OGH 8Ob10/04k

OGH8Ob10/04k29.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer, Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Klaus A*****, vertreten durch Dr. Peter Greil, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Marlene R*****, vertreten durch Dillersberger und Atzl Rechtsanwaltsgemeinschaft in Kufstein, wegen 133.396,35 EUR sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2003, GZ 3 R 150/03p-14, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat eine Bindungswirkung durch das im Vorverfahren ergangene Urteil nur soweit bejaht, dass die dort (als Hauptfrage) festgestellte Nichtigkeit des zwischen den Streitteilen geschlossenen Pflichtteilsübereinkommens als bindend zugrundezulegen sei. Gegen die Richtigkeit dieser Auffassung wendet sich auch der Revisionswerber - der die Rückzahlung der aufgrund des Pflichtteilsübereinkommens an die Beklagte geleisteten Zahlungen begehrt - nicht. Hingegen hat das Berufungsgericht zur hier maßgeblichen Frage der Anrechnung der vom Kläger auf das Pflichtteilsübereinkommen geleisteten Zahlungen (die Beklagte begehrte im Vorverfahren den ihr nach ihren Behauptungen zustehenden gesetzlichen Pflichtteil abzüglich der vom Kläger geleisteten Zahlungen) ausdrücklich eine Bindungswirkung durch das im Vorverfahren teilweise stattgebende Leistungsurteil verneint. Die Ausführungen in der Revision dazu, dass das Berufungsgericht entgegen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes von einer zu weiten Bindungswirkung ausgegangen sei, entbehren damit der Grundlage.

2. Dem Urteil im Vorverfahren, mit welchem die Nichtigkeit des Pflichtteilsübereinkommens gemäß § 879 Abs 2 Z 3 ABGB festgestellt wurde, kommt keine rechtsgestaltende Wirkung zu. Von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen wirkt eine Nichtigkeit nach § 879 ABGB ex tunc (vgl Krejci in Rummel³ § 879 ABGB Rz 251 mwN). Selbst wenn man den Tatbestand des § 879 Abs 2 Z 3 ABGB bloß als relativen Nichtigkeitsgrund ansieht, der der Geltendmachung des betroffenen Vertragspartners bedarf (vgl Krejci aaO Rz 248a), hat die hier beklagte Partei spätestens mit Einbringung der Klage im Vorverfahren diese Nichtigkeit releviert.

3. Damit stand aber der Beklagten als Klägerin des Vorverfahrens auch bereits bei Klageeinbringung im Vorverfahren die Verfügungsbefugnis über ihren Pflichtteilsanspruch zu. Der von ihr im Vorverfahren vorgenommene Abzug der vom Kläger im Hinblick auf das Pflichtteilsübereinkommen geleisteten Zahlungen von ihrem Pflichtteilsanspruch ist als zulässige stillschweigende (RIS-Justiz RS0033888; Dullinger in Rummel II3 § 1438 ABGB Rz 11) Aufrechnungserklärung ihres Pflichtteilsanspruches gegen den Rückforderungsanspruch des Klägers zu verstehen. Da der hier Beklagten im Sinne der dargelegten Grundsätze die Verfügungsbefugnis über ihre gesetzliche Pflichtteilsforderung im Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung zustand, die für das Eintreten der Tilgungswirkung erforderlich ist (RIS-Justiz RS0102346), wirkt die Aufrechnungserklärung der hier Beklagten auf den Zeitpunkt zurück, zu welchem die Forderungen einander zuerst aufrechenbar gegenüber standen (RIS-Justiz RS0033904).

Eine erhebliche Rechtsfrage wirft daher die Behandlung der außerordentlichen Revision des Klägers nicht auf.

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