 20 zu Art 23 EuGVVO zum gleichlautenden Art 5 EuGVÜ).

Weiters ist durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt, dass die für das Zustandekommen einer Gerichtsstandvereinbarung im Sinne des Art 17 LGVÜ unerlässliche Willenseinigung zwischen den Parteien von der Partei zu beweisen ist, die sich auf die zuständigkeitsbegründende Klausel beruft (RIS-Justiz RS00114192 ua).

Auch zur Frage des Zustandekommens einer Vereinbarung im Sinn des Art 17 LGVÜ liegt ausreichende Rechtsprechung vor. Das Schriftformerfordernis des § 17 LGVÜ zielt darauf ab, den unbemerkten Eingang von Gerichtsstandsklauseln in den Vertrag zu verhindern und im Interesse der Rechtssicherheit die andere Partei vor überraschenden Gerichtsständen zu schützen. In allen Konstellationen muss gewährleistet sein, dass die Parteien einer Klausel, die von den allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften abweicht, tatsächlich zugestimmt haben (JBl 2001, 117). Das mit der Sache befasste Gericht muss also in erster Linie prüfen, ob die seine Zuständigkeit begründende Klausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien war, die klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Die Frage, ob eine Willenseinigung eine Gerichtsstandvereinbarung nach Art 17 LGVÜ bewirkte, ist vertragsautonom nach letzterer Bestimmung zu lösen. Dem innerstaatlichen Recht bleibt die Klärung bestimmter Vorfragen wie Geschäftsfähigkeit, Stellvertretung, Vorliegen von Willensmängeln etc vorbehalten (JBl 2001, 327; RdW 2001/676; EvBl 2002/35; RIS-Justiz RS0114193 ua).

Wenn also das Rekursgericht die Frage, welchen Inhalt die Vereinbarung vom 27. 6. 2002 hinsichtlich einer Gerichtsstandvereinbarung tatsächlich hatte, insbesondere ob eine Willenseinigung hinsichtlich der Abänderung einer früher getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung stattgefunden hat, für aufklärungsbedürfig hielt und dem Erstgericht eine Verfahrensergänzung auftrug, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht entgegentreten.

Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO liegt jedenfalls auch nicht in der Frage begründet, ob eine spätere Vereinbarung über denselben Gegenstand (hier Gerichtsstand) einer früheren derogiert.

Damit erweist sich das Rechtsmittel der klagenden Partei als unzulässig. Es war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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