OGH 2Nc8/04f

OGH2Nc8/04f4.3.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko und Dr. Tittel als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Wolfgang P*****, vertreten durch Petsch Frosch & Klein, Rechtsanwälte in Wien, wegen Bestimmung der Zuständigkeit nach § 28 JN in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Ordinationsantrag wird abgewiesen.

Text

Begründung

Der Antragsteller beabsichtigt, gegen die Tokio M***** Company Limited Japan eine Forderung von EUR 595.000 (Schmerzengeld und Verdienstentgang, in eventu Zahlung einer Rente von monatlich EUR 3.200, Zahlung von EUR 40.000 an vorprozessualen Kosten) sowie ein Begehren auf Feststellung der Haftung der genannten Company für alle künftigen Schäden aus einem Verkehrsunfall vom 9. November 2000 geltend zu machen.

Der Antragsteller habe sich am 9. November 2000 im Rahmen einer Dienstreise in Japan befunden und sei dort bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden. Das den Unfall verschuldende Fahrzeug sei bei der Tokio M***** Company Limited mit dem Sitz in Tokio haftpflichtversichert gewesen. Für die erlittenen Verletzungen sei ein Schmerzengeld von EUR 65.000; Verdienstentgang von EUR 530.000, in eventu eine Rente von monatlich EUR 3.200 angemessen. Zur Begründung seines Ordinationsantrages führte der Antragsteller aus, es lägen keine Anknüpfungspunkte für einen örtlichen Gerichtsstand in Österreich vor, weil sich der Unfall in Japan ereignet habe und sich die in Anspruch zu nehmende Partei ebenfalls in Japan befinde. Die Rechtsverfolgung im Ausland sei aber unzumutbar und mit außerordentlich hohen Kosten verbunden.

Rechtliche Beurteilung

Der Ordinationsantrag ist nicht berechtigt.

Sind für eine bürgerliche Rechtssache die Voraussetzungen für die örtliche Zuständigkeit eines inländischen Gerichtes nicht gegeben oder nicht zu ermitteln, so hat der Oberste Gerichtshof aus den sachlich zuständigen Gerichten eines zu bestimmen, welches für die fragliche Rechtssache als örtlich zuständig zu gelten hat, wenn

1. Österreich aufgrund eines völkerrechtlichen Vertrages verpflichtet ist oder

2. der Kläger österreichischer Staatsbürger ist oder seinen Wohnsitz, gewöhnlichen Aufenthalt oder Sitz im Inland hat und im Einzelfall die Rechtsverfolgung im Ausland nicht möglich oder zumutbar wäre,

3. die inländische Gerichtsbarkeit, nicht aber ein örtlich zuständiges Gericht vereinbart worden ist (§ 28 Abs 1 JN idF Art VI Z 3 WGN 1997, BGBl I 1997/140). Nach § 28 Abs 4 leg cit hat in streitigen bürgerlichen Rechtssachen der Kläger das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs 1 Z 2 oder 3 zu behaupten und zu bescheinigen.

Die im § 28 Abs 1 Z 1 JN angeführte Voraussetzung kommt hier nicht in Betracht, die des Abs 1 Z 3 wurde nicht behauptet; eine Ordination wäre daher nur möglich, wenn eine Rechtsverfolgung in Japan nicht möglich oder unzumutbar wäre (Z 2). Soweit der Antragsteller damit argumentiert, eine Prozessführung im Ausland (Japan) sei mit hohen Kosten verbunden, ist dem zu erwidern, dass sich das Prozesskostenargument grundsätzlich bei Distanzprozesses für beide Parteien jeweils mit umgekehrtem Vorzeichen stellt und daher im Allgemeinen nach dem Grundsatz, dass der Kläger dem Beklagten an dessen Wohnsitz zu folgen habe, zu Lasten des Klägers geht (RdW 1986, 308). Dieser Grundsatz wird von der Rechtsprechung trotz der in den Materialien zur WGN 1997 (898 BlgNR XX. GP RV ErlBem33) bekundeten, jedoch aus der Neuformulierung des Gesetzestextes des § 28 Abs 1 Z 2 JN nicht hervorgehenden (Matscher in Fasching ZPO Kommentar³ Rz 67 zu § 28 JN) Intention, die Kostspieligkeit der Führung eines Rechtsstreits im Ausland stärker zu berücksichtigen, aufrechterhalten (9 Nd 509/00 [Prozessführung in Taiwan], 2 Ob 505/99; 7 Nd 3/92 [Prozessführung in Japan]).

Darüber hinaus besteht nach dem japanischen Zivilprozessrecht das auch Ausländern zu gewährende Institut der Prozesskostenhilfe, das sowohl die Befreiung von den Gerichtskosten (Verfahrenskostenhilfe) als auch die Übernahme von Rechtsanwaltskosten (Legal aid) umfasst (Petersen, Das internationale Zivilprozessrecht in Japan, 361 ff mwN). Japan ist ebenso wie Österreich Vertragsstaat des Haager Prozessübereinkommens vom 1. März 1954, dessen Art 17 vorsieht, dass die Angehörigen von Vertragsstaaten (wie der Antragsteller) von der Verpflichtung sowohl zur Sicherheitsleistung für die Prozesskosten als auch von der Einzahlung eines Ausländervorschusses auf die Gerichtskosten befreit sind (vgl dazu im Verhältnis zu Japan Petersen aaO, 367).

Soweit der Antragsteller argumentiert, dass er aufgrund seiner Invalidität nicht in der Lage sein werde, einem Gericht und Sachverständigen in Japan einen persönlichen Eindruck von seinen Leidenszuständen zu verschaffen, muss er auf die Möglichkeit der Vernehmung und die Einholung eines Gutachtens durch ein österreichisches Gericht im Rechtshilfeweg verwiesen werden, auf welche häufig auch in der in Österreich durchgeführten Verfahren zurückgegriffen werden muss.

Mangels Nachweises eines ausreichenden inländischen Rechtsschutzbedürfnisses war daher der Ordinationsantrag abzuweisen. Daher muss auf die Frage der Vollstreckbarkeit eines in Österreich ergangenen Urteils in Großbritannien, wie sie dem Antragsteller vorschwebt, nicht mehr eingegangen werden.

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