OGH 4Ob315/71 (4Ob316/71)

OGH4Ob315/71 (4Ob316/71)22.6.1971

SZ 44/97

Normen

UrhG §18
UrhG §18

 

Spruch:

Eine Aufführung ist dann "öffentlich", wenn sie nicht von vornherein auf einen in sich geschlossenen, nach außenhin begrenzten Kreis abgestimmt ist, wenn sie also allgemein zugänglich ist

Als öffentlich sind aber auch nicht allgemein zugängliche Veranstaltungen anzusehen, wenn der bestimmte oder bestimmbare Personenkreis nicht durch solche Beziehungen verbunden ist, die seine Zusammenkünfte als solche der privaten Sphäre erscheinen lassen. Dies ist nur dort der Fall, wo der Teilnehmerkreis durch ein reelles, persönliches Band verbunden und vermöge wechselseitiger Beziehungen unter sich oder zu dem Veranstalter nach außenhin abgegrenzt ist

OGH 22. 6. 1971, 4 Ob 315, 316/71 (LGZ Wien 42 R 499/70; BG Innere Stadt Wien 29 C 299/70).

Text

Die Klägerin ist ausschließlich zur Vermittlung der Rechte zur öffentlichen Aufführung von Werken der Tonkunst befugt, zu deren Ausführung es nach den gesetzlichen Bestimmungen der Einwilligung des Berechtigten bedarf.

Unbestritten blieb, daß der Beklagte in seiner Eigenschaft als Inhaber des Filmunternehmens Firma W am 16. 1. 1970 im Atelier seiner Firma in Wien ein Gschnasfest veranstaltete, bei dem er Musikveranstaltungen durchgeführt und hiebei vom gesetzlich geschützten Werkbestand der Klägerin Gebauch gemacht hat.

Die Klägerin begehrte zunächst die Bezahlung eines Betrages von S 180.- als das dem autonomen Tarif entsprechende Entgelt für die Aufführung der geschützten Werke. Sie brachte in der Folge eine weitere Klage mit dem Begehren ein, den Beklagten schuldig zu erkennen, die öffentliche Aufführung von Werken der Tonkunst, die durch die Zugehörigkeit des Textdichters, Komponisten oder Musikverlegers zur klagenden Partei oder zu einer dieser durch Gegenseitigkeitsvertrag angeschlossene Urhebergesellschaft dem Werkbestand der klagenden Partei angehören, auf welche Art immer, sei es durch lebende Musik oder durch mechanische Wiedergabe, insbesondere durch den Betrieb eines Plattenspielers, bei den von ihr veranstalteten Gschnasfesten und sonstigen öffentlichen Musikveranstaltungen, soweit es hiezu der Einwilligung der Urheber bedarf, zu unterlassen. Sie begrundet ihren Anspruch mit der Behauptung, es habe sich bei der oben genannten Veranstaltung um einen iS des § 18 UrhG öffentlichen Vortrag der geschützten Musikstücke gehandelt. Da sich der Beklagte weigere, das Entgelt zu bezahlen, und demgemäß zu erwarten sei, daß er seine Veranstaltungstätigkeit auch in der Zukunft fortsetzen werde, steht der Klägerin gemäß § 81 UrhG das Recht zu, die Unterlassung künftiger unbefugter Musikdarbietungen zu begehren.

Der Beklagte beantragte, beide Begehren abzuweisen. Er wendete ein, es habe sich bei der genannten Veranstaltung im Jahre 1970 ebenso wie in den vorhergehenden Jahren um solche privater Natur mit geladenen Gästen gehandelt, die untereinander und zu ihm in persönlicher Beziehung standen. Die Einladung sei nicht nur von ihm, sondern auch von seiner Gattin ausgegangen. Außerdem handle es sich um eine freie Werknutzung iS des § 53 Abs 1 Z 3 UrhG.

Das Erstgericht wies sowohl das Leistungs- als auch das Unterlassungsbegehren ab. Es traf folgende Tatsachenfeststellungen:

Zu den jährlich in der Wohnung des Beklagten veranstalteten Gschnasfesten haben der Beklagte und seine Gattin persönliche und Geschäftsfreunde eingeladen, wobei die Beziehungen ineinander verflossen. Die Verlegung in das Atelier des Beklagten im Jahre 1966 erfolgte, weil auf Grund der gesellschaftlichen Stellung des Beklagten sein Freundeskreis zugenommen hatte und seiner Gattin die Arbeit zuviel geworden war. Der Kreis der Geladenen änderte sich hiedurch nicht, sondern erfuhr nur insofern eine Erweiterung, als nunmehr auch Personen eingeladen werden konnten, deren Einladung bisher am Platzmangel gescheitert war. Der Beklagte verschickte zu den Gschnasfesten gedruckte Einladungskarten. Im Jahr 1966 trugen diese keinen Namen, doch wurden sie, als sich im Jahre 1967 nicht geladene Personen Eintritt zu verschaffen suchten, im Jahre 1968 in der rechten unteren abreißbaren Ecke mit dem Namen des Geladenen und einer Nummer versehen. Die Einladungskarten waren nicht übertragbar und galten für zwei Personen. Die Aussendung erfolgte an ungefähr 60 bis 80 Personen, und zwar an Hand einer bestehenden Liste, die laufend ergänzt und abgeändert und unmittelbar vor der Einladung zwischen dem Beklagten, seiner Gattin und der Sekretärin K durchgesprochen wurde. Obgleich die Einladung gewöhnlich an Ehegatten gerichtet war, stand die Auswahl der zweiten Person dem Geladenen frei. Um Anmeldung wurde auf der Karte gebeten. Die ankommenden Gäste wurden in den ersten 1 1/2 bis 2 Stunden vom Beklagten, dessen Gattin oder der Sekretärin bereits in der Garderobe oder spätestens vor dem Eintritt in den Tanzsaal begrüßt und kontrolliert. Nicht geladene Gäste wurden nicht eingelassen. Eintrittsgeld war nicht zu bezahlen, Speisen und Getränke waren frei. Die Einladungen waren an Personen aus dem Freundeskreis des Beklagten gerichtet, der derzeit ungefähr 250 bis 300 Personen umfaßt. Es handelte sich um persönliche oder Geschäftsfreunde, wobei der Beklagte oft nicht mehr feststellen konnte, bei welcher Gelegenheit er die einzelnen Personen kennengelernt hat. Personen, mit denen der Beklagte in geschäftlicher Beziehung stand, zu denen er aber keinen näheren Kontakt hatte, wurden nicht eingeladen, geschäftliche Aspekte spielten bei der Einladung fast keine Rolle. Der geladene Personenkreis setzte sich aus Menschen zusammen, von denen der Beklagte und seine Gattin im Lauf des Jahres ebenfalls eingeladen werden und die sich auch laufend gegenseitig einladen. Der Beklagte und seine Gattin kannten alle Eingeladenen persönlich. Es konnte vorkommen, daß ein Geladener eine zweite Person mitbrachte, die dem Beklagten noch nicht bekannt war. 1969 und 1970 waren dies ungefähr 5 bis 10 Personen. Das rasche Entstehen von Kontakten ist branchenbedingt. Mit ungefähr 50% seiner Freunde ist der Beklagte per Du, 80% der Gäste kennen sich untereinander. Im Jahr 1970 nahmen 150 bis 160 Personen an dem Gschnasfest teil und im Jahr vorher eher etwas mehr. Zu ungefähr 25 Personen, die 1970 anwesend waren, stand der Beklagte in aktueller geschäftlicher Beziehung. Von seinen derzeit ungefähr 23 Angestellten nahm zirka die Hälfte am Gschnasfest 1970 teil.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß es sich um eine Veranstaltung privater Natur gehandelt habe. Die Tatsache, daß etwa 10 Angestellte des Beklagten an dem Fest teilgenommen haben, mache es nicht zur Betriebsfeier. Die Anmeldung bei der Theaterpolizei und zur Vergnügungssteuer besage über die Öffentlichkeit iS des Urhebergesetzes nichts.

Die nur gegen die Abweisung des Unterlassungsbegehrens erhobene Berufung der Klägerin hatte Erfolg; das Berufungsgericht gab diesem Begehren statt. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichts als unbedenklich, beurteilte jedoch die beim Fest erfolgten Musikdarbietungen als öffentlich iS des § 18 UrhG, denen ein Befreiungstatbestand nach § 53 Abs 1 Z 3 UrhG nicht zukomme. Als öffentliche Aufführung sei jede zu verstehen, die nicht von vornherein einen in sich geschlossenen, nach außen hin begrenzten Kreis umfasse, dessen Teilnehmer mit dem Veranstalter oder untereinander durch persönliche Beziehungen verbunden sind. Öffentlich sei ein Vortrag oder eine Aufführung demnach jedenfalls dann, wenn der Zutritt mit oder ohne Lösung von Eintrittskarten jedermann freistehe, aber auch bei begrenztem Personenkreis könne die Wiedergabe eine öffentliche sein, insbesondere dann, wenn der Kreis der teilnehmenden Personen ein gewisses Ausmaß überschreite und gegen einen vertrauten persönlichen Kontakt spreche. Entscheidend sei daher der Rahmen der Veranstaltung und die Anzahl der eingeladenen Personen. Schon die Tatsache, daß das Fest in einem Atelier unter Teilnahme von weit über 100 Personen veranstaltet worden sei, spreche gegen die Annahme eines innigen Kontaktes zwischen den Teilnehmern. Gerade der Hinweis auf die branchenübliche Leichtigkeit der Kontaktgewinnung lasse die Oberflächlichkeit dieser Kontakte erkennen. Unter einer Veranstaltung, die im rein häuslichen Milieu durchgeführt werde, könne man im allgemeinen nur eine solche verstehen, bei der der vorhandene Personenkreis ständig überblickt und kontrolliert werden könne, nicht aber bei Veranstaltungen, bei denen schon wegen der großen Anzahl der Teilnehmer die Möglichkeit auf der Hand liege, daß die einzelnen Gruppen während der ganzen Veranstaltung einander überhaupt nicht begegnen oder nur ganz flüchtig miteinander in Berührung kommen. Die Darbietungen seien daher öffentlich iS des § 18 UrhG erfolgt. Der Beklagte könne sich aber auch nicht auf die Ausnahmebestimmung des § 53 Abs 1 Z 3 UrhG berufen, denn der Veranstaltung komme auch eine Werbewirkung für das Unternehmen des Beklagten zu. Aus der Aussage des Beklagten ergebe sich, daß dieser auch Schauspieler und Journalisten eingeladen habe. Es sei gerichtsbekannt, daß gerade in der Theater- und Filmbranche sehr rasch Kontakte geschlossen werden und daß der Kontakt mit der Presse und den Schauspielerkreisen ein wesentlicher Bestandteil des Geschäftserfolges sei. Wenn auch der Zeitungsbericht vom 19. 1. 1969 vom Beklagten weder veranlaßt noch gewünscht worden sei, habe er schon im Hinblick auf den Umfang der Veranstaltung und die eingeladenen Personen mit dem Erscheinen eines solchen Berichtes und der damit verbundenen Werbewirkung für sein Unternehmen rechnen müssen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Beklagten Folge und stellte das abweisende Ersturteil in seinem angefochtenen Umfang wieder her.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Nach Schrifttum (Peter, Das österreichische Urheberrecht, 69, Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht[2], 188) und Rechtsprechung (RZ 1969, 107 und die dort angeführten Entscheidungen), ist eine Aufführung dann als öffentlich anzusehen, wenn sie nicht von vornherein auf einen in sich geschlossenen, nach außenhin begrenzten Kreis abgestimmt ist, wenn sie also allgemein zugänglich ist. Als öffentlich sind aber auch nicht allgemein zugängliche Veranstaltungen anzusehen, wenn der bestimmte oder bestimmbare Personenkreis nicht durch solche Beziehungen verbunden ist, die seine Zusammenkünfte als solche der privaten Sphäre erscheinen lassen. Dies ist nur dort der Fall, wo der Teilnehmerkreis durch ein reelles, persönliches Band verbunden und vermöge wechselseitiger Beziehungen unter sich oder zu dem Veranstalter nach außenhin abgegrenzt ist.

Dieses vom Schrifttum und der Rechtsprechung geforderte reelle persönliche Band, das die Veranstaltung vermöge der wechselseitigen Beziehungen zwischen den Gästen und dem Beklagten nach außenhin abgrenzt, ist nach den Feststellungen vorhanden: Es besteht in den zwischen den geladenen Gästen und dem Beklagten herrschenden freundschaftlichen Beziehungen, wurden doch - abgesehen von ungefähr 10 Angestellten des Beklagten - nur Freunde und Geschäftsfreunde geladen, die vorher aus dem übrigen Freundeskreis ausgewählt und dann listenmäßig erfaßt worden waren. Würde man den Standpunkt vertreten, derartige persönliche Beziehungen zum Veranstalter genügten nicht, die Teilnehmer müßten vielmehr untereinander in persönlichen Beziehungen stehen, so würde der Typ der privaten Veranstaltung zum Teil zur öffentlichen qualifiziert, so wenn zB von einem Gastgeber eingeladene Freunde vor dem Zusammentreffen bei der Veranstaltung einander unbekannt waren (Dittrich, Veröffentlichung und Erscheinen, ÖJZ 1971, 225 ff). Daraus, daß nicht alle Gäste untereinander freundschaftlich verbunden waren und nur 80% einander persönlich kannten, kann daher ebensowenig auf eine Öffentlichkeit der Darbietung geschlossen werden, wie daß einzelne Gruppen infolge der großen Anzahl der Teilnehmer während der Veranstaltung einander nicht begegnen konnten. Es mag zugegeben werden, daß der Kreis der Geladenen ungewöhnlich groß war und daß im allgemeinen die persönlichen Beziehungen untereinander oder im Verhältnis zum Veranstalter typischerweise geringer oder lockerer sein können, je größer der Personenkreis ist. Im vorliegenden Fall aber wurde festgestellt, daß sich der geladene Kreis aus Personen zusammensetzte, von denen der Beklagte und seine Gattin im Lauf des Jahres ebenfalls eingeladen wird, sodaß Anhaltspunkte für eine geringere Intensität der persönlichen Beziehungen zwischen den Gästen und ihren Gastgebern im vorliegenden Fall mangeln. Auch daß die Veranstaltungen seit 1966 nicht mehr in der Wohnung des Beklagten, sondern in seinem Atelier abgehalten wurden, vermag ihnen den privaten Charakter nicht zu nehmen. Die Verlegung des Festes dorthin hatte seinen Grund im erfolgten Anwachsen des Freundeskreises und in der Arbeitsüberlastung der Ehefrau (Dittrich, Veröffentlichung und Erscheinen, 230). Auch im Atelier hatten nur die namentlich Geladenen Zutritt. Der Umstand, daß in einzelnen Fällen ein Gast eine zweite, dem Gastgeber noch nicht bekannte Person mitbrachte, fällt im vorliegenden Fall nicht ins Gewicht, da es sich nur um je 5 bis 10 Personen bei insgesamt über 100 Gästen gehandelt hat. Auch daß sich unter den eingeladenen Gästen etwa 10 Angestellte des Beklagten befanden, macht die Darbietungen noch nicht öffentlich. Ob diese Angestellten ebenfalls zum Freundeskreis des Beklagten gehörten, wurde zwar nicht festgestellt, doch waren sie ihm nicht nur persönlich bekannt, sondern gehörten zu seiner Betriebsgemeinschaft, sodaß auch zu ihnen zwischenmenschliche Beziehungen bestanden. Auch sie waren individuell als Teilnehmer ausgewählt.

Zusammenfassend handelte es sich daher um eine Veranstaltung, die von vornherein auf einen in sich geschlossenen und nach außenhin abgegrenzten Kreis abgestimmt war; für die Teilnahme daran wurde ein Entgelt weder begehrt noch entrichtet; Voraussetzung für die Einladung war das Bestehen persönlicher Beziehungen jedes einzelnen Gastes zu den Gastgebern. Umstände, die für eine öffentliche Veranstaltung iS des § 18 Abs 1 UrhG sprechen könnten, hat das Verfahren nicht ergeben.

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