OGH 4Ob249/03a

OGH4Ob249/03a10.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden, durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Staatlich genehmigte Gesellschaft der Autoren, Komponisten und Musikverleger reg. Genossenschaft mbH (AKM), ***** vertreten durch Dr. Herbert Holzinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Mohamed M*****, vertreten durch Dr. Herbert Eichenseder, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 21.800 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. September 2003, GZ 4 R 128/03b-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 18. April 2003, GZ 24 Cg 189/02f-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, die öffentliche Aufführung von Werken der Tonkunst, welche durch die Zugehörigkeit des Textdichters, Komponisten und Musikverlegers zur klagenden Partei oder einer dieser durch Gegenseitigkeitsvertrag angeschlossenen ausländischen Urhebergesellschaft dem Werkbestand der klagenden Partei angehören, durch lebende oder mechanische Musik, welcher Art immer, soweit es hiezu der Einwilligung der Urheber bedarf, zu unterlassen."

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 6.095,76 EUR (darin 2.460 EUR Barauslagen und 605,96 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Verwertungsgesellschaft ist (ausschließlich) berechtigt, Werknutzungsbewilligungen zur öffentlichen Aufführung von Werken der Tonkunst gegen Entgelt zu erteilen.

Der Beklagte betreibt ein Gastlokal in Form eines Pizzarestaurants. Er hatte den mit der Klägerin zunächst abgeschlossenen Vertrag zum 30. 4. 2001 aufgelöst und die damals im Schankbereich befindliche Stereoanlage bestehend aus Verstärker, CD-Regler und Kassettendeck im Mai 2001 abmontiert und aus dem Lokal entfernt. Mit Schreiben vom 11. 3. 2002 verhängte die Klägerin über den Beklagten ein Musikaufführungsverbot.

Die Klägerin begehrt nun vom Beklagten (zusammengefasst), die öffentliche Aufführung von ihrem Werkbestand angehörenden Werken der Tonkunst zu unterlassen. Einer ihrer Mitarbeiter habe anlässlich einer Kontrolle am 23. 10. 2002 festgestellt, dass der Beklagte zu ihrem Werkbestand gehörende Werke der Tonkunst in seinem Lokal öffentlich zur Aufführung bringe.

Der Beklagte beantragte Klageabweisung. Er habe nach Auflösung des Vertragsverhältnisses mit der Klägerin sämtliche Musikanlagen aus dem Lokal entfernt, eine Tonwiedergabe sei schon deshalb nicht mehr möglich.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte noch fest, der Schank- und Küchenbereich befinde sich im vorderen Teil des L-förmig angelegten Gastlokals linker Hand der Eingangstüre. In der Küche des Lokals werde ein dem Beklagten gehörendes Radio vom Küchenpersonal verwendet und mit derart geringer Lautstärke betrieben, dass es von den Gästen im Lokal bei normalem Geräuschpegel nicht zu hören sei. Die Klägerin habe die Einhaltung des mit Schreiben vom 11. 3. 2002 über den Beklagten verhängten Musikaufführungsverbots am 23. 10. 2002 in der Zeit zwischen 21.10 Uhr und 21.45 Uhr kontrolliert. Ihr Mitarbeiter habe auf einem Tisch in Lokalmitte Platz genommen und aufgrund seiner besonderen Aufmerksamkeit und seines in neunjähriger Berufserfahrung geschulten Gehörs die im Einzelnen angeführten (dem Werkbestand der Klägerin angehörenden) Musiktitel wahrgenommen und notiert. Die zu diesem Zeitpunkt im Lokal anwesenden weiteren fünf Personen hätten beim damals herrschenden Geräuschpegel keine Möglichkeit gehabt, diese im Radiosender Ö3 ausgestrahlten und über ein in der Küche des Lokals stehendes Radiogerät wiedergegebenen Titel akustisch wahrzunehmen. Das Radiogerät sei nicht in den Gastraum gebracht worden.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, der Beklagte habe Ausschließlichkeitsrechte nicht verletzt, weil eine öffentliche Aufführung nicht stattgefunden habe. Das weder mit herkömmlichen Boxen noch mit Computerlautsprechern verbundene Rundfunkgerät sei mit geringer Lautstärke betrieben worden. Die Wiedergabe sei von vornherein auf einen in sich geschlossenen, nach außen hin begrenzten Teilnehmerkreis, nämlich das Küchenpersonal, abgestimmt und nicht allgemein zugänglich gewesen. Die Wahrnehmbarkeit durch ein geschultes und geräuschsensibles Gehör wie jenes des Kontrollorgans der Klägerin mache die Aufführung nicht öffentlich.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Es übernahm nicht die Feststellung des Erstgerichts, dass die Wiedergabe der Titel aufgrund ihrer geringen Lautstärke von den Gästen im Lokal bei normalem Geräuschpegel nicht zu hören gewesen sei. Gleichfalls nicht übernommen wurde die Feststellung, fünf weitere im Lokal aufhältige Personen hätten beim herrschenden Geräuschpegel keine Möglichkeit gehabt, die in Ö3 ausgestrahlten und mittels Radio in der Küche wiedergegebenen Titel akustisch wahrzunehmen. Das Berufungsgericht ging daher davon aus, dass die über das Radio in der Küche wiedergegebenen Musiktitel bei normalem Geräuschpegel auch im Gastlokal zu hören waren und vom Mitarbeiter der Klägerin aufgrund seines geschulten Gehörs auch wahrgenommen wurden. Dennoch vertrat auch das Berufungsgericht die Auffassung, eine öffentliche Aufführung im Sinn des § 18 UWG finde hier nicht statt. Bei der gegebenen Situation sei nicht anzunehmen, dass der Beklagte mit der Überlassung des Radiogeräts an das Küchenpersonal seine wirtschaftlichen Ziele habe fördern wollen. Er habe das Abhören der Radiosendungen grundsätzlich auf den (begrenzten) Kreis des Küchenpersonals beschränkt; eine zumindest gelegentliche Wahrnehmbarkeit auch im Gastraum sei nicht von der Absicht getragen gewesen, wirtschaftliche Ziele zu verfolgen.

Die außerordentliche Revision der Klägerin ist zulässig, weil das Berufungsgericht bei Beurteilung der Öffentlichkeit der Aufführung im Sinn des § 18 UrhG von höchstgerichtlicher Rechtsprechung abgewichen ist. Sie ist auch berechtigt.

Die Klägerin macht geltend, die Abgrenzung der privaten zur öffentlichen Aufführung richte sich danach, ob die Aufführung vor einem nach außen abgegrenzten Kreis von Teilnehmern stattfinde, die untereinander durch solche Beziehungen verbunden seien, die die Zusammenkunft als solche der Privatsphäre erscheinen ließen. Im vorliegenden Fall sei die Aufführung öffentlich, weil die Musik im öffentlich zugänglichen Gastraum hörbar werde. Mangels Vorhandenseins privater Beziehungen des Küchenpersonals zum Dienstgeber wie auch untereinander sei im Übrigen schon die Wiedergabe in der Küche selbst öffentlich. Sie diene insbesondere auch wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers.

Rechtliche Beurteilung

Dazu wird erwogen:

§ 18 Abs 3 UrhG zählt zu den dem Urheber vorbehaltenen öffentlichen Vorträgen, Aufführungen und Vorführungen auch die Benützung einer Rundfunksendung zu einer öffentlichen Wiedergabe des gesendeten Werks durch Lautsprecher oder durch eine andere technische Einrichtung. Der Empfang der Rundfunksendung greift nicht in die Rechte des Urhebers ein, wenn damit nicht zugleich auch eine öffentliche Wiedergabe verbunden ist. Lehre und Rechtsprechung verstehen den Begriff der Öffentlichkeit seit jeher in einem weiten Sinn, um die Ausnahmen vom alleinigen Aufführungs- und Übertragungsrecht des Urhebers gering zu halten (Dittrich, Zur urheberrechtlichen Beurteilung der Betriebsmusik, ÖBl 1975, 125; ÖBl 1979, 51 - Betriebsmusik; RIS-Justiz RS0073518; siehe auch Ungern-Sternberg in Schricker dUrhG² § 15 Rz 54). Eine Aufführung ist dann öffentlich, wenn sie nicht von vornherein auf einen in sich geschlossenen, nach außen hin begrenzten Kreis abgestimmt ist, wenn sie also allgemein zugänglich ist. Als öffentlich sind aber auch nicht allgemein zugängliche Veranstaltungen anzusehen, wenn der bestimmte oder bestimmbare Personenkreis nicht durch solche Beziehungen verbunden ist, die seine Zusammenkünfte als solche der privaten Sphäre erscheinen lassen. Dies ist nur dort der Fall, wo der Teilnehmerkreis durch ein reelles persönliches Band verbunden und vermöge wechselseitiger Beziehungen unter sich oder zum Veranstalter nach außen hin abgegrenzt ist (SZ 44/97 = ÖBl 1971, 160 - Gschnasfest). Auf die räumliche Gemeinsamkeit des nicht durch ein reelles persönliches Band verbundenen und nach außen hin nicht abgegrenzten Personenkreises kommt es nicht an (SZ 59/100 = JBl 1986, 655 [Scolik] = MR 1986 H 4, 20 [M. Walter] = ÖBl 1986, 132 = GRURInt 1986, 728 [Hodik] = ZuM 1987, 516 - Hotel Video; zuletzt 4 Ob 108/02i = MR 2002, 236 - Figurstudio). Ob eine Veranstaltung "öffentlich" oder "privat" ist, kann im Einzelfall nur unter Berücksichtigung der Teilnehmerzahl, des Ausmaßes der persönlichen Beziehungen untereinander und zum Veranstalter, sowie des Zweckes des Zustandekommens beurteilt werden. Dabei ist im Zweifel auch zu beachten, ob der Veranstalter eigene oder fremde wirtschaftliche Zwecke fördern will (SZ 51/167 = ÖBl 1979, 51 - Betriebsmusik; SZ 71/8 = MR 1998, 154 - Hochzeitsmusik; MR 2002, 236 - Figurstudio); dem Urheber steht im Zweifel dann ein Beteiligungsrecht zu, wenn seine Schöpfung zur Erzielung von Einnahmen weiterverwendet wird (MR 2002, 236 - Figurstudio).

Im hier zu beurteilenden Fall hat der Beklagte ein Radiogerät in der an den Gastraum anschließenden Küche des Lokals aufgestellt. Es wird vom Küchenpersonal verwendet, wobei - nach den Feststellungen des Berufungsgerichts - die auf Ö3 gesendeten Musikstücke bei normalem Geräuschpegel auch im Gastraum zu hören sind. Ob sich das Wiedergabegerät selbst im öffentlich zugänglichen Gastraum oder in der davon räumlich abgegrenzten Küche befindet, ist für die Beurteilung der Öffentlichkeit der Aufführung ebensowenig ausschlaggebend wie die Frage, ob der Beklagte die in der Küche gespielte Musik seinen Gästen auch tatsächlich zu Gehör bringen wollte. Entscheidend ist vielmehr, ob die Aufführung einem geschlossenen, nach außen hin abgegrenzten und durch persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis dient oder ob sie einem weiteren Hörerkreis allgemein zugänglich und wahrnehmbar gemacht wird, obwohl dies zumutbarerweise hätte verhindert werden können. Von einem geschlossenen, nach außen abgegrenzten und durch persönliche Beziehungen verbundenen Hörerkreis kann jedenfalls dann keine Rede sein, wenn der Gastwirt - wie hier - duldet, dass die Wiedergabe von Werken der Tonkunst durch ein in der Küche aufgestelltes Radiogerät auch im für jedermann zugänglichen Gastraum zu hören ist und damit einem weiteren Hörerkreis zugänglich wird, obgleich er dies zumutbarerweise (etwa durch Leiserdrehen des Empfangsgeräts oder durch Veränderung seiner Aufstellung) hätte verhindern können. Er ist in einem solchen Fall nicht anders zu behandeln als derjenige, der die (öffentliche) Wiedergabe im Gastraum von Anfang an zugelassen oder beabsichtigt hat. Dass die Wiedergabe von Musik im Gastraum auch dann den wirtschaftlichen Interessen des Unternehmers dient, wenn er diese nur duldet, ist nicht zweifelhaft. Die von der Klägerin beanstandete Aufführung ist damit im Sinn des § 18 UrhG öffentlich.

Der Senat hat in einem Fall vergleichbarer Interessenlage bei Abgrenzung der freien Werknutzung an Rundfunksendungen nach § 56 UrhG bereits erkannt, dass die freie Werknutzung nach dieser Bestimmung nur dann gerechtfertigt ist, wenn die Vorführung nur in dem Bereich erfolgt, der von Kunden betreten wird, die sich für Schallträger und/oder Vorrichtungen zu ihrem Gebrauch interessieren. Die mangels geeigneter Vorkehrungen des Betriebsinhabers in anderen Abteilungen stattfindende "Musikberieselung" verwirkliche demgegenüber einen Urheberrechtsverstoß (ÖBl 1998, 85 - Musikberieselung).

Der hier zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich grundlegend von dem der Entscheidung SZ 71/8 - Hochzeitsmusik zugrunde liegenden. Anders als dem Gastwirt im vorliegenden Fall wäre es dem Veranstalter der damaligen Hochzeit nicht zumutbar gewesen, die nicht dem privaten Kreis der Hochzeitsgäste angehörenden Personen von der Wahrnehmung auszuschließen (vgl in diesem Sinn auch Ungern-Sternberg in Schricker dUWG § 15 Rz 63).

Der außerordentlichen Revision der Klägerin wird daher Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden im Sinn einer Klagsstattgebung abgeändert.

Die Kostentscheidung beruht auf §§ 41, 50 und 52 ZPO.

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