OGH 10ObS69/04a

OGH10ObS69/04a27.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Hon. Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Carl Hennrich (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerhard Loibl (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ewald S*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Hans Schwarz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, Friedrich Hillegeist-Straße 1, 1021 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Invaliditätspension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 18. Dezember 2003, GZ 10 Rs 205/03w-10, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 24. September 2003, GZ 9 Cgs 188/02f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 29. 8. 2002 hat die Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter dem am 21. 3. 1957 geborenen Kläger für die Zeit von 1. 8. 2002 bis 31. 7. 2003 die Invaliditätspension zuerkannt. Es wurde festgestellt, dass die Pension ab 1. 8. 2002 1.237,24 EUR monatlich beträgt, der Kinderzuschuss für 2 Kinder 58,14 EUR und der Ruhensbetrag gemäß § 90 ASVG 1.237,34 EUR. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Der Kläger bezog im September 2002 1.415,82 EUR und im Oktober 2002 991,07 EUR an Urlaubsentschädigung vom Magistrat der Stadt Wien. Grund dieser Auszahlung war, dass der Kläger in seinem Dienstverhältnis als Müllaufleger beim Magistrat der Stadt Wien ab August 2001 laufend im Krankenstand gewesen war und daher den Urlaub nicht konsumieren konnte.

Mit Bescheid vom 10. 10. 2002 wurde die dem Kläger gebührende Invaliditätspension infolge Bezugs einer Urlaubsentschädigung im September und Oktober 2002 um einen Anrechnungsbetrag von EUR 247,47 ab 1. 9. 2002 vermindert und als Teilpension gewährt.

Der Kläger begehrt die Invaliditätspension in voller Höhe im gesetzlichen Ausmaß auszuzahlen. Wenn die beklagte Partei diese nur in Form einer Teilpension gewähre, sei dies unrichtig und gleichheitswidrig, da die Urlaubsentschädigung für einen bereits in der Vergangenheit erworbenen Urlaubsanspruch bezahlt werde. Diesen Urlaubsanspruch habe er nur infolge Hinderung durch seine Krankheit nicht konsumieren können. Damit sei er aber ungleich schlechter gestellt als andere vergleichbare Dienstnehmer, die ihren Urlaub vor Beendigung des Dienstverhältnisses konsumieren hätten können und dann ohne jegliche Pensionsabzüge in Pension gegangen wären.

Die beklagte Partei bestreitet das Klagebegehren und wendet ein, dass auch der Bezug einer Urlaubsentschädigung als Erwerbseinkommen gelte. Da das Gesamteinkommen des Klägers über dem Betrag gemäß § 254 Abs 7 Z 2 ASVG liege, sei die Pension um den Anrechnungsbetrag von 247,47 EUR monatlich zu vermindern.

Das Erstgericht hat das Klagebegehren abgewiesen. Gemäß § 254 Abs 6 ASVG wandle sich der Anspruch auf die gemäß § 261 ASVG ermittelte Pension für einen Kalendermonat in einen Anspruch auf Teilpension, wenn der Versicherte in diesem Kalendermonat ein Erwerbseinkommen (§ 91 ASVG) beziehe, das den Betrag gemäß § 5 Abs 2 ASVG übersteige. Dies sei beim Kläger der Fall, da die Urlaubsentschädigung als Erwerbseinkommen zu werten sei. Dem Kläger sei aber beizupflichten, dass diese Lösung in seinem Fall im Ergebnis unbefriedigend sei, da er durch Krankheit seinen Urlaub nicht konsumieren habe können. Insofern sei er gegenüber einem Dienstnehmer benachteiligt, der vor dem Ende seines Dienstverhältnisses seinen Urlaub noch verbrauchen habe können, da dieser seine Pensionsleistung in ungeschmälerter Höhe beziehen könne. Ebenso benachteiligt sei aber ein anderer Dienstnehmer, der aus betrieblichen Gründen bis Ende der Kündigungsfrist arbeite und seinen Urlaub nicht verbrauchen könne, weil sich auch dieser für die Dauer des Bezugs der Urlaubsentschädigung eine Anrechnung gefallen lassen müsse.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Die mit 1. 1. 2001 in Kraft getretene Bestimmung des § 254 Abs 6 ASVG normiere eine Umwandlung des Anspruchs auf Invaliditätspension in einen Anspruch auf Teilpension, wenn der Pensionsbezieher in einem Kalendermonat ein Erwerbseinkommen gemäß § 91 ASVG beziehe, das den Betrag gemäß § 5 Abs 2 ASVG übersteige. Die Ermittlung der Höhe der Teilpension sei in § 254 Abs 7 ASVG geregelt. Aus den Gesetzesmaterialien zur 54. ASVG-Novelle ergebe sich, dass mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2001 in Übereinstimmung mit dem Teilpensionsmodell für den öffentlichen Dienst Anrechnungsbestimmungen bei Zusammentreffen von Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspensionen mit Erwerbseinkommen geschaffen werden sollte. Die Erforderlichkeit solcher Anrechnungsbestimmungen ergebe sich vor allem daraus, dass Geldleistungen der Sozialversicherung primär die Aufgabe hätten, das - durch den Eintritt des Versicherungsfalls - weggefallene Erwerbseinkommen zu ersetzen, nicht jedoch, ein weit über das bisherige Erwerbseinkommen hinausgehendes Gesamteinkommen zu ermöglichen, indem eine Leistung aus der Sozialversicherung ungeschmälert neben einem oder mehreren Erwerbseinkommen bezogen werden könne. Wie bei der im Entwurf vorgesehenen Neuregelung der Gleitpension solle in Hinkunft bei gleichzeitigem Bezug einer Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit und Erwerbseinkommen eine Teilpension gebühren. Der Anspruch auf Invaliditäts- bzw Berufsunfähigkeitspension wandle sich in einen solchen auf Teilpension. Zur Ermittlung der Teilpension werde von der gemäß § 261 ASVG ermittelten "Vollpension" ein Anrechnungsbetrag abgezogen, der sich nach Teilen des Gesamteinkommens bemesse. Letztlich sei sichergestellt, dass neben einem Erwerbseinkommen jedenfalls das halbe Ausmaß der Vollpension gewahrt bleibe.

Die Frage, ob die vom Kläger bezogene Urlaubsentschädigung die Umwandlung des Anspruchs auf Invaliditätspension in eine Teilpension bewirken könne, sei eindeutig zu bejahen: Durch das SRÄG 1996 sei § 91 Abs 1 ASVG mit Wirksamkeit ab 1. 8. 1996 (§ 564 Abs. 1 Z 1 ASVG) im Sinn einer Legaldefinition des Erwerbseinkommens neu gefasst worden. Danach gelte mangels anderer Bestimmungen als Erwerbseinkommen bei einer unselbständigen Erwerbstätigkeit das aus dieser Tätigkeit gebührende Entgelt. Aufgrund des Strukturanpassungsgesetzes 1996 stelle seit 1. 5. 1996 auch eine Urlaubsentschädigung oder eine Urlaubsabfindung ein Entgelt im sozialversicherungsrechtlichen Sinn gemäß § 49 Abs 1 ASVG dar, das aufgrund einer unselbständigen Erwerbstätigkeit zustehe und daher auch als Erwerbseinkommen iSd § 91 Abs 1 Z 1 ASVG anzusehen sei. Dem Argument der Berufung, dass der Anspruch auf Urlaub während des bestehenden Arbeitsverhältnisses in mehreren Monaten entstanden sei, weswegen analog die Ausnahmebestimmung des § 91 Abs 2 ASVG zur Anwendung gelange, könne nicht gefolgt werden. Zudem sei der Anspruch auf Urlaubsentschädigung ein Erfüllungsanspruch, der erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig werde und der nur der Höhe nach davon abhänge, wie hoch der Anspruch auf Urlaub während des bestehenden Arbeitsverhältnisses gewesen sei und wieviel Urlaub davon naturaliter bereits verbraucht worden sei.

Auch den vom Kläger geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Bestimmung des § 254 Abs 6 ASVG könne sich das Berufungsgericht nicht anschließen. Der Kläger bringe in diesem Zusammenhang vor, dass ein Arbeitnehmer, der den Urlaub konsumieren könne, vom Arbeitgeber bezahlte Freizeit sowie eine ungeschmälerte Pension erhalte; wer hingegen krankheitsbedingt den Urlaub nicht konsumiere, erhalte zwar vom Arbeitgeber Urlaubsentschädigung, allerdings keine bezahlte Freizeit sowie eine geschmälerte Pension. Eingriffe in das Grundrecht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz seien dann sachlich nicht gerechtfertigt, wenn der Eintritt von Rechtsfolgen von verschiedensten Zufälligkeiten abhänge und der Gesetzgeber an Umstände anknüpfe, auf die der Anspruchsberechtigte keinerlei Einfluss nehmen könne. Da der Kläger nur krankheitsbedingt faktisch und rechtlich nicht in der Lage gewesen sei, während des aufrechten Arbeitsverhältnisses seinen Urlaub in Natura zu konsumieren, liege ein derart sachlich nicht gerechtfertigter Eingriff vor.

Dem sei entgegenzuhalten, dass dem Gesetzgeber grundsätzlich rechtspolitische Gestaltungsfreiheit zukomme, die (außer bei einem Exzess) nicht der verfassungsrechtlichen Kontrolle unterliege und insoweit auch nicht mit den aus dem Gleichheitsgrundsatz ableitbaren Maßstäben zu messen sei. Innerhalb dieser Grenze sei die Rechtskontrolle nicht zur Beurteilung der Rechtspolitik berufen. Diese Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers finde ihre Grenze freilich in unsachlichen Ungleichbehandlungen. Die Regelung des § 254 Abs 6 ASVG verfolge nach den Gesetzesmaterialien das Ziel einer Harmonisierung der Pensionssysteme im Sinne einer Angleichung in Übereinstimmung mit dem Teilpensionsmodell für den öffentlichen Dienst. Zugleich sei Zweck der Regelung, Fälle zu verhindern, in denen eine Leistung aus der Sozialversicherung ungeschmälert neben einem oder mehreren Erwerbseinkommen bezogen werde. Zur Erreichung dieser Zielsetzung sei gerade im Sozialversicherungsrecht eine durchschnittliche Betrachtungsweise erforderlich, die auf den Regelfall abstelle. Damit könnten aber Härten in Einzelfällen nicht ausgeschlossen werden. Selbst wenn der Kläger infolge seiner Krankheit am Naturalurlaubskonsum gehindert gewesen sei (oder ein anderer Arbeitnehmer aus anderen, nicht in seinem Bereich liegenden Gründen), sei dies bei Prüfung der Gleichheitswidrigkeit ohne Belang, da nicht jede subjektiv als ungerecht empfundene einfachgesetzliche Regelung den Gleichheitsgrundsatz verletze. Der Gesetzgeber verbleibe mit der Regelung des § 254 Abs 6 ASVG vielmehr im Rahmen des von ihm gewählten Ordnungsprinzips. Dass sich diese Norm aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles, also nur aus Unterschieden im Tatsächlichen, unterschiedlich auswirken könne und müsse, liege auf der Hand und sei verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Aufgrund dieser Überlegungen sehe sich das Berufungsgericht zu der vom Berufungswerber angeregten Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst.

Die ordentliche Revision sei zulässig, da der Oberste Gerichtshof zur Frage der Verfassungsgemäßheit des § 254 Abs 6 ASVG noch nicht Stellung genommen habe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern. Angeregt wird ein Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof.

Rechtliche Beurteilung

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Die Revision ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

In der Revision wiederholt der Kläger seine Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 254 Abs 6 ASVG: Jemand, der in der Lage sei, seinen Urlaub in natura zu konsumieren, erhalte von seinem Arbeitgeber bezahlte Freizeit und anschließend im Fall der Invalidität eine ungeschmälerte Pension. Wer krankheitsbedingt und daher auch rechtlich den Urlaub nicht konsumieren könne, erhalte zwar von seinem Arbeitgeber eine entsprechende Urlaubsentschädigung, allerdings keine bezahlte Freizeit sowie eine geschmälerte Pension. Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung finde sich weder im Gesetz noch in den Gesetzesmaterialien. Auch die Ansicht des Berufungsgerichts, dass es sich beim Kläger aufgrund seiner besonderen Umstände um einen Einzelfall handle, könne nicht geteilt werden. Mehr als ein Drittel aller BezieherInnen einer Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspension gehe unmittelbar aufgrund einer Krankheit in Pension. Konkret hätten etwa im Jahr 1999 32 % der Männer und 38 % der Frauen unmittelbar vor dem Bezug der Invaliditäts-/Berufsunfähigkeitspension Krankengeld bezogen. Da der Krankheitsfall überraschend eintrete, widerspreche es der allgemeinen Lebenserfahrung, dass mehr als ein Drittel der betroffenen Versicherten in der Lage gewesen wären, den noch ausstehenden Urlaub zu konsumieren. Daher liege kein Einzelfall vor.

Vorweg ist festzuhalten, dass die Berechnung der Höhe des Anrechnungsbetrages keinen Streitpunkt bildet. Zur Frage, ob auch der Bezug von Urlaubsentschädigung zur Umwandlung der Invaliditätspension in eine Teilpension nach § 254 Abs 6 ASVG führt, kann grundsätzlich auf die zutreffenden Rechtsausführungen des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

Mit der im ASRÄG 1997, BGBl I 1997/139, enthaltenen 54. ASVG-Novelle wurden unter anderem dem § 254 ASVG die Abs 6 - 8 angefügt. Das Berufungsgericht hat bereits die mit der Einführung des § 254 Abs 6 ASVG mit 1. 1. 2001 verfolgte gesetzgeberische Zielsetzung dargelegt (siehe RV 886 BlgNR 20. GP): Das Erfordernis der Anrechnung wird vom Gesetzgeber in erster Linie darin gesehen, dass Geldleistungen der Sozialversicherung primär die Aufgabe haben, das (durch Eintritt des Versicherungsfalls) weggefallene Erwerbseinkommen zu ersetzen, nicht jedoch, einen ungeschmälerten Parallelbezug von Sozialversicherungsleistungen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit und Erwerbseinkommen zu ermöglichen. Hingewiesen wird darauf, dass parallel eine entsprechende Regelung für den öffentlichen Dienst eingeführt werde. Sachlicher Hintergrund für die Neuregelung ist also nicht eine Harmonisierung der Pensionssysteme, sondern eine vergleichbare Regelung sowohl im Teilpensionsgesetz (§ 2) als auch im ASVG zu schaffen. Auch in den Materialien zum Teilpensionsgesetz (RV 885 BlgNR 20. GP) wird das Erfordernis der Kürzung der Pension bei gleichzeitigem Erwerbseinkommen damit gerechtfertigt, dass "es die primäre Aufgabe von Pensionsleistungen ist, eine angemessene Versorgung nach Wegfall des Aktiveinkommens zu gewährleisten. Dies rechtfertigt nach den Einkommensverhältnissen abgestufte Pensionskürzungen bei Überversorgung."

Der Begriff des Erwerbseinkommens ist im Hinblick auf den in § 254 Abs 6 ASVG enthaltenen Verweis im Sinn der Legaldefinition des § 91 Abs 1 ASVG zu verstehen (vgl RIS-Justiz RS0110089, RS0110575, RS0110576). Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung vom 19. 5. 1998, 10 ObS 161/98v (SSV-NF 12/74, RIS-Justiz RS0110088) ausgesprochen, dass aufgrund des Strukturanpassungsgesetzes 1996, BGBl 1996/201, seit 1. 5. 1996 auch Urlaubsentschädigung und Urlaubsabfindung ein "Entgelt" im sozialversicherungsrechtlichen Sinn darstellt, das aufgrund einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gebührt und daher auch als Erwerbseinkommen iSd § 91 Abs 1 Z 1 ASVG anzusehen ist; die für Sonderzahlungen und Belohnungen vorgesehene Ausnahmebestimmung des § 91 Abs 2 2. Halbsatz ASVG kommt nicht zum Tragen.

Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Verfassungskonformität des § 254 Abs 6 ASVG sind als zutreffend anzusehen (§ 510 Abs 3 ZPO). Es liegt im rechtspolitisch zulässigen Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, ungeschmälerte Parallelbezüge von Erwerbseinkommen und Sozialversicherungsleistungen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit zu begrenzen, da Leistungen aus diesem Versicherungsfall in erster Linie die Aufgabe haben, das durch den Eintritt des Versicherungsfalls weggefallene Erwerbseinkommen zu ersetzen. Dadurch, dass der Gesetzgeber eine Anrechnung vorsieht, ist gewährleistet, dass der Versicherte insgesamt ein höheres Einkommen erhält als dann, wenn ein Ruhen der Sozialversicherungsleistung vorgesehen wäre.

Es liegt in der Natur der Sache, dass durch die Einbeziehung der Urlaubsentschädigung und Urlaubsabfindung in den Begriff des Erwerbseinkommens die Anrechnung von durch das Ende des Dienstverhältnisses entstehenden Entgeltansprüchen zu unterschiedlichen Ergebnissen führt, je nachdem ob beispielsweise Urlaub während des Dienstverhältnisses in natura konsumiert wurde oder nicht. Für den Nichtverbrauch kommt nicht nur Krankheit in Betracht, sondern auch das Nichtzustandekommen einer Urlaubsvereinbarung. Mit seiner Regelung bleibt der Gesetzgeber aber durchaus im Rahmen des von ihm gewählten Ordnungsprinzips, den parallelen Bezug von Leistungen aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit und Erwerbseinkommen zu begrenzen. Dass sich diese Regelung unterschiedlich auswirkt, liegt auf der Hand und ist verfassungsrechtlich nicht bedenklich (vgl etwa SSV-NF 6/107 und RIS-Justiz RS0053889). Die Anregung, hinsichtlich der Bestimmung des § 254 Abs 6 ASVG einen Gesetzesprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof zu stellen, weil sie betreffend den Bezug von Urlaubsentschädigung, Urlaubsabfindung und Urlaubsersatzleistung keine differenzierte Regelung vorsieht, wird daher nicht aufgegriffen.

Somit ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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