OGH 3Ob259/03i

OGH3Ob259/03i25.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei E***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Heinz Meller, Rechtsanwalt in Wien, wider die verpflichtete Parteien 1. Dr. Monika U*****, und 2. Mag. Susanne B*****, vertreten durch Dr. Erhart Weiss, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an einer Liegenschaft, infolge der Revisionsrekurse aller Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 3. September 2003, GZ 47 R 685/03p-50, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 12. Juni 2003, GZ 18 E 38/01i-46, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Den Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird in Ansehung der ersatzlosen Beseitigung von Punkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses aufgehoben und die Exekutionssache insoweit an das Rekursgericht zur neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsrekurse selbst zu tragen.

Text

Begründung

Eine näher bezeichnete Wiener Liegenschaft steht im Eigentum der Streitteile (1/3 der betreibenden Partei, 1/6 der Erstverpflichteten und 1/2 der Zweitverpflichteten). Am 23. Oktober 2001 schlossen sie vor einem Bezirksgericht einen prätorischen Vergleich, in welchem sie die Aufhebung ihrer Miteigentumsgemeinschaft durch Begründung von Wohnungseigentum gemäß § 2 Abs 2 Z 2 WEG 1975 vereinbarten.

Das Erstgericht bewilligte den Antrag der betreibenden Partei auf "körperliche Teilung" der Liegenschaft durch Schaffung von Wohnungseigentum und bestellte einen Sachverständigen aus dem Fachgebiet des Immobilienwesens, der eine Bescheinigung gemäß § 6 Abs 1 Z 2 WEG 2002 und ein Nutzwertgutachten gemäß § 6 Abs 1 Z 3 WEG 2002 erstellte. Während die betreibende Partei und die Erstverpflichtete dieses Gutachten akzeptierten, bestritt die Zweitverpflichtete bis zuletzt die Richtigkeit desselben. Nach einer kontradiktorischen Verhandlung fasste das Erstgericht den Beschluss, mit dem es - folgend dem ergänzten Gutachten zur Nutzwertermittlung - die Nutzwerte und Mindestanteile der Wohnungen und sonstigen selbständigen Räumlichkeiten der Liegenschaft festsetzte (Punkt 1.), das Wohnungseigentum der betreibenden Partei an neun Objekten (insgesamt 1574/4706-Anteile), der Erstverpflichteten an fünf Objekten (insgesamt 782/4706-Anteile) und der Zweitverpflichteten an elf Objekten (insgesamt 2350/4706-Anteile) begründete (Punkt 2.), die Entscheidung über allfällige Ausgleichszahlungen unter den Miteigentümern vorbehielt (Punkt 3.) und einen Zwischenfeststellungsantrag der Zweitverpflichteten zurückwies (Punkt 4.). Es ging im Wesentlichen vom Nutzwertgutachten des Sachverständigen aus, das nicht gegen zwingende Grundsätze der Nutzwertberechnung verstoße. Da die Erstverpflichtete die von ihr mit Heizung und Bad ausgestatteten Wohnungen top 3 bis 4 und top 6 auf Stiege 3 erhalte, seien diese Verbesserungen durch Vornahme von Abschlägen für fehlendes Bad und fehlende Heizung von insgesamt acht Prozentpunkten bei diesen Wohnungen zu berücksichtigen gewesen. Ausgehend von den bei der Parifizierung ermittelten Mindestanteilen sei anzustreben gewesen, die bisherigen Miteigentumsanteile so weit wie möglich zu erhalten und den Interessen aller Miteigentümer bei der Verteilung möglichst entgegenzukommen. Mit der Aufteilung sei den Wünschen der Zweitverpflichteten (bis auf die Anzahl der Objekte) weitgehend entsprochen, das Interesse der Erstverpflichteten, die von ihr sanierten Wohnungen zu erhalten, und das Interesse der betreibenden Partei, die Dachbodenfläche als allgemeiner Teil der Liegenschaft zu erhalten, seien berücksichtigt worden. Die Frage, ob unter den Miteigentümern Wertausgleichszahlungen vorzunehmen seien, erfordere eine Schätzung aller Wohnungseigentumsobjekte. Da die Wertermittlung aufgrund der widerstreitenden Interessen, der Anzahl der Objekte und der sich daraus ergebenden möglichen Streitpunkte voraussichtlich eine lange Verfahrensdauer in Anspruch nehmen werde, sei zunächst bloß die Aufteilung vorzunehmen gewesen, damit die Miteigentümer nicht für eine unangemessen lange Zeit in der Verfügung über die ihnen zugewiesenen Wohnungseigentumsobjekte gehindert seien.

Das Rekursgericht hob über Rekurs der Zweitverpflichteten die Nutzwertfestsetzung (Punkt 1.) ersatzlos auf und verwies die Exekutionssache in Ansehung der Begründung von Wohnungseigentum und Objektzuweisung sowie des Vorbehalts der Ausgleichszahlungsverpflichtung (Punkte 2. Und 3.) zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs gegen den abändernden Teil (betreffend Punkt 1.) zulässig sei, weil Rsp zur bedeutsamen Rechtsfrage fehle, ob das Exekutionsgericht in einem auf die Begründung von Wohnungseigentum gerichteten Verfahren nach § 351 EO die Nutzwerte und Mindestanteile mit Beschluss festzusetzen habe. In der Lehre werde ohne nähere Begründung die Auffassung vertreten, dass alle diesbezüglichen Entscheidungen im Exekutionsverfahren zu treffen seien; zu beachten sei aber, dass die Nutzwerte gemäß § 9 Abs 1 WEG 2002 grundsätzlich nur durch ein Gutachten eines Ziviltechnikers oder eines allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen zu ermitteln seien, ohne dass eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung zu treffen wäre. Eine vom Nutzwertgutachten abweichende Nutzwertfestsetzung habe nur dann zu erfolgen, wenn einer der Tatbestände des § 9 Abs 2 Z 1 bis 5 WEG 2002 vorliege. In Wien sei in solch einem Fall überdies dem gerichtlichen Nutzwertfestsetzungsverfahren gemäß § 52 Abs 3 WEG 2002 ein Verwaltungsverfahren vor der Schlichtungsstelle vorgelagert. Eine Festsetzung der Nutzwerte und Mindestanteile, die mit dem Nutzwertgutachten völlig im Einklang stehe, sei dem Gesetz hingegen fremd. Im fortzusetzenden Verteilungsverfahren werde zunächst das Nutzwertgutachten zugrunde zu legen sein. Falls ein Miteigentümer bei der Schlichtungsstelle unter Berufung auf § 9 Abs 2 WEG 2002 einen Nutzwertfestsetzungsantrag einbringe, werde das Verteilungsverfahren gemäß § 190 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO bis zur rechtskräftigen Beendigung dieses Nutzwertfestsetzungsverfahrens zu unterbrechen sein. Für die Systemkonformität und Richtigkeit dieser Lösung spreche nicht zuletzt § 43 Abs 2 WEG 2002, wonach der Gesetzgeber die Nutzwertfestsetzung keiner Vorfragenbeurteilung durch den Streitrichter unterwerfe, sondern dem speziellen Außerstreitverfahren den Vorzug gebe. Ab welchem Zeitpunkt ein entsprechender Antrag bei der Schlichtungsstelle gestellt werden könne, entziehe sich einer Beurteilung durch das Exekutionsgericht und könne nur im einschlägigen Außerstreitverfahren abschließend geklärt werden.

Im Übrigen seien bei der Ermittlung der zuzuweisenden Realteile die Verkehrswerte maßgeblich. Die Relation zwischen dem Verkehrswert eines Wohnungseigentumsobjekts und dem Verkehrswert der gesamten Liegenschaft entspreche nicht unbedingt der Quote, die der Mindestanteil zum Ausdruck bringe. Da hier die Verkehrswerte der Liegenschaft und der einzelnen Objekte völlig im Dunkeln lägen, leide der erstgerichtliche Beschluss an einem Feststellungsmangel, der die Aufhebung der Entscheidung unumgänglich mache. Auf der Grundlage eines im fortzusetzenden Verfahren einzuholenden Gutachtens über den Verkehrswert sämtlicher Wohnungseigentumsobjekte werde ein neuer Teilungsbeschluss zu fassen sein, wobei eine - allfällige - Entscheidung über Ausgleichszahlungen gleichzeitig mit der Begründung und Aufteilung der Wohnungseigentumobjekte zu fällen sein werde.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sämtlicher Parteien sind zulässig und iS der Aufhebung des angefochtenen Beschlussteils auch berechtigt.

a) Nach § 351 Abs 2 EO sind im Teilungsverfahren ergehende Beschlüsse - mit Ausnahme des Teilungsbeschlusses selbst - nicht nur nicht mit abgesondertem Rekurs, sondern überhaupt nicht anfechtbar. Zweck dieser Bestimmung ist die Vermeidung von Verfahrensverzögerungen (stRsp, RIS-Justiz RS0004296; Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 351 Rz 36 mwN). Dieser Zweck erfordert jedoch eine einschränkende Auslegung des Rechtsmittelausschlusses; davon ausgenommen und daher anfechtbar sind neben dem Teilungsbeschluss selbst alle Beschlüsse, mit denen die Einleitung oder Fortsetzung des Verfahrens verweigert wird, insbesondere Einstellungsbeschlüsse (Höllwerth § 351 Rz 36; Klicka in Angst, EO, § 351 EO Rz 6 mwN). Der Oberste Gerichtshof schließt sich daher der Ansicht des Rekursgerichts an, dass die für die Liegenschaftsteilung durch Begründung von Wohnungseigentum erforderliche Nutzwertfestsetzung, die im Falle einer Festsetzung durch gerichtlichen Beschluss für den Teilungsbeschluss bindend ist, wegen ihres Zusammenhangs mit dem jedenfalls anfechtbaren Teilungsbeschluss selbst anfechtbar ist.

b) Nach stRsp ist die durch das 3.WÄG BGBl 1993/800 geschaffene Möglichkeit, nach § 2 Abs 2 Z 2 WEG 1975 - nun § 3 Abs 1 Z 3 WEG 2002 BGBl I 2002/70 - zur Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft Wohnungseigentum durch gerichtliche Entscheidung einzuräumen, eine Sonderform der Naturalteilung (3 Ob 52/02x = EvBl 2002/201 = RpflSlgE 2002/147 = immolex 2003, 177 mwN aus Lehre und Rsp). Dabei ist evident, dass die Schaffung von Wohnungseigentum keine Trennung durch Schaffung von Alleineigentum an getrennten Rechtsobjekten bedeutet, weil eben bei der Begründung von Wohnungseigentum die Miteigentumsgemeinschaft nicht aufgehoben, sondern nur in anderer Form fortgesetzt wird. Da es der Gesetzgeber aus welchen Gründen immer unterlassen hat, Vorschriften über die Durchführung der richterlichen Begründung von Wohnungseigentum im Teilungsverfahren oder im folgenden Exekutionsverfahren zu erlassen, obliegt es der Rsp, entsprechende Regeln für die Durchführung dieser Art der Teilung zu finden (3 Ob 52/02x mwN).

Im folgenden Exekutionsverfahren ist nun die nähere Art der Teilung mit den Parteien kontradiktorisch zu verhandeln und ein rechtsgestaltender Teilungsbeschluss zu fassen (3 Ob 52/02x mwN; Gamerith in Rummel3, § 841 ABGB Rz 7; Höllwerth aaO § 351 EO Rz 20, je mwN), wobei die konkrete Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum auch eine Parifizierung der Liegenschaft voraussetzt. Wenn es auch zutrifft, dass ein guter Teil der Regeln der §§ 841 bis 853 ABGB auf die Teilung durch Begründung von Wohnungseigentum nicht anwendbar ist, gilt das Gegenteil etwa für die Verpflichtung, die Teilung gemäß § 841 zweiter Satz ABGB zur Zufriedenheit eines jeden Sachgenossen vorzunehmen, für die Verbücherung nach § 846 ABGB und die Berücksichtigung der allfälligen Rechte Dritter nach §§ 847 f ABGB.

Der zweitinstanzlichen Auffassung, die Nutzwertfestsetzung habe mangels Einigung der Parteien bzw. Akzeptanz des von der betreibenden Partei vorgelegten oder im Exekutionsverfahren eingeholten Nutzwertgutachtens im dem nach dem WEG 2002 vorgesehenen Außerstreit- und nicht im Exekutionsverfahren zu erfolgen, kann der erkennende Senat nicht beitreten.

Im vorliegenden Fall herrscht unter den drei Miteigentümern Einigkeit über die Art der Teilung der gemeinsamen Liegenschaft (Begründung von Wohnungseigentum) und auch darüber, dass die erforderliche Nutzwertfestsetzung im Exekutionsverfahren durchzuführen ist, aber von Seiten eines Miteigentümers bestehen Bedenken über das Ergebnis der erstrichterlichen Nutzwertfestsetzung. Es widerspräche dem wesentlichen Zweck des Exekutionsverfahrens, eine rasche und effiziente Rechtsdurchsetzung zugunsten des betreibenden Gläubigers, dessen Anspruch bereits rechtskräftig festgestellt wurde, zu gewährleisten, wenn einem Verpflichteten iSd der vom Rekursgericht vertretenen Verfahrenskonstruktion die Möglichkeit geboten würde, nun durch - unbefristete - Einleitung eines Verwaltungsverfahrens vorerst vor der Schlichtungsstelle (die zu teilende Liegenschaft liegt in Wien) und einem daran anschließenden Außerstreitverfahren zur Festsetzung der Nutzwerte und Mindestanteile die titelgemäße Begründung von Wohnungseigentum zu erschweren und/oder auch nur zumindest zu verzögern. Die Verfahrenssituation ist daher mit der gemäß § 43 Abs 2 WEG 2002 vom Streitverfahren in das Außerstreitverfahren verwiesenen Vorfragebeurteilung nicht vergleichbar. Zutreffend ist der Exekutionsrichter in Übereinstimmung mit der von der zweiten Instanz richtig zitierten Lehre (Höllwerth in Burgstaller/Deixler-Hübner, EO, § 351 Rz 26 mwN) davon ausgegangen, dass er als Vorfrage aufgrund eines entsprechenden Gutachtens, zu dem sich die Parteien äußern konnten und hier auch auch geäußert haben, im Exekutionsverfahren nach § 351 EO die Nutzwertfeststellung und die konkrete Zuteilung der einzelnen Wohnungseigentumsobjekte selbst vorzunehmen hat. Die Anforderungen an eine möglichst schnelle Durchsetzung eines rechtskräftig zuerkannten Rechts gebieten es somit, dass die Nutzwertfestsetzung als Voraussetzung für die Bildung der Mindestanteile und deren Zuteilung an die Miteigentümer im Exekutionsverfahren zur Liegenschaftsteilung durch Begründung von Wohnungseigentum (§ 351 EO) durch das Exekutionsgericht selbst - und nicht durch das erst anzurufende Außerstreitgericht (in Wien auch der Schlichtungsstelle) bei Unterbrechung des Exekutionsverfahrens - zu erfolgen hat.

Die ersatzlose Beseitigung der erstgerichtlichen Nutzwertfestsetzung, ohne auf die dagegen von der Zweitverpflichteten in ihrem Rekurs vorgetragenen Argumente inhaltlich einzugehen, entspricht daher nicht der Rechtslage. Das Rekursgericht wird sich daher mit der Mängel- und Rechtsrüge der Zweitverpflichteten, auch was den Punkt 1. des erstgerichtlichen Beschlusses anlangt, auseinanderzusetzen und eine inhaltliche Entscheidung zu treffen haben.

Gemäß § 352 Abs 3 EO haben die Parteien mangels Vorliegens eines Zwischenstreits auch die Kosten des Revisionsrekursverfahrens selbst zu tragen.

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