OGH 8ObA36/04h

OGH8ObA36/04h29.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Zeitler und Dr. Vera Moczarski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hannes R*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer und Dr. Christian Orgler, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei H*****, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wegen EUR 418,11 brutto sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Jänner 2004, GZ 7 Ra 119/03d-15 den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der Kläger war vom 22. 4. 2002 bis 15. 10. 2002 als Bauhilfsarbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis war der Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe (in der Folge: KV) anzuwenden. Nach den Feststellungen hat der Kläger zwar auf 4 verschiedenen Baustellen, aber jeweils durchgehend entsprechend der Einteilung der Vorwoche gearbeitet. Ein spontanes Abrufen des Klägers von einer Baustelle auf eine andere Baustelle ist nicht erfolgt.

Der Kläger macht einen Anspruch auf Zehrgeld nach § 9 Abschnitt IV Z 1 lit c des KV für 34 Arbeitstage geltend. Er sei im September und Oktober 2002 kurzfristig zu Arbeiten abgeordnet worden.

Der Beklagte wendet im Wesentlichen ein, dass der Kläger ausschließlich dazu eingestellt worden sei, auf wechselnden Baustellen in Österreich zu arbeiten und gar keine "Abordnung" im Sinne des § 9 IV des KV vorliege.

Das Erstgericht hat die Klage im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass Bauarbeiter regelmäßig an verschiedenen Baustellen zum Einsatz gelangen und davon auch beim Kläger auszugehen sei. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zehrgeld, weil er weder kurzfristig abgeordnet worden sei noch die "Reise" länger als 8 Stunden gedauert habe.

Das Berufungsgericht hat der gegen diese Urteil erhobenen Berufung des Kläger keine Folge gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Zugrunde zulegen ist, dass sich der Ort, an dem sich der Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag zur Arbeit einzufinden hat (Dienstort, Arbeitsstätte), aus der individuellen Vereinbarung bzw ihrer Auslegung (Verkehrssitte) ergibt. Dabei wird meist schlüssig auf den Standort des Betriebes bzw gleichwertige "Arbeitsorte" (vgl dazu ausführlich OGH 14. 6. 2000, 9 ObA 48/00z = Arb 12.028) abgestellt, jedoch können Natur und Zweck (§ 905 ABGB) des Arbeitsverhältnisses auch wechselnde Arbeitsorte innerhalb eines bestimmten Bereichs ergeben (Arb 11.083; Arb 10.194). Bei Bauarbeiten wird im Zweifel angenommen, dass sie sich auf der jeweiligen Baustelle einzufinden haben (Grillberger, AZG² 22; OGH 17. 3. 2004, 9 ObA 109/03z; Arb 11.083; Arb 10.180; Arb 8.565; Arb 8.493 uva). "Wegzeit" ist nun jene Zeit, die der Arbeitnehmer für den Weg von der Wohnung (oder der sonstigen Stätte, an der er gerade Freizeit verbringt) zur Arbeitsstätte und zurück benötigt; sie zählt grundsätzlich nicht zur Arbeitszeit. Ob und inwieweit solche Zeiten ausnahmsweise zu vergüten sind, hängt von einzel- oder kollektivvertraglichen Vereinbarungen ab (Klein in Cerny/Klein/Schwarz, AZG 97; Grillberger, AZG² 22; zuletzt OGH 17. 3. 2004, 9 ObA 109/03z; Arb 11.083; Arb 10.180 ua). Hingegen sind "Reisezeiten" (Dienstreisen) Zeiten, in denen der Arbeitnehmer über Auftrag des Arbeitgebers vorübergehend seinen Dienstort (seine Arbeitsstätte) verlässt, um an anderen Orten seine Arbeitsleistung zu erbringen (9 ObA 109/03z mwN). Sowohl für Wegzeiten als auch für Reisezeiten können also Regelungen durch den KV getroffen werden.

§ 9 I des KV regelt die Fahrtkostenvergütung und das Wegegeld für die Arbeitnehmer die in einer gewissen Entfernung von der Arbeitsstätte wohnen, erfasst also die Frage der Vergütung der "Wegzeit".

§ 9 IV des KV wurde vom Berufungsgericht unbekämpft wie folgt zugrundegelegt:

"IV. Fahrtvergütungen und Zehrgelder

1. Arbeitnehmer, die vom Arbeitgeber von einer Arbeitsstelle auf eine andere Arbeitsstelle oder zu kurzfristigen Arbeiten abgeordnet werden, haben Anspruch auf:

a. Ersatz der Reisekosten für die einmalige Hin- und Rückfahrt.

b. Bezahlung der Reisstunden zum kollektivvertraglichen Stundenlohn ohne Aufzahlung, jedoch nicht mehr als 9,33 Stunden je Kalendertag.

c. Bezahlung eines Zehrgeldes in der Höhe von 1,81 Stundenlöhnen der Beschäftigungsgruppe III b je Kalendertag, wenn die Reise länger als 8 Stunden gedauert hat.....

4. Die Reisestunden umfassen die Zeit des Abganges vom Wohnort oder der Arbeitsstelle (Lagerplatz) bis zum Eintreffen am Bestimmungsort. "

§ 9 IV Z 1 des KV setzt nun auch für das Zehrgeld jedenfalls hinsichtlich der Abordnung von einer Arbeitsstelle zu kurzfristigen Arbeiten typische "Reisezeiten" im dargestellten Sinne voraus. Wegzeiten werden davon also nicht erfasst. Da der Kläger gar nicht behauptet hat, dass er nach dem Arbeitsvertrag nur am Sitz des Unternehmens (oder an einem anderen bestimmten Ort) hätte eingesetzt werden dürfen, ist davon auszugehen, dass die jeweiligen Baustellen seinen Dienstort darstellen und die zu deren Erreichung sowie zur Rückkehr an den Ausgangsort zurückgelegte Zeit als Wegzeit zu qualifizieren ist (Arb 10.180; Arb 8.565) und insoweit auch nicht die Voraussetzungen für das Zehrgeld durch eine "Abordnung zu kurzfristigen Arbeiten" nachgewiesen wurden.

Wenngleich nun die Ansicht des Berufungsgerichtes, dass es Voraussetzung für den Anspruch Zehrgeld wäre, dass die "Reise" selbst nur im Sinne der Wegzeit länger als 8 Stunden betrage (Definition der "Reisestunden" in der Z 4; hingegen "Reise" und nicht "Reisestunden" in Z 1 lit c), bei der Abordnung zu "kurzfristigen" Arbeiten nicht zu überzeugen vermag, ist also schon deshalb nicht näher darauf einzugehen. Inwieweit und unter welchen Voraussetzungen die Bestimmung des § 9 IV des KV also auch auf den Wechsel zwischen Baustellen (Arbeitsorten) zur Anwendung, zu gelangen hat, ist nicht weiter zu prüfen (vgl zum Begriff der Entsendung auch § 9 II Z 2 lit d aa des KV, der immer auf den Wohnort oder den "Aufnahmeort" abstellt soweit die Aufnahme nicht "eigens" für eine andere Arbeitsstelle erfolgte), da sich der Kläger darauf nicht gestützt hat.

Insgesamt vermag es der Kläger ausgehend von dem konkret geltend gemachten Anspruch nicht, eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO dazustellen.

Stichworte