OGH 3Ob113/03v

OGH3Ob113/03v25.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Egon Sattler und Dr. Reinhard Schanda, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei M***** GmbH & Co KG, ***** vertreten durch Mag. René Schneider, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unzulässigkeit der Exekution (§ 36 EO), infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 13. Februar 2003, GZ 46 R 767/02p-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Hernals vom 2. Oktober 2003, GZ 11 C 5/02m-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, die mit 1.792,62 EUR (darin 298,77 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit vollstreckbarem Teilvergleich vom 25. Juni 2002 verpflichtete sich die nun klagende (dort beklagte) Partei gegenüber der beklagten (dort klagenden) Partei, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen, Verpackungen von näher genannten Arzneimitteln in Verkehr zu bringen, auf denen nicht die Nettofüllmenge und der jeweilige richtige Gewichtsanteil der tatsächlichen Zutaten in absteigender Reihenfolge angegeben sind.

Die hier beklagte Partei beantragte am 18. Juli 2002 die Bewilligung der Unterlassungsexekution gegen die nun klagende Partei und brachte dazu vor, dass verbotswidrigerweise weiterhin Verpackungen der angeführten Produkte in Apotheken erhältlich seien. Das Erstgericht bewilligte die beantragte Exekution.

Die verpflichtete Partei machte in der vorliegenden Impugnationsklage geltend, sie habe seit 21. Juni 2002 keine Ware in alter Verpackung mehr an den Großhandel ausgeliefert. Mit den Apotheken stehe sie in keinem direkten geschäftlichen Kontakt. Sie habe die noch auf Lager befindliche Ware in die neuen Verpackungen umgepackt und den Großhandel auch darüber informiert, dass ausschließlich Ware in neuer Verpackung von ihr in Verkehr gebracht werde. Aufgrund des Teilvergleichs sei sie nicht verpflichtet, bereits in Verkehr gebrachte Produkte wieder aus dem Verkehr zu ziehen. Sie habe auch keinerlei Verfügungsgewalt gegenüber den die vom Großhandel belieferten Apotheken. Es treffe sie daher auch kein Verschulden daran, dass in einzelnen Apotheken die alten Verpackungen noch erhältlich seien.

Die beklagte Partei wendete ein, dass das Inverkehrbringen keinesfalls mit der Übergabe des Produkts an einen anderen abgeschlossen sei. Unter diesem Begriff sei der gesamte Absatzweg bis zur Ausfolgung der Produkte an den Konsumenten zu subsumieren. Die klagende Partei wäre daher zu einer unmittelbaren Rückholaktion in Bezug auf sämtliche noch in Umlauf befindliche Produktverpackungen verpflichtet gewesen. Jedenfalls habe sie dafür einzustehen, dass sie die Großhändler als ihre unmittelbaren Ansprechpartner nicht zeitgerecht um die Rückholung dieser Verpackungen ersucht habe, sodass die gesetzwidrigen Produktverpackungen auch nach dem Vergleichsabschluss noch in Apotheken erhältlich gewesen seien. Es sei auch unrichtig, dass die klagende Partei keine Verfügungsmacht über die in den Apotheken befindlichen Verpackungen habe, weil sie durch ihre Außendienstmitarbeiter auch die einzelnen Apotheken betreue und zu diesen nicht nur über den Großhandel Kontakt habe. Es wäre der klagenden Partei daher ein Leichtes gewesen, die gesetzwidrigen Produktverpackungen durch ihre Außendienstmitarbeiter einsammeln zu lassen bzw die Apotheker und Ärzte zumindest mit einem Rundschreiben zur Rückübermittlung aufzufordern. Es sei daher von einem Dauerzustand auszugehen, weshalb mit dem Verbot der Unterlassung auch die Pflicht zur Beseitigung von schon vor Schaffung des Titels vorhandenen Störquellen verbunden sei.

Das Erstgericht wies das Impugnationsbegehren ab. Es stellte dazu fest: Die zuständige Mitarbeiterin der klagenden Partei informierte mit "Aktennotiz" vom 21. Juni 2002 die Abteilungen Produktion, Fakturierung, Kartei, Registrierung und Expedit darüber, dass sich die klagende Partei mit gerichtlichem Vergleich verpflichtet habe, die dort beschriebenen Verpackungen nicht mehr in Verkehr zu bringen. Sie ordnete an, die auf Lager befindliche Ware umzupacken und führte weiters aus, dass der Großhandel und die Außendienstmitarbeiter ebenfalls zeitgerecht informiert werden. Beide Gruppen müssten die inkriminierte Ware an die klagende Partei retournieren und würden umgehend mit neuer Ware ausgestattet.

Mit Fax vom 26. Juni 2002 wurde der Großhandel informiert, dass die klagende Partei diese Produkte ab sofort mit einer neuen Kennzeichnung ausliefere. Mit Fax vom 7. August 2002 informierte die klagende Partei den Großhandel/Einkauf weiters darüber, dass vorsichtshalber jetzt auch die in den Apotheken verbliebenen Packungen mit der alten Kennzeichnung ausgetauscht werden sollten. Sie ersuchte, die Apotheker so schnell wie möglich aufzufordern, alle Packungen mit der irregulären Aufschrift nicht mehr zu verkaufen und an den Großhandel zu retournieren. Weiters ersuchte sie um Kontrolle des eigenen Lagerstandes und um Sicherstellung, dass Verpackungen mit der irregulären Aufschrift ab sofort nicht mehr verkauft werden.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsansicht, unter dem Inverkehrbringen sei nicht bloß die Übergabe des Produkts an einen anderen in dessen Verfügungsmacht zu verstehen, sondern ein mehrstufiger Vorgang, der sich vom erstmaligen In-den-Umlauf-Bringen bis hin zur Ausfolgung des Produkts an den Konsumenten erstrecke. Auch der Verkauf der Verpackung mit den gegen den Exekutionstitel verstoßenden Angaben durch einzelne Apotheken stelle daher ein Inverkehrbringen iSd Exekutionstitels dar und sei auch der klagenden Partei zuzurechnen, weil es keinen Unterschied machen könne, ob die klagende Partei auf dieser Stufe des Wirtschaftsverkehrs ihre Produkte direkt und selbst in den Verkehr bringe oder sich dazu zwischengeschalteter anderer Unternehmer bediene. Die klagende Partei habe es unterlassen, nach Abschluss des Teilvergleichs geeignete Maßnahmen zu einer Einstellung des Vertriebs der unzulässigen Verpackungen durch den von ihr belieferten Großhandel und den von diesem weiterbelieferten Einzelhandel (Apotheken) zu ergreifen; dadurch habe sie es ermöglicht, dass auch nach Inkrafttreten der Unterlassungsverpflichtung weiterhin unzulässige Verpackungen durch einzelne Apotheken verkauft wurden. Dieses Unterlassen geeigneter Maßnahmen zur Einstellung des Vertriebs stelle einen Verstoß gegen das Unterlassungsgebot aus dem Exekutionstitel dar, weil in diesem Fall einem Unterlassungsgebot nicht nur durch aktives Tun, sondern auch durch bloße Untätigkeit zuwider gehandelt werden könne. Es könne dahingestellt bleiben, ob und inwieweit der klagenden Partei noch eine Verfügungsmacht über diese ausgelieferten Verpackungen zukam, weil sie nicht einmal einen Versuch unternommen habe, rechtzeitig eine Rücksendung dieser Verpackungen und Einstellung des weiteren Vertriebs zu erreichen.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es die Unterlassungsexekution für unzulässig erklärte; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

In rechtlicher Hinsicht führte die zweite Instanz aus, die klagende Partei habe sich im Teilvergleich zur Unterlassung eines bestimmten Verhaltens, nämlich des Inverkehrbringens bestimmter pharmazeutischer Produkte, verpflichtet. Gemäß § 15 UWG umfasse der Anspruch auf Unterlassung auch das Recht, die Beseitigung des den Vorschriften des Gesetzes widerstreitenden Zustands vom Verpflichteten, soweit ihm die Verfügung hierüber zustehe, zu verlangen. Ein Zuwiderhandeln gegen ein Unterlassungsgebot liege auch vor, wenn der Verpflichtete einen verbotenen Zustand nicht behebe, soweit ihm die Verfügung zustehe. Die Pflicht zur Beseitigung folge aus dem vorangegangenen Verhalten, das eine weitere Störung bewirke, wenn es sich um einen Dauerzustand handle, der im Verfügungsbereich des Störers beendet werden könne. Für die Beurteilung des hier vorliegenden Sachverhalts sei also entscheidend, ob es sich beim Inverkehrbringen der Produkte um einen Dauerzustand handle, weil nur dann die klagende Partei nicht nur zur künftigen Beachtung des Unterlassungsgebots, sondern auch zur Beseitigung des von ihr geschaffenen und nach wie vor bestehenden gesetzwidrigen Zustands verpflichtet sei.

Gemäß § 2 Abs 11 AMG sei Inverkehrbringen das Vorrätighalten, Feilbieten oder die Abgabe von Arzneimitteln. Nach dieser Legaldefinition bringe also jemand Arzneimittel in Verkehr, der sie entweder (nämlich für den beabsichtigten Verkauf) vorrätig halte oder feilhalte, also zum Verkauf anbiete, oder wer sie abgebe, d.h. an einen Dritten weitergebe. Diese Definition decke sich auch mit dem allgemeinen Sprachgebrauch. Aus dieser Definition könne nicht abgeleitet werden, dass die klagende Partei die im Vergleich genannten Arzneimittel auch dann noch in Verkehr bringe, wenn diese, nachdem sie zunächst von ihr einem Großhändler und von diesem an eine Apotheke verkauft wurden, in einer Apotheke an Konsumenten verkauft werden. Mit dem Verkauf der Ware an einen Großhändler ende nämlich die Verfügungsbefugnis des Verkäufers. Daraus folge, dass die Abgabe der im Vergleich genannten Arzneimittel in den vom Vergleich erfassten Verpackungen durch Apotheken keinen Verstoß der klagenden Partei gegen den Exekutionstitel darstelle. Dass die klagende Partei selbst nach Abschluss des Teilvergleichs noch Waren mit den im Vergleich angeführten unzulässigen Verpackungen weitergegeben hätte, habe die beklagte Partei nicht einmal behauptet.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Die beklagte Partei führt aufgrund eines (Teil-)Vergleichs, wonach sich die klagende Partei (ua) verpflichtete, es zu unterlassen, Verpackungen bestimmter Arzneimittel in Verkehr zu bringen, die bestimmte unzulässige Angaben enthalten, Unterlassungsexekution (§ 355 EO). Die beklagte Partei brachte als betreibende Partei im Exekutionsantrag vor, eine derartige Verpackung sei am 11. Juli 2002 in einer bestimmten Apotheke zum Verkauf erhältlich gewesen. Die beklagte Partei hätte die Möglichkeit gehabt, diese Packungen aus dem Verkehr zu ziehen.

Bei der Beurteilung, ob die klagende Partei gegen den genannten Exekutionstitel verstoßen hat, ist wesentlich, dass sich die klagende Partei zur Unterlassung des Inverkehrbringens bestimmter Arzneimittel mit einer bestimmten Verpackung verpflichtete. Für die Auslegung dieser Unterlassungsverpflichtung ist, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, die Legaldefinition des § 2 Abs 11 AMG maßgeblich, weil daran die Unterlassungsverpflichtung zu messen ist. Diese Bestimmung lautet:

"'Inverkehrbringen' ist das Vorrätighalten, das Feilbieten oder die Abgabe von Arzneimitteln. Ein Inverkehrbringen liegt nicht vor, wenn durch geeignete Maßnahmen sichergestellt ist, dass ein Arzneimittel, das dem Gesetz nicht entspricht, nicht zum Verbraucher oder Anwender gelangt."

Der Begriff des "Feilbietens" bedeutet "zum Verkauf bereit halten". Ein Arzneimittel wird zum Verkauf bereit gehalten, wenn die Erfüllung eines Kaufvertrags durch tatsächliche Übergabe ohne besondere weitere Maßnahme möglich ist. Dies ist zB dann nicht der Fall, wenn ein Arzneimittel zwar angekündigt wird, der Verkäufer aber (noch) keine Verfügungsgewalt - etwa weil das Arzneimittel erst importiert werden muss - hat (4 Ob 169/97z = ÖBl 1998, 182; Mayer/Michtner/Schober, § 2 AMG Anm 53).

Hier wurde ein derartiges Verhalten der klagenden Partei im Exekutionsantrag nicht einmal behauptet. Der Umstand, dass vom Exekutionstitel erfasste Arzneimittel in Apotheken verkauft werden, ist vom Exekutionstitel nicht umfasst, der ausschließlich das Inverkehrbringen verbietet, dessen Bedeutung nach der für Arzneimittel maßgeblichen und daher hier anzuwendenden Legaldefinition des § 2 Abs 11 AMG auszulegen ist.

Dies verkennt die beklagte Partei schon im Ansatz, wenn sie die Meinung vertritt, die klagende Partei habe nach § 15 UWG für die Abgabe derartiger Arzneimittel durch Apotheken einzustehen, auch wenn sie bereits vor Eintritt der Vollstreckbarkeit des Exekutionstitels von der klagenden Partei ausgeliefert worden waren. Da hier nach dem allein maßgeblichen Spruch des Exekutionstitels keine "generelle" Unterlassungsverpflichtung besteht, sondern nur die Verpflichtung zur Unterlassung des Inverkehrbringens von bestimmten Arzneimitteln, kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass die klagende Partei zur Beseitigung des von ihr geschaffenen Zustands verpflichtet wäre, obgleich von der beklagten Partei nicht behauptet wurde, dass die klagende Partei auf die Gestion der betreffenden Apotheke, die solche Arzneimitteln feilhielt, eine rechtliche Einflussmöglichkeit hätte. Die Frage, ob und inwieweit die klagende Partei auch die Verpflichtung zur Rückholung der bereits an die Apotheken ausgelieferten Waren träfe, kann daher dahingestellt bleiben. Das Bewilligungsgericht hat bei der Entscheidung über den Exekutionsantrag zu prüfen, ob das Begehren (§ 54 EO) durch den Exekutionstitel gedeckt ist (§ 7 EO). Es hat hierbei die Verpflichtung nur auf Grund des Titels festzustellen; es hat nicht zu untersuchen, was der Verpflichtete nach dem Gesetz zu leisten hat, sondern nur, wozu er im Exekutionstitel verpflichtet wurde (stRsp; 3 Ob 118/72 uva; zuletzt 3 Ob 138/03w; RIS-Justiz RS0000217). Dies gilt auch für die Exekution nach § 355 EO (3 Ob 95/97k = ÖBl 1998, 77 ua). Dass allenfalls ein vom Exekutionstitel nicht erfasster Verstoß gegen eine gesetzliche Bestimmung vorliegt, ist hiebei ebenso irrelevant wie die Frage, ob die klagende Partei nach dem Gesetz eine Beseitigungspflicht getroffen und ob sie Maßnahmen zur Beseitigung gesetzt hat.

Der unberechtigten Revision der beklagten Partei musste schon aus diesem Grund ein Erfolg versagt bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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