OGH 8Ob140/03a

OGH8Ob140/03a29.4.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Adoptionssache Melissa R*****, geboren am *****, über den Revisionsrekurs von 1. Melissa R*****, 2. Susanna R*****, beide vertreten durch Dr. Stephan Prayer als Substitut des Dr. Leopold Wiedermann, öffentlicher Notar in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 16. September 2003, GZ 42 R 613/03p-14, womit über Rekurs der Antragsteller der Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 11. Juli 2003, GZ 3 P 22/03a-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Mit Antrag vom 24. 1. 2003 begehrten die Antragsteller unter Vorlage eines Adoptionsvertrages und der erforderlichen Personaldokumente die Annahme der mj. Melissa R***** durch Susanna R***** als Wahlmutter an Kindesstatt zu bewilligen. Die in Aussicht genommene Wahlmutter hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich und ist österreichische Staatsbürgerin. Das Wahlkind hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt auf den Philippinen und ist philippinische Staatsbürgerin.

Nach fruchtloser Aufforderung an die Antragsteller, das Vorliegen der Voraussetzungen einer internationalen Adoption nach dem Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption urkundlich durch Vorlage positiver Berichte der zuständigen Behörden binnen vier Wochen nachzuweisen, wies das Erstgericht den Adoptionsantrag zurück. Für die Bewilligung der Adoption sei aufgrund des Übereinkommens vorausgesetzt, dass ein entsprechender Antrag bei der zentralen Behörde des Aufnahmestaates (in Österreich der Landesjugendwohlfahrtsträger; für Wien die Wiener Landesregierung) gestellt worden sei. Da diese Antragstellung im Verfahren nicht nachgewiesen sei, seien die formalen Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Antrag sei daher zurückzuweisen.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem dagegen erhobenen Rekurs nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu Fragen des geltenden Haager Übereinkommens über die internationale Adoption nicht vorliege. Das am 1. 5. 1995 in Kraft getretene "Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption" sei sowohl von Österreich als auch von den Philippinen ratifiziert worden. Regelungsgegenstand des Übereinkommens seien internationale Adoptionen, bei denen die künftigen Adoptiveltern und das Kind ihren gewöhnlichen Aufenthalt in verschiedenen Vertragsstaaten haben. Die Vorschriften des Übereinkommens seien nur auf die Adoption von Kindern anzuwenden, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. In dem für die Überprüfung durch das Rechtsmittelgericht maßgeblichen Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz habe das in Aussicht genommene Wahlkind dieses Alter noch nicht erreicht. Das Übereinkommen sei daher auf die Adoption anzuwenden. Das Verfahren beginne mit einem Adoptionsantrag der künftigen Adoptiveltern, der an die zentrale Behörde des Aufnahmestaates - in Österreich die Landesregierung des Bundeslandes, in dem die Adoptiveltern ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben - zu richten sei. Die zentrale Behörde habe die rechtliche Fähigkeit und soziale Eignung der künftigen Adoptiveltern zu prüfen und einen umfassenden Bericht über diese zu erstellen. Dieser Bericht sei der zentralen Behörde des Heimatstaates des Kindes zu übermitteln. Diese Behörde habe ihrerseits über die das Kind betreffenden Umstände und Verhältnisse zu berichten. Da es somit in dem für das Rekursverfahren maßgeblichen erstinstanzlichen Entscheidungszeitpunkt an der Erfüllung der formalen Erfordernisse des zitierten Übereinkommens gefehlt habe, sei dem Rekurs ein Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs der Antragsteller ist nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung hat das Rekursgericht die angefochtene Entscheidung nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt ihrer Erlassung zu überprüfen (RIS-Justiz RS0006810). Das gilt auch für die Beschlussfassung in Adoptionssachen (RIS-Justiz RS0048768). Dem Rekursgericht ist daher darin beizupflichten, dass die Frage der Anwendbarkeit des Übereinkommens über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption, zu dessen Mitgliedsstaaten unter anderem Österreich und die Philippinen zählen (BGBl Nr 145/1999) aufgrund der im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Beschlussfassung gegebenen Verhältnisse zu prüfen ist.

Gemäß Art 2 Abs 1 des Übereinkommens ist dieses anzuwenden, wenn ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat ("Heimatstaat") in einen anderen Vertragsstaat ("Aufnahmestaat") gebracht worden ist, wird oder werden soll, unter anderem im Hinblick auf eine Adoption in Aufnahmestaat. Gemäß Art 3 ist das Übereinkommen nicht mehr anzuwenden, wenn die in Art 17 lit c vorgesehenen Zustimmungen der zentralen Behörden beider Staaten zur Fortsetzung des Adoptionsverfahrens nicht erteilt wurden, bevor das Kind das 18. Lebensjahr vollendet hat. Im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Beschlussfassung hat das Wahlkind, dessen Adoption hier begehrt wird, das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet, sodass die Vorschriften des Übereinkommens auf den Antrag anzuwenden waren.

Das Übereinkommen stellt zwingendes Recht dar. Gemäß Art 40 sind Vorbehalte dazu nicht zulässig. Es regelt aus dem Gedanken des Schutzes der Minderjährigen das Verfahren, ohne dass es eine Vereinheitlichung der Sachnormen bezweckte. Die Frage, bis zu welchem Alter ein Kind an sich adoptiert werden kann, bestimmt sich daher nach dem durch das Kollisionsrecht berufenen nationalen Recht. Liegt nach diesem das Höchstalter unter 18 Jahren, kann die Adoption allenfalls bereits aus diesem Grund ausgeschlossen sein. Die Anwendbarkeit des durch das Übereinkommen vorgeschriebenen Verfahrensganges wird aber dadurch nicht berührt (Rudolf, Das Haager Übereinkommen über die internationale Adoption ZfRV 2001, 183).

Gemäß Art 14 des Übereinkommens haben sich Personen mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem Vertragsstaat, die ein Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem anderen Vertragsstaat adoptieren möchten, an die zentrale Behörde im Staat ihres gewöhnlichen Aufenthaltes zu wenden. Diese Behörde hat gemäß Art 15 des Übereinkommens die Eignung der Antragsteller für eine Adoption zu prüfen und einen Bericht an die zentrale Behörde des Heimatstaates des Kindes zu übermitteln, die ihrerseits gemäß Art 16 alle der Sicherstellung des Wohles des Kindes erforderlichen Überprüfungen durchzuführen hat. Gemäß Art 4 und 5 des Übereinkommens können Adoptionen nur dann durchgeführt werden, wenn die Behörden des Heimatstaates und des Aufnahmestaates diese Erhebungen durchgeführt haben. Das Erstgericht hat die Antragsteller ausdrücklich zur Vorlage des Nachweises entsprechender Antragstellung aufgefordert. Dieser Aufforderung sind die Antragsteller nicht nachgekommen.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen (vgl dazu auch 1 Ob 145/03k).

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