OGH 4Ob29/04z

OGH4Ob29/04z16.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Richard H*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen den Beklagten Peter B*****, vertreten durch Mag. Christa Schatzl, Rechtsanwältin in Irdning, wegen 20.316,51 EUR sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 6. November 2003, GZ 3 R 176/03g-32, mit dem das Urteil des Landesgerichts Leoben vom 18. August 2003, GZ 5 Cg 189/01k-26, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger ist der Stiefsohn, der Beklagte der (außereheliche) Sohn des ersten Mannes von Theodora H***** (in der Folge: Erblasserin). Im Testament vom Februar 1985 bestimmte die Erblasserin den Kläger und dessen Frau zu ihren Erben. Am 13. 1. 1986 verfasste sie auf einem Blatt Papier folgenden Text:

"Karin S 300.000,- -, Seiser-Ziegerhof, K*****, M*****straße 17 LW: "Tante Dorli"

Gerit H*****, LW: "Tante Oma" S 1 Mio.

Gerti G*****, LW: "Dorli", S 500.000,--

Peter B*****, Wildalpen, LW: "Gerda" S 300.000,--

Theodora, dieses Buch gehört bei meinem Ableben Renate H*****, LW: "OMA"

Die Pfandbriefe gehören Renate und Richard jun. H*****, Radlberg, LW: "Hötzendorfstraße".

Auf der Rückseite der Verfügung vom 13. 1. 1986 brachte Theodora H***** folgende Vermerke an:

"Bücher bei Schöllerbank. LW: "Liane", C.A. gehören Richard und Renate H*****

Safe-Nr. 3, Schließfach 66 bei Volksbank."

Den Text vertraute sie ihrer langjährigen Freundin Gertrude G***** an. Im Juni 1987 errichtete die Erblasserin vor einem Notar ein weiteres Testament. Dort bestimmte sie abermals den Kläger und seine (damalige) Frau zu ihren Erben, dem Beklagten vermachte sie das Anwesen "Wildalpen". Am 4. 11 1991 verstarb die Erblasserin. Noch vor dem 15. 11. 1991 zeigte Gertrude G***** dem Kläger und seiner Frau das ihr von der Erblasserin anvertraute Schreiben. Da sie von dessen Inhalt schon aus Berichten der Erblasserin gewusst hatte, hielt sie die im Aufsatz genannten Sparbücher und auch Wertpapiere, darunter auch das Sparbuch der Volksbank "NÖ-Mitte" mit der Nr. 6200612 und das Wertpapier (Bundesanleihe) mit der EKG-Nr. 2761 in Händen. Der Kläger und seine Ehefrau stimmten der Verteilung der Vermögenswerte gemäß dem Aufsatz der Erblasserin aus Respekt vor der Verstorbenen und auch wegen der weitgehenden Verschweigung der Vermögenswerte im Verlassenschaftsverfahren zu. Gertrude G***** nahm daher die Verteilung gemäß dem schriftlichen Aufsatz der Erblasserin vor. Der Beklagte empfing von ihr das Sparbuch der Volksbank "NÖ-Mitte" mit der Nr. 6200612 und das Wertpapier mit der EKG-Nr. 2761. Im Dezember 1991 nahm das Verlassenschaftsgericht die unbedingten Erbserklärungen des Klägers und seiner damaligen Frau an; gleichzeitig übertrug es ihnen die Vertretung und Verwaltung des Nachlasses. Im April 1992 antwortete es den Nachlass je zur Hälfte dem Kläger und seiner (damaligen) Frau ein. Im Juli 1998 beantragte der Kläger die Ergänzung der Verlassenschaftsabhandlung wegen neu entdeckter Nachlassstücke. Dabei bezog er sich unter anderem auf die Forderungen aus dem Sparbuch der Volksbank "NÖ-Mitte" mit der Nr. 6200612 und aus dem Wertpapier zu EKG-Nr. 2761. Das Abhandlungsgericht stellte mit Beschluss vom Oktober 1998 unter anderem diese Werte als weitere Bestandteile des Nachlasses nach der Erblasserin fest.

Der Kläger begehrte zuletzt (AS 114) 20.316,51 EUR sA. Seinen Anspruch leitete er aus seiner Stellung als eingeantworteter (Mit-)Erbe der Erblasserin ab. Dagegen habe der Beklagte das Sparbuch und das Wertpapier rechtsgrundlos erhalten, weil er weder Erbe noch - bezogen auf die streitverfangenen Vermögenswerte - Vermächtnisnehmer der Erblasserin gewesen sei. Das Vermächtnis vom Jänner 1986 sei ungültig, weil es die Erblasserin nicht unterschrieben habe. Als der Kläger wenige Tage nach deren Tod mit Gertrude G***** wegen der Verteilungsanordnungen der Erblasserin gesprochen habe, habe er den Nachlass nicht vertreten können. Er habe Gertrude G***** nie aufgetragen, dem Beklagten die streitbezogenen Vermögenswerte auszufolgen. Der Beklagte habe bei Empfang des Sparbuchs und des Wertpapiers unredlich gehandelt, er sei unrechtmäßig bereichert. Die Höhe seiner Forderung leitete der Kläger aus dem Einlagenstand des Sparbuches bei der Volksbank "NÖ-Mitte" zum Stichtag Dezember 1991 (479.122,65 S) und dem Nominalwert des Wertpapiers (80.000 S) ab; hievon gebühre ihm gemäß den Ergebnissen des Abhandlungsverfahrens die Hälfte. Der Kläger führe die Klage zumindest mit dem stillschweigenden Einverständnis der anderen Miterbin; da die Forderung auf Zahlung von Geld gerichtet sei, brauche er deren Einverständnis aber ohnehin nicht. Den Anspruch des Beklagten habe er nie anerkannt; für den eingeklagten Bereicherungsanspruch gälte eine dreißigjährige Verjährungsfrist.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Das Sparbuch und das Wertpapier seien ihm im Einverständnis mit dem Kläger und der anderen Miterbin ausgefolgt worden. Die nachträgliche Erfüllung habe das an sich formungültige Kodizill geheilt. Mit dem von der Erblasserin später verfassten Testament habe sie die Anordnungen im Kodizill vom Jänner 1986 nicht umstoßen wollen. Da der Kläger das Kodizill der Erblasserin wegen Formungültigkeit umstoßen wolle, sei die Forderung bereits verjährt. Gleiches gälte für den Rückgriff auf das Irrtumsrecht. Überhaupt könne der Kläger den Anspruch nur gemeinsam mit der anderen Miterbin einklagen. Hilfsweise berief sich der Beklagte darauf, die empfangenen Leistungen gutgläubig verbraucht zu haben, weshalb das Zinsenbegehren unbegründet sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Neben dem einleitend wiedergegebenen - nicht strittigen - Sachverhalt stellte es weiters fest, dass die Erblasserin mit dem Text vom 13. 1. 1986 letztwillige Anordnungen habe treffen wollen. Das von ihr nicht unterfertigte Blatt habe sie in ein Kuvert verschlossen. Auf der Vorderseite des Briefumschlags habe sie dessen Empfänger für die Zeit nach ihrem Tode benannt. Auf der Kuvertrückseite habe sie Folgendes geschrieben: "Sollte mit Karin Z***** etwas sein, ist Frau Elfriede S***** berechtigt, das Buch zu erhalten." Diese Textzeilen habe sie mit eigener Hand unterschrieben. Das verschlossene Kuvert habe sie schließlich Gertrude G*****, die vom Inhalt aus Erzählungen der Erblasserin gewusst habe, mit dem Auftrag ausgehändigt, nach ihrem Tod gemäß den Anweisungen im Kuvert zu verfahren. Mit dem im Testament vom Juni 1987 erklärten Widerruf vorangegangener letztwilliger Anordnungen habe die Erblasserin nicht den Aufsatz vom Jänner 1986 gemeint.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht die letztwillige Anordnung der Erblasserin vom Jänner 1986 als formgültiges Vermächtnis. Die Erblasserin habe zwar das Blatt im Inneren des verschlossenen Kuverts nicht unterschrieben, der Text auf der Kuvertrückseite setze aber den Blattinhalt fort; diese Textzeilen habe sie eigenhändig unterschrieben. Das Blatt und der Umschlag müssten daher als einheitliches Ganzes bewertet werden. Der Anspruch des Klägers scheitere aber auch an seinem Einverständnis zu den von Gertrude G***** vorgenommenen Verfügungen. Ob der Kläger auch bei einem Wissen um die zeitliche Abfolge (Vermächtnis: Jänner 1986; Testament: Sommer 1987) der Zuwendung an den Beklagten beigepflichtet hätte, sei nicht feststellbar gewesen. Das Verjährungsrecht stünde aber einer Anfechtung wegen Irrtums entgegen. Als der Kläger zusammen mit seiner damaligen Frau wenige Tage nach dem Tod der Erblasserin den Zuwendungen laut Anordnungen vom Jänner 1986 zugestimmt habe, habe er noch nicht für den Nachlass handeln können. Die spätere Einantwortung habe aber die zunächst fehlende Vertretungsmacht saniert. Zuletzt billigte das Erstgericht auch die Berechtigung der Verjährungseinrede: Für einen Klageerfolg müsse der Kläger die formgültige Anordnung vom Jänner 1986 "umstoßen"; dafür sei nur eine dreijährige Verjährungsfrist offen, die spätestens 1997 zu laufen begonnen habe.

Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf; es sprach aus, dass der Rekurs gegen diese Entscheidung zur Wahrung der Rechtseinheit und Rechtssicherheit im Hinblick auf die zu 7 Ob 118/02g ergangene Entscheidung zulässig sei. Beide Parteien seien davon ausgegangen, dass der Text der Erblasserin vom Jänner 1986 ein formungültiges Vermächtnis sei. Mit seiner Rechtsansicht, der Beklagte sei Begünstigter eines formgültigen Vermächtnisses, habe das Erstgericht die Parteien überrascht und gegen § 182a ZPO verstoßen. Es liege ein Stoffsammlungsmangel vor, der die Aufhebung der Entscheidung nach sich ziehe. Der Mangel sei nämlich erheblich: Das Erstgericht nehme an, dass sich nur eine einzige Urkunde im Kuvert befunden habe. Dies sei insofern bemerkenswert, als in der im Ersturteil festgestellten "Anordnung" das gegenständliche Wertpapier mit der EKG-Nr. 2761 (Nominalwert 80.000 S) nicht erwähnt werde. Gehe man vom Verständnis der Anordnungen der Erblasserin vom Jänner 1986 als formgültiges Vermächtnis aus, dann dränge sich die Frage auf, wo sich nun die Verfügung über das genannte Wertpapier finde und ob für diese Anordnung die erstrichterlichen Überlegungen unverändert gälten. Die vom Erstgericht überraschend geäußerte Rechtsmeinung habe die Parteien bisher von einem zielführenden Vorbringen auch in diesem Sinne ausgeschlossen. Der Verfahrensmangel könne sich demnach auf das Verfahrensergebnis auswirken.

In rechtlicher Hinsicht sei zu prüfen, ob der von der Erblasserin im Jänner 1986 verfasste Text den in § 578 ABGB vorgegebenen Formerfordernissen genüge. Der Kläger sehe diese Rechtsfrage unzutreffend durch die Entscheidung des Obersten Gerichtshof zu 7 Ob 118/02g als gelöst an. Dort habe es der Oberste Gerichtshof nämlich als unstrittig ansehen müssen, dass die von der Erblasserin zwar handschriftlich verfasste, jedoch nicht unterfertigte Verfügung nicht die in § 578 ABGB verankerten Formerfordernisse für ein eigenhändiges schriftliches Testament oder Kodizill erfülle. Wegen des unstrittigen Vorliegens eines formungültigen Vermächtnisses sei im dortigen Verfahren die Bedeutung der auf der Kuvertrückseite von der Erblasserin eigenhändig gesetzten Unterschrift nicht zu behandeln gewesen. Es liege auch kein Fall einer erstreckten Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen vor. Der Berufungssenat gehe zunächst davon aus, dass der Erblasser letztwillige Anordnungen eigenhändig unterschreiben müsse, und zwar am Schluss des als Verfügung Gewollten; die Unterschrift müsse sich auf der Urkunde selbst befinden, nicht aber beispielsweise bloß auf dem Umschlag. In § 578 ABGB heiße es allerdings nur ganz allgemein, das Testament oder Kodizill müsse eigenhändig geschrieben und eigenhändig mit dem Namen des Testators unterschrieben sein. Nach anderer Auffassung genüge allerdings die Unterschrift auf dem Umschlag dann, wenn der Text des Testaments (Vermächtnisses) auf dem Umschlag fortgesetzt werde, weshalb er wie ein eigenes Blatt des Textes zu behandeln sei. Dieser Ansatz erscheine nur konsequent, weil nach der Rechtsprechung die am Ende einer Urkunde gesetzte Unterschrift den ganzen vorangegangenen Text auch dann decke, wenn der Testator den Text auf mehreren unverbundenen Blättern geschrieben habe, sofern die Echtheit und der Zusammenhang unstrittig seien. Der Oberste Gerichtshof habe schon ausgesprochen, dass es sich dann, wenn der Text auf dem Umschlag fortgesetzt werde, dabei um das letzte Blatt der letztwilligen Verfügung handle, die nicht als Ganzes in einem einheitlichen Akt geschrieben werden müsse. Dieses Verständnis entspreche bei ähnlicher Rechtslage der Rechtsprechung in Deutschland.

Die Vorderseite des von der Erblasserin beschriebenen Kuverts habe eine selbstständige Bedeutung; sie benenne die möglichen Empfänger. Der Text auf der Kuvertrückseite habe dagegen keine selbstständige Bedeutung; er mache nämlich für sich allein genommen keinen Sinn, sondern sei vielmehr gedankliche Fortsetzung eines anderen Textes. Ein vernünftiges Textverständnis ergebe sich erst, wenn man den Bogen laut Beilage ./A (erstes Blatt) mitlese. Dieser - nach den vom Kläger im Rahmen der Verfahrensrüge angezweifelten Feststellungen - einliegende Bogen beginne ja mit Zuwendungen an "Karin" (Karin S*****), die Kuvertrückseite setze mit der Bestimmung eines Ersatzlegats für Karin S***** (dort als Karin Ziegerhofer-Seiser benannt) fort. Diese Textteile bildeten daher eine gedankliche Klammer. Deshalb sei es einsichtig, den Text im Inneren des verschlossenen Kuverts und den Text auf der Kuvertrückseite als in einem so engen inneren Zusammenhang stehend zu bewerten, dass das auf der Kuvertrückseite Geschriebene nach dem Willen der Erblasserin und der Verkehrsauffassung als äußere Fortsetzung und Abschluss der einliegenden Erklärungen erkannt werden könne. Dann wäre der Teil des Umschlages Teil des Vermächtnisses. Insoweit schließe die Unterschrift der Erblasserin den gesamten Text ab. Ob die Erblasserin den Text auf der Kuvertrückseite zeitgleich mit dem Abfassen der streitbezogenen Urkunden im Kuvertinneren geschrieben habe, brauche dagegen nicht zu interessieren. Bei eigenhändigen Testamenten (Vermächtnissen) verlange das Gesetz nämlich keine zeitliche Einheit des Testierakts; maßgebend sei nur die räumliche Verbindung zwischen Text und Unterschrift.

Die rechtliche Beurteilung im Ersturteil stimme genau mit dem eben angeführten Auslegungsergebnis überein (dies allerdings erst dann, wenn sämtliche für den Beklagten bedeutsamen Urkunden im verschlossenen Kuvert gewesen, sowie die zuvor angeführten Kriterien erfüllt seien). Mit dieser Rechtsmeinung habe das Erstgericht die Parteien allerdings überrascht, was der Kläger mit Recht als Verfahrensmangel habe aufgreifen können. Im fortgesetzten Verfahren werde das Erstgericht daher die Sache mit den Parteien im aufgezeigten Sinn zu erörtern haben. Je nach dem Ergebnis dieser Erörterungen werde es sodann feststellen müssen, welche Urkunden sich im verschlossenen Kuvert befunden hätten, und ob der Text auf der Kuvertrückseite vom Willen der Erblasserin getragen sei, die Erklärungen im Kuvertinneren fortzusetzen und abzuschließen. Den Beweis der äußeren Formrichtigkeit des Vermächtnisses habe allerdings der Beklagte zu führen.

Die anderen im Ersturteil herangezogenen Abweisungsgründe überzeugten dagegen nicht: Nach den Urteilsfeststellungen hätten der Kläger und seine Frau nach dem Tod der Erblasserin in eine Verteilung der Nachlassstücke gemäß deren Vorgaben eingewilligt; damals sei ihnen noch nicht die Vertretung und Verwaltung des Nachlasses übertragen gewesen. Ein Handeln namens des Nachlasses scheide daher aus. Ein die Rückforderung nach § 1432 ABGB ausschließendes Erfüllen könne nämlich nur durch den Vertreter des Nachlasses oder den Erben geschehen. Eine mögliche Sanierung durch die nachträgliche Einantwortung sei aus den Feststellungen nicht abzuleiten. Auch ein schuldrechtlicher Anerkennungsvertrag, der gleichfalls die Rückabwicklung auf Grund eines formungültigen Vermächtnisses ausschließen würde, sei nicht zu sehen. Weiters sei nach der Rechtsprechung die Konvaleszenzbestimmung in § 1432 ABGB im Fall der Übergabe auf den Todesfall im Hinblick auf den Zweck der Formvorschrift unanwendbar. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1487 ABGB komme hier nicht zum Tragen, weil der Kläger das Begehren auf seine Position als eingeantworteter Erbe stütze; es sei der Beklagte, der behaupte, einen Rechtstitel für das Behalten der empfangenen Nachlassstücke zu haben. Etwas anderes hätte nur dann zu gelten, wenn das in Rede stehende Vermächtnis der Verlassenschaftsabhandlung zugrunde gelegt worden wäre.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist zulässig, weil Rechtsprechung zu einem vergleichbaren Sachverhalt fehlt; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Der Kläger wirft dem Berufungsgericht vor, mit seiner Entscheidung von Grundsätzen der Entscheidungen 7 Ob 118/02g (teilweise veröffentlicht in ecolex 2002, 809) und 2 Ob 538/78 = SZ 51/85 abgewichen zu sein. Dazu ist zu erwägen:

Beim eigenhändigen (holografen) Testament oder Kodizill muss der Erblasser den Text eigenhändig schreiben und unterschreiben (§ 578 ABGB). Die gesetzliche Formvorschrift bezweckt die Individualisierbarkeit (Welser in Rummel, ABGB³ § 578 Rz 2; Eccher in Schwimann, ABGB² § 578 Rz 2). Für Schreibmaterial und Textträger bestehen keine Vorschriften; der Text kann stehen, wo immer er lesbar ist (Welser aaO Rz 4 mwN). Die Unterschrift ist begrifflich der Vollendungsakt des eigenhändigen Testaments und hat abschließende Wirkung. Sie muss am Schluss des Textes stehen, diesen räumlich abschließen und den Inhalt vollständig decken (Weiß in Klang III² 305). Entsprechend der ihr zugedachten Funktion hat die Unterschrift zumindest in einem solchen räumlichen Verhältnis zum Text der Erklärung zu stehen, dass sie als Abschluss und nach der Verkehrsauffassung die letztwillige Anordnung deckend angesehen werden kann (SZ 41/23; SZ 51/85). Bei Verwendung mehrerer loser Blätter muss zwar nicht jede Seite unterfertigt werden, doch muss zwischen den unterfertigten und nicht unterfertigten Teilen ein räumlicher oder inhaltlicher Zusammenhang bestehen, sodass von einem einheitlichen Schriftstück gesprochen werden kann (Weiß in Klang III² mit Nachweisen zur Rsp; Eccher aaO Rz 5).

Nach Auffassung der überwiegenden österreichischen Lehre (Weiß aaO 306; Welser aaO Rz 5; Eccher aaO Rz 5) muss sich die Unterschrift auf der Urkunde selbst befinden, nicht zB auf dem Umschlag. Kralik (in Ehrenzweig, System des österreichischen allgemeinen Privatrechts³ IV 132) tritt dieser Meinung für den Fall bei, dass sich auf dem Umschlag die bloße Unterschrift des Erblassers befindet; anderes soll nach diesem Autor hingegen dann gelten, wenn der Text des Testaments auf dem Umschlag fortgesetzt werde, sodass dieser wie ein eigenes Blatt des Textes zu behandeln sei. Dieser Meinung schloss sich der Oberste Gerichtshof in der Begründung der Zurückweisung eines außerordentlichen Revisionsrekurses an und führte dort aus, dass dann, wenn der Text einer eigenhändig geschriebenen letztwilligen Verfügung auf dem Umschlag fortgesetzt werde, es sich dabei um das letzte Blatt der letztwilligen Verfügung handle (5 Ob 1571/94 = EFSlg 75.297).

Auch nach deutscher Rechtslage ist eine vom Erblasser eigenhändig geschriebene und unterschriebene Erklärung ein gültiges Testament (§ 2247 Abs 1 BGB). Das Erfordernis der Unterschrift folge aus dem Zweck der Rechtssicherheit, nämlich Identifikation des Erblassers, sein Bekenntnis zum Inhalt, und Kennzeichnung des Abschlusses der Verfügung (Edenhofer in Palandt, BGB63 § 2247 Rz 11). Ob die Unterschrift auf einem Briefumschlag ausreicht, ist strittig (eine Übersicht zum Meinungsstand in Lehre und Rechtsprechung findet sich bei Baumann in Staudinger, BGB Neubearbeitung 2003 § 2247 Rz 101). Nach Baumann (aaO Rz 102 mwN) könne es für die Beurteilung der Frage, ob in einem solchen Fall ein unterschriebenes Testament vorliege, nicht auf die Verschließung des Umschlags ankommen. Die Errichtung eines Testaments könne auf verschiedenen Materialien erfolgen; entscheidend müsse sein, dass der Umschlag die Fortsetzung der Testamentsbögen sei. In einem solchen Fall schließe die Unterschrift auf dem Umschlag das im Umschlag enthaltene Testament ab. Insofern könne der offene (oder verschlossene) Testamentsumschlag mit dem letzten Blatt einer Niederschrift gleichgesetzt werden. Die Fortsetzung könne sich durch Vermerke oder Bezugnahmen auf den Inhalt des Testaments ergeben. Ob ein solcher innerer Zusammenhang zwischen Testament und Umschlag bestehe, sei als Tatfrage unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu entscheiden.

Der erkennende Senat hält in der hier entscheidenden Frage, wie eine Unterschrift auf einem Umschlag zu beurteilen ist, in dem sich ein vom Erblasser eigenhändig verfasster Text befindet, der seinem Inhalt nach als Kodizill zu deuten ist, die von Kralik und Baumann vertretene Ansicht (die schon in der Entscheidung EFSlg 75.297 anklingt) für überzeugend. Hat demnach die Unterschrift auf dem verschlossenen Umschlag keine selbstständige Bedeutung (etwa als bloßer Absendervermerk) und steht sie mit dem Text auf dem einliegenden Blatt (den einliegenden Blättern) in einem so engen inneren Zusammenhang, dass sie sich nach dem Willen des Erblassers und der Verkehrsauffassung als äußere Fortsetzung und Abschluss der einliegenden Erklärung darstellt, ist der Umschlag Teil der Gesamturkunde, sodass die darauf angebrachte Unterschrift - Echtheit sowie Bestimmtheit des Testierwillens vorausgesetzt - die Gültigkeit der letztwilligen Verfügung (des Kodizills) bewirkt.

Die vom Berufungsgericht zur Grundlage seines Aufhebungsbeschlusses gemachte Rechtsansicht wird somit ausdrücklich gebilligt; seine Überlegungen betreffend die wechselseitigen Verbindungshinweise zwischen inliegendem Text und auf dem Umschlag oberhalb der Unterschrift angebrachtem Text werden in die tatrichterliche Beurteilung einzubeziehen sein.

Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass es eine Frage der rechtlichen Beurteilung eines Sachverhalts ist, ob ein formgültiges Kodizill vorliegt; es ist deshalb weder ein Sachvorbringen dazu erforderlich, noch eine Parteiendisposition (Außerstreitstellung) über diese Rechtsfrage möglich. Dass die Entscheidung 7 Ob 118/02g von einem formungültigen Kodizill ausgeht, hat seinen Grund darin, dass dort (nur) eine handschriftliche Verfügung der Erblasserin zu beurteilen war; dass sich diese Verfügung etwa in einem beschrifteten Umschlag (ua mit Unterschrift der Erblasserin) befunden hätte, war dort offenbar kein Thema. Insofern ist im Anlassfall also ein anderer Sachverhalt rechtlich zu würdigen, weshalb - entgegen der Auffassung des Rekurswerbers - kein Widerspruch zur genannten Entscheidung vorliegt.

Auf die vom Kläger breit ausgeführten Argumente, die seiner Auffassung nach gegen die Gültigkeit des in Frage stehenden Textes der Erblasserin sprechen (dies insbesondere betreffend den mangelnden Zuwendungswillen oder den fehlenden räumlichen und inhaltlichen Zusammenhang zwischen Text und Unterschrift) kann vom Obersten Gerichtshof in diesem Stadium des Verfahrens noch nicht eingegangen werden, weil eine entsprechende Tatsachengrundlage im fortgesetzten Verfahren erst zu schaffen sein wird. Soweit sich der Kläger aber auf Grundsätze der Entscheidung SZ 51/85 stützt, ist ihm schon jetzt zu erwidern, dass der dort zu beurteilende Sachverhalt keinen Anlass gab, sich mit der hier maßgeblichen Frage der Fortsetzung und des Abschlusses eines Textes auf einem Umschlag auseinanderzusetzen. Dass eine Unterschrift auf einem Kuvert nie eine eigenständige Bedeutung habe, ist aus der angefochtenen Entscheidung jedenfalls nicht abzuleiten.

Sollte im fortgesetzten Verfahren von einem gültigen Kodizill auszugehen sein, kann der Auslegung des Klägers, darin werde dem Beklagten (nur) ein Geldbetrag von 300.000 S zugewendet, nicht gefolgt werden. Die Verfügung zählt nämlich einzelne Sparbücher unter Beifügung ihres Losungsworts auf, woraus sich - Testierwillen vorausgesetzt - zwanglos die Absicht erkennen lässt, dem jeweils Bedachten keinen ziffernmäßig bestimmten Geldbetrag, sondern das jeweilige Guthaben auf dem zugehörigen Buch zukommen zu lassen. Auch auf der Rückseite des Kuverts ist ausdrücklich von einem "Buch" (und nicht etwa von einem Geldbetrag) die Rede. Folgt man der Auslegung des Klägers, wäre im Text auch eine Verfügung über die verbleibenden Restguthaben nach Auszahlung der gewidmeten Beträge zu erwarten gewesen; eine solche fehlt aber. Dass sich der Beklagte in Ansehung des Wertpapiers nicht auf die handschriftliche Verfügung über die Sparbücher stützen kann, hat schon das Berufungsgericht ausgeführt.

Die vom Berufungsgericht angeordnete Verfahrensergänzung erweist sich damit als unumgänglich. Dem Rekurs kann kein Erfolg beschieden sein.

Der Beklagte hat keinen Rekurs an den Obersten Gerichtshof erhoben; auf die von ihm in erster Instanz geltend gemachten Einwendungen war daher nicht einzugehen, weil die rechtliche Überprüfung einer Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht nur insoweit erfolgt, als im Rahmen einer Rechtsrüge Rechtsfragen zu (selbständigen) Ansprüchen und Einwendungen ausgeführt worden sind (vgl Kodek in Rechberger, § 471 Rz 9 mwN). Ob die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zutrifft, der präsumptive Erbe könne auch nicht unter der Bedingung der späteren Einantwortung wirksam in Verfügungen betreffend Vermögenswerte der Verlassenschaft einwilligen - was jedes Erbteilungsübereinkommen vor Einantwortung ungültig machte -, ist daher im derzeitigem Verfahrensstadium einer Beurteilung durch den Obersten Gerichtshof entzogen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.

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