Spruch:
Das Revisionsverfahren wird von Amts wegen fortgesetzt. Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei einen mit 265,84 EUR (davon 44,31 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Teil der Kosten des Verfahrens erster Instanz, einen mit 111,17 EUR (darin 18,53 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Teil der Kosten des Berufungsverfahrens und einen mit 111,12 EUR (davon 22,22 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Teil der Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 19. 12. 1923 geborene Klägerin leidet an chronischer Niereninsuffizienz. Die beklagte Niederösterreichische Gebietskrankenkasse hat ihren Antrag auf Kostenübernahme für die Beförderung durch einen Vertragsfahrtendienst für 27 Hinfahrten in die Dialysestation des Hanusch-Krankenhauses der Wiener Gebietskrankenkasse und für 27 Rückfahrten im Hinblick auf den schlechten Allgemeinzustand, der die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht möglich machte, bewilligt. Im Zeitraum vom 3.
10. bis 30. 12. 2000 nahm die Klägerin insgesamt 26-mal für den Transport von ihrem Wohnort L***** in das Hanusch-Krankenhaus (16 km in einer Richtung) und zurück die Dienstleistung der Fa. M***** Leih- und Mietwagen GmbH in Anspruch. Das Fahrzeug kehrte jeweils nach dem Hintransport zum Krankenhaus wieder zum Ausgangspunkt zurück. Nach Beendigung der etwa viereinhalbstündigen Behandlung wurde die Klägerin von einem Fahrzeug der Fa. M***** zu ihrem Wohnort zurückgebracht. Die Fa. M***** stellte der Klägerin insgesamt 15.375,36 S (1.117,37 EUR) in Rechnung, wobei für jeden Behandlungstag vier Fahrten zu je 16 km und ein Kilometersatz von 8,40 S (0,61 EUR) zuzüglich 10% Umsatzsteuer verrechnet wurden. Vor und nach Inanspruchnahme der Fa. M***** ließ sich die Klägerin durch den Arbeiter-Samariter-Bund bzw die Fa. G***** zur Behandlung transportieren; hiedurch wurde sie nicht mit Kosten belastet. Mit Bescheid vom 23. 2. 2001 gewährte die beklagte Partei der Klägerin für insgesamt 26 Beförderungen vom Wohnort ins Hanusch-Krankenhaus und zurück im Zeitraum vom 3. 10. bis 30. 12. 2000 einen Kostenersatz in Höhe von 2.038,40 S (148,14 EUR) und lehnte eine darüber hinausgehende Kostenübernahme ab. Für Transporte mit Lohnfuhrwerken (Taxi- bzw Mietwagenunternehmungen), die keine Verträge mit einer Gemeinde iSd § 1 Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes abgeschlossen hätten, seien gemäß § 45 der Kassensatzung Kosten in der Höhe des halben amtlichen Kilometergeldes zu ersetzen. Bei einer Entfernung von 16 km vom Wohnort nach Wien betrage der Transportkostenersatz insgesamt 2.038,40 S (26-mal 32 km à 2,45 S).
Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin den Betrag von 13.336,90 S (969,23 EUR) samt 8% Zinsen seit 1. 1. 2001 zu bezahlen, ab. Aus § 135 Abs 4 und 5 ASVG sei nicht abzuleiten, dass anfallende Transportkosten zur Gänze zu ersetzen seien. Zur Beurteilung, ob der gemäß § 45 der Satzung in der Höhe des halben amtlichen Kilometergeldes gewährte Kostenersatz ausreichend und angemessen iSd § 135 Abs 4 und 5 ASVG sei, sei der § 135 Abs 4 Satz 2 ASVG heranzuziehen; darauf nehme auch § 135 Abs 5 ASVG Bezug. Darin werde auf die Kosten bei Benützung des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels Bezug genommen; dies gelte auch für die Benützung eines Privatfahrzeuges. Im Vergleich zwischen dem gewährten Kostenersatz und den Kosten bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel könne der Kostenersatz als angemessen angesehen werden. Jedenfalls sei aus § 135 Abs 5 ASVG nicht ableitbar, dass bei Verwendung eines PKWs der Kostenersatz die Kosten der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel übersteigen müsse oder solle. Eine Rechtswidrigkeit der Satzungsbestimmung könne auch nicht daraus abgeleitet werden, dass dann ein höherer Kostenersatz gewährt werde, wenn das Lohnfuhrwerk mit einer Gemeinde eine Vereinbarung iSd 1 Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes abgeschlossen habe. Ein solcher Vertrag werde nur mit denjenigen Firmen abgeschlossen, die über eine gewisse Grundstruktur verfügten, die es diesen Firmen ermögliche, nicht nur reine Krankentransporte durchzuführen, sondern auch eine Fülle anderer Aufgaben wahrzunehmen. Ein Vertragsschluss hänge unter anderem auch damit zusammen, ob entsprechende materielle und personelle Kapazitäten vorhanden seien, ob der gemeldete Fuhrpark für Rettungseinsätze geeignet sei, ob entsprechende Ressourcen vorhanden seien, ob eine entsprechende Funkkommunikation gewährleistet sei und ob daher das private Unternehmen tatsächlich im Stande sei, das gesamte Spektrum des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes abzudecken und nicht nur reine Krankenbeförderung anzubieten. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass es die in der Berufung angesprochenen Bedenken gegen die Gesetzes- und Verfassungskonformität des § 45 der (ihrer Struktur nach als Verordnung zu qualifizierenden) Kassensatzung nicht teile. In Entsprechung des § 135 Abs 4 und 5 ASVG normiere § 45 Abs 2 Z 3 der Satzung als Pflichtleistung die Übernahme der Transportkosten zur ambulanten Behandlung zum nächstgelegenen geeigneten Vertragsarzt oder zur nächstgelegenen geeigneten Einrichtung (Vertragseinrichtung) bzw zurück in die Wohnung des Erkrankten in Höhe der vertraglich festgelegten Tarife. Bei Benützung eines privaten Kraftfahrzeugs werde gemäß § 45 Abs 3 der Satzung nur die Höhe des halben amtlichen Kilometergeldes ersetzt. Dies gelte auch für Transporte mit Lohnfuhrwerken (Taxi- und Mietwagenunternehmen), die keine Verträge mit einer Gemeinde iSd § 1 Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes abgeschlossen hätten. Die Normierung eines vollen Kostenersatzanspruches durch die Satzung unabhängig davon, welches Transportmittel benützt werde, lasse sich dem § 135 Abs 4 ASVG nicht entnehmen; vielmehr sei eine an den Kosten des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels orientierte Beschränkung der Kostenübernahme vorgesehen. Wenn die Satzung den Ersatz bei Inanspruchnahme eines Lohnfuhrwerks mit der Hälfte des amtlichen Kilometergeldes festsetze und dieses die Kosten für die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht unterschreite, könne eine Gesetzwidrigkeit der Satzung nicht erblickt werden. Es sei auch nicht bedenklich, wenn höhere Kosten als das halbe amtliche Kilometergeld nur für jene Transportunternehmen übernommen würden, die nach dem Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes Verträge mit der Gemeinde abgeschlossen hätten. Solche Verträge dürfen nur mit Firmen geschlossen werden, die über eine gewisse medizinische und technische Grundstruktur verfügen und insbesondere qualifiziertes Personal aufweisen, um das gesamte Spektrum des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes abdecken zu können. Damit liege eine sachlich gerechtfertigte Einschränkung bei der Wahl der Vertragspartner vor, sodass die daran anknüpfende unterschiedliche Regelung der Kostenübernahme nicht gegen das Gleichheitsgebot verstoße. Dabei erscheine es unbedenklich, allein auf das Vorhandensein der entsprechenden Qualifikationen des Krankenbeförderungdienstes abzustellen und nicht etwa darauf, ob diese für den konkreten Transport auch notwendig bzw tatsächlich in Anspruch genommen worden seien. Der Frage, welche Art des Transportes aufgrund des gesundheitlichen Zustandes der Klägerin erforderlich gewesen sei und auf welche Art und Weise der Transport tatsächlich erfolgt sei, komme daher keine Relevanz zu.
Die ordentliche Revision sei zuzulassen, da keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit der Satzungsbestimmung über die Beschränkung des Fahrtkostenersatzes im Falle der Benützung eines privaten Fuhrwerks bestehe. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
In der Revision wiederholt die Klägerin ihren Standpunkt, dass § 45 Abs 4 der Kassensatzung dem § 135 Abs 5 ASVG widerspreche und daher gesetzwidrig sei. Abgesehen davon, dass nicht feststehe, dass bei Gewährung des halben amtlichen Kilometergeldes im konkreten Fall die Kosten des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels nicht unterschritten würden, werde es der überwiegenden Anzahl von Versicherten unmöglich, die Differenz zwischen dem halben amtlichen Kilometergeld und den tatsächlichen Kosten eines Lohnfuhrwerks aus eigenen Mitteln zu bestreiten oder aber vor Inanspruchnahme eines Transportmittels umfangreiche Erkundigungen darüber einzuholen, welches Lohnfuhrwerk nun einen Vertrag mit einer Gemeinde iSd Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes abgeschlossen habe und welches nicht. De facto führe die Bestimmung des § 45 Abs 4 der Kassensatzung dazu, dass dem § 135 Abs 5 ASVG, der die Inanspruchnahme eines Lohnfuhrwerks ausdrücklich vorsehe, zur Gänze der Boden entzogen werde, da der geringe Kostenersatz zu einer derart hohen wirtschaftlichen Belastung führe, dass die Aufbringung der verbleibenden Kosten für den Versicherten im Regelfall unmöglich, in jedem Fall aber unzumutbar sei. Im Übrigen seien offensichtlich für die Beschränkung des Kostenersatzes keineswegs wirtschaftliche Überlegungen ausschlaggebend, da bei bloßem Bestehen eines Vertragsverhältnisses mit der Gemeinde (also zu einem Dritten) ein höherer Kostenersatz vorgesehen sei und tatsächlich auch gewährt werde. Die Argumentation der Vorinstanzen führte zu dem weder mit dem Wortlaut des § 135 Abs 4 und 5 ASVG noch mit dem Willen des Gesetzgebers in Einklang zu bringenden wirtschaftlich absurden Ergebnis, dass der Versicherte seine Kosten voll ersetzt erhalte, wenn er einen teureren und medizinisch nicht notwendigen Krankentransportwagen in Anspruch nehme, während er nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten ersetzt erhalte, wenn er sich einem in absoluten Zahlen billigeren und aus medizinischer Sicht durchaus ausreichenden Lohnfuhrwerk befördern lasse. Diese Situation werde noch dadurch verstärkt, dass in der Regel jene Rettungsorganisationen, die einen Vertrag nach dem Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetz abgeschlossen haben, zur Durchführung von Krankenbeförderungsleistungen im Sinne der entgeltlichen Beförderung von Personen, hinsichtlich der eine notärztliche oder sanitätsdienstliche Betreuung nicht erforderlich sei, mangels der entsprechenden Gewerbeberechtigungen gar nicht befugt seien. Insgesamt würden Versicherte bei Inanspruchnahme eines Lohnfuhrwerks, das keinen Vertrag mit der Gemeinde nach dem Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes abgeschlossen habe, in sachlich nicht gerechtfertigter Weise benachteiligt. Bei gesetzeskonformem Verständnis der Kassensatzung sei daher der Klägerin - zumindest - Kostenersatz im gleichen Umfang wie bei Inanspruchnahme eines Unternehmens zu gewähren, das über einen Vertrag mit der Gemeinde verfüge. Es werde daher auch die Anregung wiederholt, ein Prüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 Abs 1 B-VG zu beantragen.
Rechtliche Beurteilung
Im Hinblick auf Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 27. 5. 2003, 10 ObS 386/02s, beim Verfassungsgerichtshof den Antrag gestellt, es möge gemäß § 139 Abs 4 B-VG ausgesprochen werden, dass § 45 Abs 4 der Satzung 1999 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, kundgemacht in der Fachzeitschrift „Soziale Sicherheit", Jahrgang 1999, Seite 669, Amtliche Verlautbarung Nr 71/1999 (Stammfassung), in der Fassung der
2. Änderung der Satzung 1999, kundgemacht in der Fachzeitschrift „Soziale Sicherheit", Jahrgang 2000, Seite 764, Amtliche Verlautbarung Nr 66/2000, außer Kraft getreten aufgrund des § 51 der Satzung 2003 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (avsv Nr. 5/2003) mit 31. 12. 2002, gesetzwidrig war.
Mit Erkenntnis vom 3. 12. 2003, V 76/03-8, V 77/03-8, wies der Verfassungsgerichtshof den Antrag ab. Bereits aus der Entstehungsgeschichte des § 45 der Satzung folge, dass die "vertraglich festgelegten Tarife" in § 45 Abs 2 der Satzung nicht jene seien, die in einem Vertrag zwischen einem Lohnfuhrwerksunternehmen und einer Gemeinde vereinbart worden seien, sei doch § 45 Abs 4 der Satzung erst im Jahr 2000 in die Satzung aufgenommen worden. Ungeachtet der vordergründigen Anknüpfung an einen Vertrag iSd § 1 Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes - unterscheide die Satzung im Ergebnis zwischen Unternehmen, die in vertraglichen Beziehungen zur Nö GKK stehen, und anderen. Der Abschluss eines Vertrages nach dem Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetz setze gemäß § 3 dieses Gesetzes im Übrigen voraus, dass den medizinischen und technischen Anforderungen entsprochen werde. § 45 Abs 3 und 4 der Satzung 1999 habe demnach im Ergebnis den (vollen) Kostenersatz auch davon abhängig gemacht, ob ein zum Krankentransport befähigtes spezielles Unternehmen oder ein "sonstiges" Lohnfuhrwerk tätig geworden sei. Eine solche Differenzierung sei aber von § 135 Abs5 ASVG gedeckt. Der Umstand, dass die Satzung an bestehende Verträge mit einer Gemeinde iSd § 1 Gemeinde-Rettungsdienstgesetz angeknüpft habe, mache sie daher nicht gesetzwidrig.
Nach der Zustellung dieses Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs ist das Revisionsverfahren von Amts wegen fortzusetzen. Im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes erweisen sich die im Wesentlichen auf die Gesetzwidrigkeit der (früheren) Satzungsbestimmung gestützten Revisionsausführungen als nicht berechtigt. Zu Recht sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die beklagte Partei der Klägerin schon die satzungsmäßigen Kosten zugesprochen hat. Hinweise darauf, dass der gewährte Kostenersatz den bei Benützung des billigste öffentlichen Verkehrsmittels erwachsenden Reisekostenaufwand nicht abdecken würde, sind im Verfahren erster Instanz nicht hervorgekommen; die diesbezügliche Anmerkung in der Revisionsschrift verstößt gegen das im sozialgerichtlichen Rechtsmittelverfahren geltende Neuerungsverbot.
In diesem Sinn ist das angefochtene Urteil zu bestätigen. Eine Aufnahme des Inhalts des durch die Klageerhebung außer Kraft getretenen Bescheides in den Urteilsspruch war nicht erforderlich, da sich das Klagebegehren nur auf den noch nicht geleisteten Betrag von 13.336,90 S bezieht.
Wegen der rechtlichen Schwierigkeiten des Verfahrens - die klagende Partei legte vom Obersten Gerichtshof schließlich geteilte Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der anzuwendenden Satzungsbestimmung dar - entspricht es der Billigkeit, der klagenden Partei die Hälfte der Kosten ihres Vertreters zuzusprechen (SSV-NF 2/29 ua). Für die Klage gebührt nur ein Einheitssatz von 60 %.
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