OGH 9Nc34/03d

OGH9Nc34/03d5.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Maximilian R*****, geboren am 11. Oktober 1989, *****, GZ 2 P 12/98h des Bezirksgerichtes Salzburg, infolge Vorlage zur Genehmigung der Übertragung gemäß § 111 JN an das Bezirksgericht Donaustadt, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Akten werden dem Bezirksgericht Salzburg zurückgestellt.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluss des Pflegschaftsgerichtes, mit dem es unter anderem seine Zuständigkeit von Amts wegen gemäß § 111 JN einem anderen Gericht überträgt, steht den Parteien ein Rechtsmittelrecht zu (Mayr in Rechberger, ZPO² § 111 JN Rz 6; Fucik in Fasching² I § 111 Rz 8; RIS-Justiz RS0047109 ua). Die Zustellung an die Beteiligten stellt also keinen "reinen Formalakt" dar, sondern ist Voraussetzung der Wirksamkeit der Übertragung gegenüber den Parteien. Der Übertragungsbeschluss ist allerdings nach § 111 Abs 2 JN erst dann wirksam, wenn das andere Gericht die Zuständigkeit (oder die übertragenen Geschäfte) übernimmt. Bis dahin bleibt es also in Schwebe, ob überhaupt ein Zuständigkeitswechsel eintritt. Daraus wird von der Rechtsprechung und der Lehre abgeleitet, dass es bis dahin auch keinen Rekurs dagegen und keine Rekursentscheidung darüber geben könne (6 Nd 510/94; 9 Ob 115/99y; Mayr aaO § 111 JN Rz 6 ua). Dieses Hindernis ist hier nicht mehr gegeben, weil das andere Gericht sich geweigert hat, die Zuständigkeit zu übernehmen. Einer formellen Beschlussfassung bedarf es insoweit nicht; es genügt, dass das andere Gericht seine Weigerung kundtut (RIS-Justiz RS0047011). Dies ist hier geschehen. Das andere Gericht verwies insbesondere darauf, dass auf Grund eines noch offenen Obsorgeantrages nicht absehbar sei, wo sich künftighin der gewöhnliche Aufenthalt des Minderjährigen befinden werde. Das übertragende Gericht hat auf Grund dieser Weigerung den Akt dem Obersten Gerichtshof als gemeinsam übergeordnetem Gericht zur Entscheidung gemäß § 111 Abs 2 JN vorgelegt, allerdings ohne dass der Übertragungsbeschluss bisher zugestellt wurde.

Diese Vorlage ist aus folgenden Gründen verfrüht:

In der Entscheidung 10 Nd 509/01 wurde ausgesprochen, dass zumindest dann, wenn die Voraussetzungen für die Genehmigung der Übertragung der Zuständigkeit nicht gegeben seien, kein Hindernis bestehe, eine Entscheidung schon vor Zustellung und Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses zu treffen. In der Entscheidung 8 Nc 15/03b wurde die gegenteilige ältere Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0047067), dass ohne rechtskräftigen Übertragungsbeschluss nach § 111 Abs 1 JN eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs nach § 111 Abs 2 JN nicht in Betracht komme, nicht aufrecht erhalten. Dieser Fall wies die Besonderheit auf, dass das andere Gericht die Ablehnung nur auf die mangelnde Zustellung des Übertragungsbeschlusses stützte, sonst aber zum Ausdruck brachte, zur Übernahme bereit zu sein. In der jüngsten Entscheidung 3 Nc 36/03d wurde wiederum - jedenfalls für den Fall, dass das für die Entscheidung über einen Rekurs gegen den Übertragungsbeschluss zuständige Gericht nicht mit dem zur Genehmigung nach § 111 Abs 2 JN berufenen identisch ist - daran festgehalten, dass eine Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN die Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses voraussetzt (3 Nc 36/03d mwN). Sonst würde nämlich unter Umständen eine Verschiebung der funktionellen Zuständigkeit eintreten, weil mangels Bestätigung des Übertragungsbeschlusses durch das Rekursgericht gar keine Grundlage für die Genehmigung einer Zuständigkeitsübertragung durch den Obersten Gerichtshof bestünde. Rein prozessökonomische Erwägungen könnten den Rechtsmittelausschluss und damit die Verschiebung der Entscheidung auf ein anderes (höheres) Gericht nicht rechtfertigen. Ebenso wenig könne die Auffassung gebilligt werden, es fehle den Parteien (die nicht selbst die Übertragung beantragten) bis zur Wirksamkeit der Übertragung die Beschwer. In Wahrheit bilde der anzufechtende Übertragungsbeschluss erst die Voraussetzung für eine Genehmigung der Übertragung durch das den beiden Gerichten zunächst übergeordnete gemeinsame höhere Gericht nach § 111 Abs 2 JN; ohne ihn sei eine Genehmigung der Übertragung undenkbar. Eine der Übertragung widersprechende Partei müsse daher auch das Recht haben, den Übertragungsbeschluss mit Rekurs anzufechten. Dieser Auffassung schließt sich der erkennende Senat an.

Daraus folgt für den vorliegenden Fall, dass eine Entscheidung nach § 111 Abs 2 JN durch den Obersten Gerichtshof noch nicht zu ergehen hat. Vielmehr ist der Akt dem übertragenden Gericht zurückzustellen, das den Übertragungsbeschluss den Parteien zuzustellen hat. Nur dann, wenn dieser Beschluss in Rechtskraft erwächst, wird es die Akten erneut vorzulegen haben.

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