OGH 4Ob253/03i

OGH4Ob253/03i10.2.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Kodek als Vorsitzenden und durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Griß und Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel und Dr. Jensik als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "V*****“ ***** KG., ***** vertreten durch Dr. Marcella Prunbauer und andere Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei V***** GmbH (vormals A***** GmbH), ***** vertreten durch Sauerzopf und Partner, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 40.000 EUR), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 29. Oktober 2003, GZ 6 R 194/03a-12, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27. August 2003, GZ 10 Cg 58/03w-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt seit 1995 in H***** im Einzugsbereich der Therme L***** ein Vier Sterne-Hotel unter der Bezeichnung „Sport Vital Hotel Therme L*****", das in der Thermenregion auch unter der Kurzbezeichnung „Vital Hotel" allgemein bekannt ist. Sie ist seit 6. 6. 2002 Inhaberin einer Wort-Bild-Marke für die Klassen 41 und 43, deren Wortteil der Hotelbezeichnung entspricht.

Die Beklagte ist seit März 2003 im Firmenbuch eingetragen. Sie hat Ende Juni 2003 in H***** 200 m vom Hotel der Klägerin entfernt ein Hotel eröffnet, das sie unter der Bezeichnung „Thermensuitenhotel Vital Resort L*****" betreibt. Sie ist seit 5. 11. 2002 Inhaberin einer Wort-Bild-Marke ua für die Klassen 41 und 43, deren Wortteil der Hotelbezeichnung entspricht.

Zur Sicherung eines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs beantragt die Klägerin, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung für die Dauer dieses Rechtsstreits im geschäftlichen Verkehr zu verbieten, in der Region der Therme L***** ein Hotel unter der Bezeichnung „Vital Resort" und/oder einer sinnähnlichen, mit der Bezeichnung „Vital Hotel" oder „Sport Vital Hotel" verwechslungsfähig ähnlichen Bezeichnung zu führen und/oder zu bewerben, insbesondere ein Hotel in H*****, in unmittelbarer Nähe des Sport Vital Hotels der Klägerin in H*****, mit der in den Vordergrund gerückten Unternehmensbezeichnung „Vital Resort". Die Bezeichnungen "Vital Hotel" und "Vital Resort" seien im Wellness-Hotel-Bereich gleichbedeutend. Die Beklagte rücke in der von ihr gewählten Unternehmensbezeichnung die Worte "Vital Resort" blickfangartig in den Vordergrund, sodass nur diese Wortfolge im Gedächtnis haften bleibe. Dadurch komme es zu Verwechslungen und Zuordnungsverwirrungen mit dem Unternehmen der Klägerin. Die Beklagte verstoße gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften und begehe einen Markenrechtseingriff.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. "Vital Hotel" sei ein allgemein gebräuchlicher Begriff zur Kennzeichnung eines Hotels mit einem bestimmten Dienstleistungsangebot; die Klägerin besitze daran keine Verkehrsgeltung. Die einander gegenüberstehenden Kennzeichen seien in keiner Weise verwechslungsfähig.

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Das Zeichen „Vital" besitze in der Wellness-Branche zwar nur eine geringe Kennzeichnungskraft, doch handle es sich um ein einprägsames Schlagwort, das für den Hoteltouristen durch gedankliche Verknüpfung mit der konkreten Fremdenverkehrsregion im Gedächtnis bleibe. Auch habe die Klägerin ihr Unternehmen mit hohem Aufwand beworben, wodurch dessen Bezeichnung bei den beteiligten Verkehrskreisen einen hohen Bekanntheits- und Zuordnungsgrad erreicht habe. Ihrem Unternehmenskennzeichen komme daher Kennzeichenschutz zu. Es liege auf der Hand, dass zwei Hotels mit den Bezeichnungen der Unternehmen der Streitteile, die sich in geringer Entfernung voneinander in einem kleinen Ort befänden, von Touristen leicht verwechselt werden könnten; bei ihnen entstehe der Eindruck eines organisatorischen Zusammenhangs. Die Klägerin könne daher die Beklagte, deren Unternehmenskennzeichen die schlechtere Priorität besitze, auf Unterlassung in Anspruch nehmen.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei. Die Wortverbindung "Sport Vital Hotel" oder "Vital Hotel" sei in der Hotelbranche originell und ungewöhnlich und auch weder überwiegend beschreibend, noch eine Gattungsbezeichnung. Es handle sich um eine sprachliche Neuschöpfung. Auf die Stärke der Kennzeichnungskraft komme es nicht weiter an, weil auch schwache Zeichen gegen missbräuchliche Verwendung durch Dritte geschützt seien. Auf Grund der unmittelbaren räumlichen Nähe der Hotels der Streitteile bestehe Verwechslungsgefahr. Die Bezeichnungen "Hotel" und "Resort" würden in der Hotellerie als gleichbedeutend verstanden. Die von der Beklagten gewählte Unternehmensbezeichnung stelle die Worte "Vital Resort" blickfangartig in den Vordergrund, nur sie blieben dem Publikum als Etablissementbezeichnung im Gedächtnis. Es liege ein Verstoß gegen § 9 Abs 1 UWG vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Kennzeichnungskraft der Unternehmensbezeichnung der Klägerin unrichtig beurteilt hat; das Rechtsmittel ist berechtigt im Sinne seines Aufhebungsantrags.

Die Beklagte vertritt in ihrem Rechtsmittel unter anderem die Auffassung, das Kennzeichen "Vital Hotel" sei nicht - und wenn überhaupt, dann nur schwach - kennzeichnungskräftig. Dazu ist zu erwägen:

Die in § 9 Abs 1 UWG angeführten Bezeichnungen, also auch die besondere Bezeichnung eines Unternehmens, sind zufolge der ihnen innewohnenden Namensfunktion grundsätzlich schon (aber auch nur) dann schutzfähig, wenn sie Unterscheidungs-(Kennzeichnungs-)kraft besitzen, also etwas Besonderes, Individuelles an sich haben, das sie schon ihrer Art nach dazu eignet, ihren Träger von anderen Personen zu unterscheiden. Andernfalls könnte eine Verwechslungsgefahr von vornherein nicht entstehen (ÖBl 2002, 138 - internetfactory mwN; ÖBl-LS 2003/158 - Immofinanz). Beschreibende Angaben sind nur unter der Voraussetzung unterscheidungskräftig, dass das Zeichen Verkehrsgeltung erlangt hat (ecolex 2001/157 - Immobilienring.at mwN; ÖBl-LS 2003/158 - Immofinanz).

Als rein beschreibend gelten Zeichen, deren Begriffsinhalt von den beteiligten Verkehrskreisen zwanglos und ohne komplizierte Schlussfolgerungen oder Gedankenoperationen erschlossen werden kann und die als beschreibender Hinweis auf die Art der Tätigkeit des betreffenden Unternehmens verstanden werden (ÖBl 1998, 241 - jusline mwN; ÖBl-LS 01/95 - Dermanet; ecolex 2002, 266 [Schanda] = wbl 2002, 89 [Thiele] - Best Energy; 4 Ob 255/02g - mobile office; ÖBl 2002, 138 - internetfactory mwN; ÖBl-LS 2003/158 - Immofinanz; 4 Ob 38/03x = ecolex 2003, 537 [Schanda] - Music Channel).

Enthält das Zeichen nur Andeutungen einer bestimmten Beschaffenheit, ohne die damit bezeichnete Ware oder Dienstleistung konkret oder umfassend zu beschreiben, ist es nicht rein beschreibend (vgl MR 1999, 354 - Wirtschaftswoche; ÖBl-LS 01/20 - E-MED = ecolex 2001, 127 [Schanda]; 4 Ob 237/01h = wbl 2002, 182 - drivecompany; wbl 2002, 183 - internetfactory; ÖBl-LS 02/163 - air...; OPM 4/01 - Holztherm; OPM 7/01 - DERMACURE; ÖBl-LS 2003/158 - Immofinanz; 4 Ob 38/03x = ecolex 2003, 537 [Schanda] - Music Channel). Abzustellen ist dabei auf das Verständnis der beteiligten Verkehrskreise, worunter - etwa bei seltenen Waren oder hochspezialisierten Dienstleistungen - auch nur bestimmte Fachkreise fallen können (ÖBl 1991, 32 - EXPO-Technik mwN; ÖBl 1998, 241 - jusline mwN).

Wird ein Zeichen vom Verkehr mehrdeutig aufgefasst, kann es nach der jüngsten Rechtsprechung des EuGH dann als beschreibend von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (RS C-191/01 - Doublemint Rz 32; abgedruckt in MarkenR 2004, 450).

Nach diesen Grundsätzen ist die Kennzeichnungskraft und damit Schutzfähigkeit des Zeichens "Vital Hotel" in der Unternehmensbezeichnung der Klägerin wegen seines beschreibenden Charakters - sofern ihm nicht Verkehrsgeltung zukommt - zu verneinen. Die Klägerin weist zwar zutreffend drauf hin, dass der Begriff "vital" für sich genommen facettenreich ist und verschiedene Bedeutungen besitzt. Es steht aber - im Sinne der zitierten jüngsten Rechtsprechung des EuGH - der Kennzeichnungskraft eines Zeichens nicht entgegen, dass das angesprochene Publikum damit unterschiedliche Vorstellungen verbindet, solange es nur in einer von mehreren möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Dienstleistung bezeichnet. Letzteres ist beim Zeichen "Vital Hotel" der Fall, das vom Publikum zwanglos als Kennzeichnung eines Beherbergungsbetriebs verstanden wird, der in seinen Dienstleistungen (Verköstigung, Freizeitangebote) eine gesundheitsbewusste Lebensführung in den Vordergrund stellt. Die Verkehrsgeltung des Firmenschlagworts der Klägerin im hier betroffenen regionalen Bereich (das ist das touristische Einzugsgebiet der Therme L*****) ist daher für die Beurteilung von dessen Kennzeichnungskraft ausschlaggebend.

Die Klägerin hat überragende Verkehrsgeltung ihrer Unternehmenskurzbezeichnung behauptet; ihr Beweisanbot dazu umfasst Urkunden und die Einvernahme von Zeugen. Zwar ist das Bestehen der Verkehrsgeltung eines Unternehmenskennzeichens in erster Linie durch Kammergutachten oder Sachverständigenbeweis, allenfalls auch durch demoskopische Gutachten nachzuweisen, doch kann der Beweis (die Bescheinigung) durch Vernehmung von Auskunftspersonen (Zeugen) oder Parteien nicht von vornherein abgelehnt werden (ÖBl 1974, 85 - Exotique; ÖBl 1995, 281 - Hit auf Hit). Die beantragten Personalbeweise hat das Erstgericht - ausgehend von der unrichtigen Rechtsansicht, das Unternehmenskennzeichen der Klägerin sei auch ohne Verkehrsgeltung (schwach) kennzeichnungskräftig - nicht vollständig aufgenommen und sich (vom Rekursgericht gebilligt) mit der Feststellung, die Kurzbezeichnung des Unternehmens der Klägerin sei "in der Thermenregion Loipersdorf allgemein bekannt", begnügt. Damit reichen aber die von den Tatsacheninstanzen getroffenen Feststellungen nicht aus, die Frage der Verkehrsgeltung des in Frage stehenden Zeichens abschließend zu beurteilen.

Der vorliegende rechtliche Feststellungsmangel war infolge Vorliegens einer (gesetzmäßig ausgeführten) Rechtsrüge aufzugreifen. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren die noch ausstehenden Bescheinigungsmittel zur Verkehrsgeltung des Unternehmensschlagworts der Klägerin einzuholen und danach neuerlich über den geltend gemachten Sicherungsanspruch zu entscheiden haben.

Bei seiner Entscheidung wird das Erstgericht - sollte ein Ähnlichkeitsvergleich anzustellen sein - auch darauf einzugehen haben, dass die Beklagte eingewendet hat, mit ihrem Unternehmen allein unter der Bezeichnung „Thermensuitenhotel Vital Resort Loipersdorf" aufgetreten zu sein, während die Klägerin die Verwechslungsgefahr zu ihrer Unternehmenskurzbezeichnung auch darauf gestützt hat, dass in der Unternehmensbezeichnung der Beklagten der Zeichenbestandteil "Vital Resort" blickfangartig in den Vordergrund gerückt werde (vgl etwa Beil./E 5). Die Verwechslungsfähigkeit zweier Kennzeichen ist niemals abstrakt, sondern allein bezogen auf die konkrete Kollisionslage zu beurteilen. Maßgeblich ist dabei (sowohl nach markenrechtlichen Gesichtspunkten als auch nach § 9 UWG) nicht das zergliedernde Betrachten einzelner Bestandteile, sondern der Gesamteindruck beider einander gegenüberstehenden Zeichen (stRsp: Wiltschek UWG9 § 9 Rz 1671, 1869), wobei jedoch einzelne Zeichenbestandteile durchaus unterschiedliches Gewicht besitzen können.

Dem Revisionsrekurs ist im Sinne seines Aufhebungsantrags Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO.

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