OGH 9Ob49/04b

OGH9Ob49/04b26.5.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Ulrike D*****, vertreten durch Dr. Peter Bründl, Rechtsanwalt in Schärding, wider die beklagte und gefährdende Partei Dieter D*****, vertreten durch Dr. Klaus-Dieter Strobach und andere, Rechtsanwälte in Grieskirchen, wegen einstweiligen Unterhalts, infolge ordentlichen Revisionsrekurses der beklagten und gefährdenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis als Rekursgericht vom 7. Oktober 2003, GZ 6 R 230/03w-20, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Schärding vom 4. August 2003, GZ 1 C 30/03t-13, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte und gefährdende Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig, die klagende und gefährdete Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind seit 1993 verheiratet; der Ehe entstammen zwei mj Kinder. Im Dezember 2002 zog der Beklagte aus der im Wohnungseigentum der Klägerin stehenden Ehewohnung aus. Die Klägerin ist zumindest seit 1996 nicht berufstätig und hat kein eigenes Einkommen. Der Beklagte bezieht ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von EUR 2.437. Er leistet (regelmäßig) Zahlungen von monatlich 634,21 EUR zur Rückführung eines zur Finanzierung der Ehewohnung aufgenommenen Kredits, für den beide Ehegatten als Kreditnehmer haften. Nachdem der Beklagte im Jahr 1999 wegen besserer Verdienstmöglichkeiten den Arbeitsplatz gewechselt und in diesem Zusammenhang gegen eine mit seinem früheren Arbeitgeber vereinbarte Konkurrenzklausel verstoßen hatte, wurde er mit Urteil des ASG Wien vom 20. 1. 2003 zur Zahlung von 4.000 EUR samt Zinsen seit 1. 9. 1999 und zum Ersatz der Prozesskosten von EUR 2.654,33 verurteilt.

Zugleich mit ihrer Scheidungs- und Unterhaltsklage begehrte die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung, mit der dem Beklagten ab 1. 3. 2003 die Zahlung vorläufiger monatlicher Unterhaltsbeträge von EUR 700 aufgetragen werde.

Der Beklagte wandte - soweit dies im derzeitigen Verfahrensstadium noch von Interesse ist - im Wesentlichen ein, er leiste durch die Kreditrückzahlungen ausreichenden Naturalunterhalt. Bei der Ermittlung seiner finanziellen Leistungsfähigkeit sei auch auf die Verbindlichkeiten aus der Entscheidung im Arbeitsgerichtsverfahren durch Abzug von seinem Jahresnettoeinkommen Bedacht zu nehmen.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten im Provisorialverfahren schuldig, der Klägerin ab 1. 3. 2003 vorläufig monatliche Unterhaltsbeträge von je EUR 450 zu zahlen. Im Sinne des § 382 Z 8 EO sei der Unterhaltsanspruch im Provisorialverfahren nur ungefähr zu bemessen. Ungeachtet der erst im Februar 2003 ergangenen (zugestellten) Entscheidung im Arbeitsgerichtsverfahren seien die Kosten aus dem Arbeitsplatzwechsel bereits im Jahr 1999 angefallen und könnten daher die laufende Unterhaltsverpflichtung nicht mindern. Der Beklagte habe auch vor seinem Auszug die Schulden für die gemeinsame Ehewohnung im Rahmen seiner Beistandspflicht gegenüber der einkommenslosen Klägerin getilgt und auch die übrigen Ausgaben des Familienhaushalts getragen. Eine Gleichstellung mit dieser Situation sei nach Aufhebung der Lebensgemeinschaft am besten dadurch zu erreichen, dass die Kreditrate von der Bemessungsgrundlage - und nicht vom Unterhaltsbetrag - abgezogen werde. Ziehe man daher die monatliche Rückzahlungsrate vom monatlichen Nettoeinkommen ab, verbleibe als Bemessungsgrundlage ein Betrag von EUR 1.800; unter Berücksichtigung von zwei (weiteren) Sorgepflichten für die beiden ehelichen Kinder durch Abzug von je 4 Prozentpunkten von 33 % ergebe sich ein Unterhaltsanspruch von EUR 450 (25 % der verminderten Bemessungsgrundlage). Angesichts der familiären Umstände sei es der Klägerin unzumutbar, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Maßgabe, dass das über den Zuspruch hinausgehende Begehren abgewiesen wurde, und erklärte letztlich den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Es entspreche ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung, dass die Rückzahlungsraten für den zur Beschaffung der Ehewohnung erforderlichen Kredit in angemessener Weise auf den zu leistenden Unterhalt anzurechnen sind. Eine gänzliche Anrechnung auf den Naturalunterhalt komme jedoch nicht in Betracht. Bei der Anerkennung von Kreditrückzahlungen als Abzugspost von der Bemessungsgrundlage stehe die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners im Vordergrund, bei einem Abzug der Raten vom Geldunterhalt infolge der Qualifizierung als Naturalunterhalt werde der verminderte Bedarf des Unterhaltsberechtigten wegen Wegfalls von Wohnungskosten berücksichtigt. Entscheidend seien immer die Umstände des Einzelfalls. Im Hinblick auf den relativ hohen prozentuellen Anteil auch nur der Hälfte der Kreditraten am rechnerisch unter Orientierung an der Prozentsatzkomponente ermittelten Geldunterhaltsanspruch der Klägerin sei die Berechnungsmethode des Erstgerichts nicht als Verkennung der Rechtslage zu beanstanden. Ebenso wie Geldstrafen und Gerichtskosten könnten auch Prozesskosten keine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage bilden. Im Übrigen habe das Erstgericht nicht als bescheinigt angenommen, dass diese "Prozessverbindlichkeiten" vom Beklagten schon beglichen worden wären. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil eine gesicherte Rechtsprechung zur Anrechnung von Kredittilgungsraten auf den Geldunterhaltsanspruch nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Es entspricht ganz herrschender Rechtsprechung, der Ermittlung des - hier gar nicht mehr in Frage stehenden - monatlichen Durchschnittseinkommens des Unterhaltspflichtigen einen repräsentativen Beobachtungszeitraum (in der Regel etwa ein Jahr) zugrunde zu legen. Zutreffend hat bereits das Erstgericht darauf hingewiesen, dass die vom Beklagten ins Treffen geführte Konventionalstrafe im Zusammenhang mit der Verletzung eines Konkurrenzverbots nach einem Arbeitsplatzwechsel bereits im Jahr 1999 fällig wurde und daher nicht dem hier maßgeblichen Beobachtungszeitraum zuzuordnen ist. Soweit er nun im Revisionsrekurs selbst zugesteht, er habe dieses Pönale in Kauf genommen, um ein besseres Einkommen zu erzielen, so bleibt unverständlich, warum er einerseits seine Verbindlichkeit nicht bereits vor langer Zeit erfüllt hat und andererseits die (erhebliche) Kostenbelastung eines Gerichtsverfahrens auf sich nahm; dass er realistische Chancen gehabt hätte, das Begehren seines früheren Arbeitgebers abzuwehren, führt er gar nicht ins Treffen. Durch eine willkürliche Verschiebung (und Vergrößerung) seiner Zahlungspflicht aus der "Inkaufnahme der Zahlung eines Pönale" im Jahr 1999 kann er daher eine Verminderung seiner nunmehrigen Leistungspflicht nicht ableiten.

Zutreffend wendet sich der Beklagte jedoch gegen den Berechnungsansatz der Vorinstanzen, die von ihm regelmäßig geleisteten Rückzahlungsraten vor Ermittlung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin nach der "Prozentmethode" von der Bemessungsgrundlage (Nettoeinkommen) in Abzug zu bringen.

Vielmehr wurde wiederholt ausgesprochen, dass der Ehegatte im Rahmen seines Unterhaltsanspruchs nach § 94 Abs 2 zweiter Satz ABGB - also auch für die Zeit nach Aufhebung des gemeinsamen Haushalts - vom Unterhaltspflichtigen die Bestreitung der Kosten der von ihr als Ehewohnung zur Verfügung gestellten Eigentumswohnung im gleichen Ausmaß wie bisher zur Sicherung dieser Wohngelegenheit verlangen kann; dem steht auch nicht entgegen, dass der Unterhaltspflichtige dadurch auch zur Vermögensbildung des Unterhaltsberechtigten beiträgt, weil über daraus resultierende Ansprüche im nachehelichen Aufteilungsverfahren gemäß den §§ 81 ff EheG abzusprechen ist (RIS-Justiz RS0047242). Trägt der andere Eheteil die Kosten der Wohnung, so vermindert sich regelmäßig der Geldunterhaltsanspruch wegen der Deckung eines Teils der Lebensbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten (SZ 60/97; RIS-Justiz RS0005907, RS0009578/T 5). Die Aufwendungen für die Wohnung stellen grundsätzlich hinsichtlich aller Benützer der Wohnung einen auf den Geldunterhalt anrechenbaren Naturalunterhalt dar (7 Ob 613/95). Die Erbringung von Naturalleistungen vermindert die in Geld zu erbringende Unterhaltsleistung aber nur insoweit, als dadurch die Unterhaltsbedürfnisse des Unterhaltsberechtigten in einem Maß und in einer Art gedeckt sind, dass dieser zur Bestreitung seines vollständigen Unterhaltes nur noch eines geringeren Geldbetrags bedarf (EFSlg 70.581, 91.783). Bei der Minderung des Geldunterhaltsanspruchs sind die vom Unterhaltspflichtigen getragenen Wohnungskosten "angemessen" zu berücksichtigen (6 Ob 700/90, 2 Ob 354/99v, 6 Ob 258/01m), wobei diese Berücksichtigung stets von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist (2 Ob 354/99v, 6 Ob 258/01m ua). Dabei ist insbesondere auf die bisherige Übung der Kostentragung durch die Eheleute abzustellen (RZ 1996, 259, 6 Ob 258/03m).

Unstrittig ist, dass der Beklagte vor dem Verlassen der Ehewohnung die gesamten Kosten des Haushalts getragen hat. Es kann auch kein Zweifel daran bestehen, dass die Verweigerung zusätzlichen Geldunterhalts zur Gefährdung der Lebensbedürfnisse der Klägerin führte, stünden dieser doch keinerlei finanzielle Mittel für wesentliche Grundbedürfnisse (Nahrung, Bekleidung, Energieversorgung ...) zur Verfügung. Ein Rückgriff auf die bisherige Übung der (Natural-)Unterhaltsgewährung zeigt auch, dass die Kreditrückzahlungen - nichts anderes gelte etwa für Mietzinszahlungen - keineswegs allein der Klägerin zugute kamen; der bei ihr eingetretene Vermögenszuwachs durch die Verminderung der Belastung ihres Eigentums ist - wie bereits dargelegt - erst in einem ehelichen Aufteilungsverfahren zu berücksichtigen. Vielmehr diente die Begleichung der gesamten "Wohnungskosten" (einschließlich der Kreditrückzahlungen) der Versorgung der gesamten Familie mit Wohnraum, weshalb der diesbezügliche Aufwand im Zweifel nach Kopfteilen auf die Familienmitglieder zu verteilen ist (vgl nur RZ 1992/46, 1 Ob 159/03v; Stabentheiner in Rummel3 I § 94 ABGB Rz 12 mwN). Hier wurde die Wohnung (zumindest) von den Streitteilen sowie den beiden gemeinsamen Kindern bewohnt, sodass die Kreditrückzahlungen als Naturalunterhalt der Klägerin nur zu einem Viertel zuzuordnen waren. Der Beklagte kann diesen Anteil nun nicht dadurch zu seinen Gunsten erhöhen, dass er die Wohnung verlässt und an diesen Aufwendungen nicht mehr partizipiert; dass ihm etwa aus in der Person der Klägerin liegenden Gründen ein Weiterverbleib in der Wohnung nicht zumutbar wäre, macht er nicht geltend. Durch die Rückzahlung von monatlich 634,21 EUR erspart er der Klägerin daher weiterhin eigene Aufwendungen für eine Wohnmöglichkeit, weshalb es angemessen erscheint, ein Viertel davon, also rund 158,50 EUR von seiner Geldunterhaltspflicht in Abzug zu bringen. Ausgehend von einem nach der Prozentmethode ermittelten Geldunterhaltsanspruch der Klägerin von rund 610 EUR verbleibt damit ein Restbetrag von monatlich 451,50 EUR.

Der Revisionsrekurswerber ist daher nicht beschwert, wenn die Vorinstanzen einen vorläufigen Unterhalt von 450 EUR monatlich für berechtigt angesehen und das darüber hinausgehende Begehren abgewiesen haben.

Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten seines erfolglosen Revisionsrekurses gemäß den §§ 78 EO, 50 Abs 1, 40 Abs 1 ZPO endgültig selbst zu tragen. Die vorläufige Kostentragungspflicht der Revisionsrekursgegnerin ergibt sich aus § 393 Abs 1 EO.

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