OGH 8Ob3/04f

OGH8Ob3/04f16.7.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I*****, vertreten durch Siemer-Siegl-Füreder & Partner, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei E*****, vertreten durch Dr. Viktor Igali-Igalffy, Rechtsanwalt in Wien, wegen zuletzt EUR 7.628,70 sA (Revisionsinteresse EUR 5.356,19 sA), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 11. September 2003, GZ 3 R 121/03s-29, mit dem infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes als Handelsgericht Korneuburg vom 17. April 2003, GZ 2 Cg 2/01x-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 399,75 (darin enthalten EUR 66,63 an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Die klagende Großhandelsgesellschaft stand mit der beklagten Elektrotechnikgesellschaft in einer jahrelangen Geschäftsbeziehung. Sie lieferte laufend elektrotechnische Produkte an die Beklagte. Die Klägerin erhielt von den Herstellern Preislisten mit von den Herstellern empfohlenen unverbindlichen Listenpreisen (den sogenannten "grünen Seiten"). In den "grünen Seiten" ist jeder einzelne Artikel durch eine Buchstabenkombination bezeichnet. Zu diesen Preisen verkaufte die Klägerin allerdings nicht, sondern gewährte regelmäßig umfassende Rabatte, je nach Art des Kunden (Umsatz, Abnahmemenge). Die Beklagte erhielt von der Klägerin eine sogenannte "Rabattkarte" in der die vorweg gewährten Rabatte angeführt werden. Preisverhandlungen dazu gab es bei den Bestellungen nicht mehr. Darüber hinaus würden aber bei Kunden, die bestimmte Waren in größeren Mengen bezogen oder Sonderbestellungen abgaben, in Einzelvereinbarungen Preise vereinbart und als "Nettopreise" ausgewiesen. Auch der Geschäftsführer der Beklagten handelte mit einem Außendienstarbeiter der Klägerin für ein bestimmtes Projekt "Nettopreise" aus.

Konkret ausgewiesen durch ausdrückliche Angabe des Prozentsatzes waren in den Rechnungen der Beklagten Rabatte im Ausmaß von EUR 11.362,55. Vergleicht man die mit den gegenständlichen Rechnungen der Beklagten in Rechnung gestellten Preise von EUR 28.875,04 mit den auf den "grünen Seiten" für die gelieferten Produkte empfohlenen Listenpreisen von EUR 60.366,99, ergibt sich ein Gesamtnachlass von EUR 31.491,96 auf diese Listenpreise.

Die allgemeinen Geschäftsbedingungen der klagenden Großhändlerin, auf die in sämtlichen Bestellscheinen, Lieferscheinen und Rechnungen hingewiesen wird, enthalten unter den der Überschrift "7. Zahlung" folgende Regelung:

"7.7. Eingeräumte Rabatte oder Boni sind mit dem termingerechten Eingang der vollständigen Zahlung bedingt."

Knapp vor Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Beklagten legte die Klägerin der Beklagten eine Rechnung über eine Nachverrechnung von Rabatten im Ausmaß von S 524.866,04. Nachdem diese Forderung vom Masseverwalter bestritten worden war, begehrte die Klägerin die Feststellung dieser Forderung als Konkursforderung. Nach Bestätigung eines Zwangsausgleiches mit einer Quote von 20 % begehrt sie nunmehr EUR 7.628,70 sA unter Berücksichtigung der Ausgleichsquote. Sie stützt sich auf Pkt. 7.7 der AGB, die Vertragsbestandteil geworden seien. Generell habe sie ihre Kunden in bestimmte Kategorien mit bestimmten Rabatten eingeteilt. Darüber hinaus seien für bestimmte Waren, die in größerer Menge bezogen worden seien, weitere Rabatte gewährt worden, ebenso hinsichtlich besonderer Bauprojekte. Die Bestimmungen der AGB seien nicht sittenwidrig und sollten die Klägerin gegen Zahlungsverzögerung und die Gefahren der Insolvenzverfahren absichern. Ein Verzicht auf die Nachverrechnung habe nicht stattgefunden. Jeder könne sich bei den sogenannten Nettopreisen die zweifache Rabattgewährung - einerseits allgemeiner Rabatt für diesen Kunden und andererseits Sonderrabatte - ausrechnen.

Die Beklagte - vorweg der Masseverwalter - beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im Wesentlichen ein, dass die Klägerin früher nie eine derartige Rabattnachverrechnung geltend gemacht habe und zwar selbst in den Fällen nicht, in denen sie die Forderungen wegen Zahlungsverzugs einklagte. Pkt. 7.7 der AGB sei auch nichtig gemäß § 879 ABGB, weil er selbst bei geringfügigen Zahlungsrückständen eine Nachverrechnung des gesamten Rabattes ermöglichen und damit einen Druck in Richtung vorrangiger Befriedigung dieses Gläubigers bewirken würde. Die Klägerin habe zumindest schlüssig auch auf die Nachverrechnung der Rabatte verzichtet. Schließlich focht der Masseverwalter die Nachverrechnung auch wegen objektiver Begünstigung nach § 30 Abs 1 Z 1 KO und wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nach § 31 Abs 1 Z 2 erster Fall KO an.

Im fortgesetzten Verfahren stützte sich die Beklagte - vormalige Gemeinschuldnerin - auch darauf, dass es sich bei den vorliegenden Kaufpreisvereinbarungen um Nettopreisvereinbarungen handle. Nachdem das Erstgericht im ersten Rechtsgang noch von einem schlüssigen Verzicht der Klägerin auf die Nachverrechnung der Rabatte ausging, hat es im zweiten Rechtsgang dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben. Es ging davon aus, dass die Rabatte durchaus nachvollziehbar seien. Die Klägerin habe Anspruch auf Zahlung des restlichen "bedingten" Kaufpreis.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte es insoweit im klagsabweisenden Sinne ab, als keine gesonderten Rabatte ausgewiesen waren. Es erachtete zwar grundsätzlich die Regelung des Pkt. 7.7 der AGB nicht als sittenwidrig im Sinne des § 879 ABGB. Es seien jedoch undeutliche Formulierungen in AGB zu Lasten desjenigen Vertragsteiles auszulegen, der sie verwende. Dies führe dazu, dass von der vorliegenden Regelung nur Rabatte oder Boni erfasst seien, die offengelegt würden, nicht aber die hier ebenfalls herangezogenen Sonderpreise . Die Klägerin habe sich auch ausdrücklich darauf gestützt, dass die gewährten Rabatte auf den einzelnen Rechnungen jeweils gesondert angeführt gewesen seien. Günstige Preise als solche fielen nicht unter den Rabattbegriff.

Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, weil zur Frage, ob unter Rabatt im Sinne des Pkt 7.7 der AGB nur die in der Rechnung ausgewiesenen Rabatte zu verstehen seien und zur Frage der Wirksamkeit dieser Klausel unter dem Aspekt des § 879 Abs 3 ABGB keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der klagenden Partei ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichtes (vgl § 508a Abs 1 ZPO) ist nicht zulässig, weil keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO releviert wird.

Dazu ist vorweg festzuhalten, dass auf die Frage der Wirksamkeit der hier herangezogenen Bestimmungen der AGB bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision der klagenden Parteien nicht einzugehen ist, da das Berufungsgericht ohnehin zu Gunsten der klagenden Partei die Wirksamkeit dieser Bestimmung unterstellt hat.

Die Auslegung von vertraglichen Bestimmungen im Einzelfall stellt jedoch regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl Kodek in Rechberger ZPO2 § 502 Rz 3). Dazu ist im vorliegenden Zusammenhang zu beachten, dass neben den den Verträgen zwischen den Streitparteien zugrundegelegten AGB auch besondere Vereinbarungen gerade im Zusammenhang mit den sogenannten "Nettopreisen" getroffen wurden. Dementsprechend können die AGB ja auch nicht für sich allein ausgelegt werden, sondern müssen im Zusammenhang mit diesen Vereinbarungen interpretiert werden. Diese auf den Einzelfall bezogene Beurteilung stellt jedoch regelmäßig keine Rechtsfrage dar, deren Beantwortung zur Wahrung der Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommen würde. Eine Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht, die vom Obersten Gerichtshof unter dem Aspekt der Rechtssicherheit im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifen wäre, vermag die klagende Partei nicht aufzuzeigen.

Die Streitteile haben - im Wesentlichen nunmehr unstrittig - unter Zugrundelegung der von der Klägerin herangezogenen AGB kontrahiert. Dass Unklarheiten in diesen von der Klägerin herangezogenen AGB zu ihren Lasten gehen, wurde bereits wiederholt ausgesprochen (vgl RIS Justiz RS0018008 mwN, RIS Justiz RS0017960 mwN).

Es wurde nur bei einzelnen Geschäften ein Sonderpreis ausgehandelt. Auch wurde nur bei einzelnen Rechnungen ein Rabatt ausgewiesen. Auch sonst werden von der Klägerin nicht die Preise laut den "grünen Seiten" verrechnet, sondern davon abweichende Preise. Allgemein ist darauf hinzuweisen, dass unter Rabatten regelmäßig Preisnachlässe gegenüber den Normalpreisen verstanden werden (vgl etwa RIS-Justiz RS0071723 mwN). Wenn das Berufungsgericht nun davon ausgegangen ist, dass für die Beklagte gar nicht ersichtlich sein musste, dass ihr "Rabatte" in diesem Sinne gewährt wurden, kann dem nicht entgegengetreten werden. Handelt es sich bei den "grünen Seiten" doch nur um unverbindlich empfohlene Listenpreise der Hersteller. Dass diese hier regelmäßig als "Normalpreise" von der klagenden Großhandelsgesellschaft ihren Kunden verrechnet worden wären, wurde weder behauptet noch nachgewiesen. Vielmehr wurde festgestellt, dass diese Preise üblicherweise zwischen der Großhandelsgesellschaft und den Wiederverkäufern nicht maßgeblich sind. Dies entspricht auch dem Umstand, dass es sich um Preisunterschiede von - wie der vorliegende Fall zeigt - durchschnittlich 50 % handelt. Es geht auch nicht darum, ob der Unterschied zwischen den "grünen Seiten" und den in der Geschäftsbeziehung zwischen den Beklagten maßgeblichen Preisen "nachvollziehbar" ist, sondern nur darum, ob dieser Unterschied auch ohne dass dies im Einzelfall deklariert worden wäre, als "Rabatt" im Sinne des Pkt 7.7 der AGB von einem "Normalpreis" zu verstehen ist. Soweit dies das Berufungsgericht im hier vorliegenden Fall verneint hat, vermag die Klägerin keine unrichtige rechtliche Beurteilung im dargestellten Sinn aufzuzeigen.

Abschließend ist nur noch darauf hinzuweisen, dass ja eine - auch nur faktische Verbindlichkeit - der Herstellerempfehlungen offensichtlich gerade nicht erreicht werden sollte (vgl zum Empfehlungskartell und den in diesem Zusammenhang bestehenden Verpflichtungen auch Barfuß/Wollmann/Tahedl, Österreichisches Kartellrecht, 50f). Insgesamt war daher mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50 und 41 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage hingewiesen.

Stichworte