OGH 11Os54/04

OGH11Os54/0427.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat am 27. Juli 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner, Dr. Danek, Dr. Schwab und Dr. Lässig als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Finster als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rita M***** und Kurt C***** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Kurt C***** sowie über die Berufungen der Staatsanwaltschaft und der Privatbeteiligten Dr. Gertrude und Adrian J***** gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 16. Jänner 2004, GZ 430 Hv 2/03b-124, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, welches auch einen rechtskräftigen Schuldspruch der Mitangeklagten M***** sowie einen Teilfreispruch des Angeklagten Kurt C***** enthält, wurde letzterer der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB (Punkt I des Urteilssatzes) und der Erpressung nach § 144 Abs 1 StGB (II) sowie der Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (III), der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (V 1 und 2) und des Vergehens nach § 50 Abs 1 Z 2 WaffG (VI) schuldig erkannt.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft Kurt C***** mit einer auf die Gründe der Z 6, 9, 10a und 11a des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Soweit sie sich erklärungsgemäß gegen die Schuldsprüche zu den Urteilsfakten II, III, V 2 und VI richtet, war sie sogleich zurückzuweisen, weil sie insoweit nicht ausgeführt wurde und diese Fakten betreffende Nichtigkeitsgründe bei der Anmeldung des Rechtsmittels nicht genannt wurden.

Nach dem für das Nichtigkeitsverfahren noch relevanten Teil der angefochtenen Entscheidung hat Kurt C***** am 25. April 2003 in Wien (zu I) zusammen mit M***** Dr. Gertrude J***** dadurch, dass Rita M***** sie in die Wohnung stieß, festhielt und ihr den Mund zuhielt sowie Rita M***** und Kurt C***** Dr. Gertrude J***** durch das Vorzimmer in die Küche drängten und dort zu Boden warfen, mit Klebebändern die Arme und Beine der Dr. Gertrude J***** und des Adrian J***** zusammenbanden und über deren Köpfe klebten sowie Kurt C***** Adrian J***** in einen anderen Raum zog und mit einem Fuß trat, sohin mit Gewalt gegen Personen, sowie dadurch, dass Kurt C***** eine Pistole mit Schalldämpfer gegen Dr. Gertrude J***** und gegen Adrian J***** richtete, mithin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, fremde bewegliche Sachen, nämlich im Spruch detailliert angeführte Geldbeträge und Wertgegenstände im Gesamtwert von mehr als 10.000 EUR mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie den Raub unter Verwendung einer Waffe verübten, und

(zu V) nachgenannte Urkunden, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechtes, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar

1) einen Zulassungsschein, einen Führerschein, eine Jahreskarte der Wiener Linien, eine Seniorenvorteilskarte der ÖBB, einen Archäologenausweis, einen Seniorenausweis, eine ÖAMTC-Mitgliedskarte und einen Kurier-Seniorenausweis, wobei sämtliche Urkunden auf Dr. Gertrude J***** lauten.

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu:

Die das Unterbleiben der Stellung einer Eventualfrage nach § 142 Abs 1 StGB monierende Fragenrüge (Z 6) legt nicht dar, weshalb durch die Unterlassung der Stellung einer (fälschlich, weil gar nicht zulässig [vgl 16 Os 4/89, 15 Os 23/01 und 154/01] als Eventualfrage bezeichneten) uneigentlichen Zusatzfrage (§ 316 StPO) nach unqualifiziertem Raub eine der in den §§ 312 bis 317 StPO enthaltenen Vorschriften verletzt worden sein soll. Gestattet doch § 330 Abs 2 erster Satz StPO, den - darüber ausdrücklich belehrten (vgl die letzte Seite der schriftlich erteilten Rechtsbelehrung sowie den Vermerk auf dem Formblatt über die Fragen an die Geschworenen [StPOFormProt 15] Blg ./A und ./B zu ON 123) - Geschworenen, eine (Haupt-)Frage nur teilweise zu bejahen. Darüberhinaus ist der Schwurgerichtshof nach § 317 Abs 2 StPO berechtigt, im Gesetz namentlich angeführte Erschwerungsgründe, die - wie vorliegend die Begehung der Raubtat unter Verwendung einer Waffe - den Gegenstand einer uneigentlichen Zusatzfrage bilden, in die Hauptfrage aufzunehmen. Die Beschwerde verfehlt damit (vgl EvBl 2003/43) ebenso die gesetzmäßige Ausführung des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes wie - der Vollständigkeit halber bemerkt - mit dem Vorbringen, die Mitangeklagte Rita M***** habe deponiert, im Zuge des Tatablaufes keine Waffe in Händen des Beschwerdeführers gesehen zu haben. Denn damit wird der Genannten im Widerspruch zu deren tatsächlicher Angabe, sie habe, mit der Durchsuchung der Handtasche eines der Tatopfer beschäftigt, auf einen vom Angeklagten in Händen gehaltenen Gegenstand nicht geachtet (S 235, 247/III), eine lückenlose Beobachtung des Mitangeklagten unterstellt.

Die Rüge aus Z 9 leitet die behauptete Unvollständigkeit des Wahrspruches in Bezug auf eine nur von sechs Geschworenen erfolgte (bejahende) Beantwortung der Hauptfrage 11 nicht aus dem - sich aus dem allein maßgeblichen Protokoll über die Fragen an die Geschworenen (StPO FormProt 15) ergebenden (zufolge des darin festgehaltenen Abstimmungsergebnisses 6:2 mängelfreien) - Wahrspruch selbst ab, sondern orientiert sich vielmehr ersichtlich bloß an dessen (nicht unter Nichtigkeitssanktion stehender) unrichtiger Wiedergabe in der Urteilsausfertigung (US 11). Sie ist damit (ebenfalls) nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt (vgl 10 Os 187/82; Mayerhofer StPO4 § 345 Z 9 E 8a; Philipp WK-StPO § 342 Rz 6).

Die Tatsachenrüge (Z 10a) vermag auf der Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken. Indem die Beschwerde nämlich - unter Vernachlässigung der (wiederholten) eindeutigen Agnoszierung des Angeklagten durch den Zeugen Adrian J***** (S 343/III; 337 f/I; ON 61), dessen Angaben zur Verwendung einer Pistole (S 343 und 347/III), der Wiedererkennung des im Pkw des Angeklagten sichergestellten Schalldämpfers durch die Zeugin Dr. Gertrude J***** (S 329, 333/III iVm 343 f/I) und der dezidiert belastenden Aussage der Mitangeklagten Rita M***** (S 243 f/III) - einzelne teils aus dem Zusammenhang gelöste Verfahrensergebnisse isoliert hervorhebt und die Glaubwürdigkeit der Mitangeklagten zu erschüttern trachtet, versucht sie bloß nach Art einer gegen kollegialgerichtliche Urteile unzulässigen Schuldberufung die zum Nachteil des Angeklagten ausgefallene Beweiswürdigung der Geschworenen in Zweifel zu ziehen.

Auch die gegen den Schuldspruch V/1 (wegen § 229 Abs 1 StGB) gerichtete Rechtsrüge (Z 11 lit a) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie mit der Behauptung mangelnder Deckung in den Beweisergebnissen den gebotenen Vergleich der im Wahrspruch in objektiver und subjektiver Hinsicht festgestellten Tatsachen mit dem darauf angewendeten Gesetz verfehlt (vgl Mayerhofer aaO § 345 E 2). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als nicht gesetzesgemäß ausgeführt, teils als offenbar unbegründet, bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichtes Wien zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§§ 285i, 344 StPO).

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