OGH 10ObS386/02s

OGH10ObS386/02s27.5.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bauer als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Peter Ammer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Johann Ellersdorfer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Martha K***** , vertreten durch Dr. Roland Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, Dr. Karl Renner-Promenade 14 - 16, 3101 St. Pölten, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere, Rechtsanwälte in Wien, wegen Kostenerstattung (EUR 969,23), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. September 2002, GZ 9 Rs 46/02d-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Arbeits- und Sozialgericht vom 11. Mai 2001, GZ 5 Cgs 69/01f-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 und 3 B-VG (Art 139 Abs 1 und 4 B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den Antrag,

gemäß Art 139 Abs 4 B-VG auszusprechen, dass § 45 Abs 4 der Satzung 1999 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, kundgemacht in der Fachzeitschrift „Soziale Sicherheit", Jahrgang 1999, Seite 669, Amtliche Verlautbarung Nr 71/1999 (Stammfassung), in der Fassung der

2. Änderung der Satzung 1999, kundgemacht in der Fachzeitschrift „Soziale Sicherheit", Jahrgang 2000, Seite 764, Amtliche Verlautbarung Nr 66/2000, außer Kraft getreten aufgrund des § 51 der Satzung 2003 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (avsv Nr 5/2003) mit 31. 12. 2002, gesetzwidrig war.

Mit der Fortführung des Revisionsverfahrens wird gemäß § 57 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes innegehalten.

Text

Begründung

Die am 19. 12. 1923 geborene Klägerin leidet an chronischer Niereninsuffizienz. Die beklagte Niederösterreichische Gebietskrankenkasse hat ihren Antrag auf Kostenübernahme für die Beförderung durch einen Vertragsfahrtendienst für 27 Hinfahrten in die Dialysestation des Hanusch-Krankenhauses der Wiener Gebietskrankenkasse und für 27 Rückfahrten im Hinblick auf den schlechten Allgemeinzustand, der die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht möglich machte, bewilligt. Im Zeitraum vom 3.

10. bis 30. 12. 2000 nahm die Klägerin insgesamt 26-mal für den Transport von ihrem Wohnort Leopoldsdorf in das Hanusch-Krankenhaus (16 km in einer Richtung) und zurück die Dienstleistung der Fa. Medicar Leih- und Mietwagen GmbH in Anspruch. Das Fahrzeug kehrte jeweils nach dem Hintransport zum Krankenhaus wieder zum Ausgangspunkt zurück. Nach Beendigung der etwa viereinhalbstündigen Behandlung wurde die Klägerin von einem Fahrzeug der Fa. Medicar zu ihrem Wohnort zurückgebracht. Die Fa. Medicar stellte der Klägerin insgesamt 15.375,36 S (1.117,37 EUR) in Rechnung, wobei für jeden Behandlungstag vier Fahrten zu je 16 km und ein Kilometersatz von 8,40 S (0,61 EUR) zuzüglich 10 % Umsatzsteuer verrechnet wurden. Vor und nach Inanspruchnahme der Fa. Medicar ließ sich die Klägerin durch den Arbeiter-Samariter-Bund bzw die Fa. GWS zur Behandlung transportieren; hiedurch wurde sie nicht mit Kosten belastet. Mit Bescheid vom 23. 2. 2001 gewährte die beklagte Partei der Klägerin für insgesamt 26 Beförderungen vom Wohnort ins Hanusch-Krankenhaus und zurück im Zeitraum vom 3. 10. bis 30. 12. 2000 einen Kostenersatz in Höhe von 2.038,40 S (148,14 EUR) und lehnte eine darüber hinausgehende Kostenübernahme ab. Für Transporte mit Lohnfuhrwerken (Taxi- bzw Mietwagenunternehmungen), die keine Verträge mit einer Gemeinde iSd § 1 Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes abgeschlossen hätten, seien gemäß § 45 der Kassensatzung Kosten in der Höhe des halben amtlichen Kilometergeldes zu ersetzen. Bei einer Entfernung von 16 km vom Wohnort nach Wien betrage der Transportkostenersatz insgesamt 2.038,40 S (26-mal 32 km à 2,45 S).

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin den Betrag von 13.336,90 S (969,23 EUR) samt 8 % Zinsen seit 1. 1. 2001 zu bezahlen, ab. Aus § 135 Abs 4 und 5 ASVG sei nicht abzuleiten, dass anfallende Transportkosten zur Gänze zu ersetzen seien. Zur Beurteilung, ob der gemäß § 45 der Satzung in der Höhe des halben amtlichen Kilometergeldes gewährte Kostenersatz ausreichend und angemessen iSd § 135 Abs 4 und 5 ASVG sei, sei der § 135 Abs 4 Satz 2 ASVG heranzuziehen; darauf nehme auch § 135 Abs 5 ASVG Bezug. Darin werde auf die Kosten bei Benützung des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels Bezug genommen; dies gelte auch für die Benützung eines Privatfahrzeuges. Im Vergleich zwischen dem gewährten Kostenersatz und den Kosten bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel könne der Kostenersatz als angemessen angesehen werden. Jedenfalls sei aus § 135 Abs 5 ASVG nicht ableitbar, dass bei Verwendung eines PKWs der Kostenersatz die Kosten der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel übersteigen müsse oder solle. Eine Rechtswidrigkeit der Satzungsbestimmung könne auch nicht daraus abgeleitet werden, dass dann ein höherer Kostenersatz gewährt werde, wenn das Lohnfuhrwerk mit einer Gemeinde eine Vereinbarung iSd 1 Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes abgeschlossen habe. Ein solcher Vertrag werde nur mit denjenigen Firmen abgeschlossen, die über eine gewisse Grundstruktur verfügten, die es diesen Firmen ermögliche, nicht nur reine Krankentransporte durchzuführen, sondern auch eine Fülle anderer Aufgaben wahrzunehmen. Ein Vertragsschluss hänge unter anderem auch damit zusammen, ob entsprechende materielle und personelle Kapazitäten vorhanden seien, ob der gemeldete Fuhrpark für Rettungseinsätze geeignet sei, ob entsprechende Ressourcen vorhanden seien, ob eine entsprechende Funkkommunikation gewährleistet sei und ob daher das private Unternehmen tatsächlich im Stande sei, das gesamte Spektrum des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes abzudecken und nicht nur reine Krankenbeförderung anzubieten. Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. In rechtlicher Hinsicht führte es aus, dass es die in der Berufung angesprochenen Bedenken gegen die Gesetzes- und Verfassungskonformität des § 45 der (ihrer Struktur nach als Verordnung zu qualifizierenden) Kassensatzung nicht teile. In Entsprechung des § 135 Abs 4 und 5 ASVG normiere § 45 Abs 2 Z 3 der Satzung als Pflichtleistung die Übernahme der Transportkosten zur ambulanten Behandlung zum nächstgelegenen geeigneten Vertragsarzt oder zur nächstgelegenen geeigneten Einrichtung (Vertragseinrichtung) bzw zurück in die Wohnung des Erkrankten in Höhe der vertraglich festgelegten Tarife. Bei Benützung eines privaten Kraftfahrzeugs werde gemäß § 45 Abs 3 der Satzung nur die Höhe des halben amtlichen Kilometergeldes ersetzt. Dies gelte auch für Transporte mit Lohnfuhrwerken (Taxi- und Mietwagenunternehmen), die keine Verträge mit einer Gemeinde iSd § 1 Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes abgeschlossen hätten. Die Normierung eines vollen Kostenersatzanspruches durch die Satzung unabhängig davon, welches Transportmittel benützt werde, lasse sich dem § 135 Abs 4 ASVG nicht entnehmen; vielmehr sei eine an den Kosten des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels orientierte Beschränkung der Kostenübernahme vorgesehen. Wenn die Satzung den Ersatz bei Inanspruchnahme eines Lohnfuhrwerks mit der Hälfte des amtlichen Kilometergeldes festsetze und dieses die Kosten für die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht unterschreite, könne eine Gesetzwidrigkeit der Satzung nicht erblickt werden. Es sei auch nicht bedenklich, wenn höhere Kosten als das halbe amtliche Kilometergeld nur für jene Transportunternehmen übernommen würden, die nach dem Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes Verträge mit der Gemeinde abgeschlossen hätten. Solche Verträge dürfen nur mit Firmen geschlossen werden, die über eine gewisse medizinische und technische Grundstruktur verfügen und insbesondere qualifiziertes Personal aufweisen, um das gesamte Spektrum des Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes abdecken zu können. Damit liege eine sachlich gerechtfertigte Einschränkung bei der Wahl der Vertragspartner vor, sodass die daran anknüpfende unterschiedliche Regelung der Kostenübernahme nicht gegen das Gleichheitsgebot verstoße. Dabei erscheine es unbedenklich, allein auf das Vorhandensein der entsprechenden Qualifikationen des Krankenbeförderungdienstes abzustellen und nicht etwa darauf, ob diese für den konkreten Transport auch notwendig bzw tatsächlich in Anspruch genommen worden seien. Der Frage, welche Art des Transportes aufgrund des gesundheitlichen Zustandes der Klägerin erforderlich gewesen sei und auf welche Art und Weise der Transport tatsächlich erfolgt sei, komme daher keine Relevanz zu.

Die ordentliche Revision sei zuzulassen, da keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit der Satzungsbestimmung über die Beschränkung des Fahrtkostenersatzes im Falle der Benützung eines privaten Fuhrwerks bestehe. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im klagsstattgebenden Sinn. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

In der Revision wiederholt die Klägerin ihren Standpunkt, dass § 45 Abs 4 der Kassensatzung dem § 135 Abs 5 ASVG widerspreche und daher gesetzwidrig sei. Abgesehen davon, dass nicht feststehe, dass bei Gewährung des halben amtlichen Kilometergeldes im konkreten Fall die Kosten des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels nicht unterschritten würden, werde es der überwiegenden Anzahl von Versicherten unmöglich, die Differenz zwischen dem halben amtlichen Kilometergeld und den tatsächlichen Kosten eines Lohnfuhrwerks aus eigenen Mitteln zu bestreiten oder aber vor Inanspruchnahme eines Transportmittels umfangreiche Erkundigungen darüber einzuholen, welches Lohnfuhrwerk nun einen Vertrag mit einer Gemeinde iSd Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes abgeschlossen habe und welches nicht. De facto führe die Bestimmung des § 45 Abs 4 der Kassensatzung dazu, dass dem § 135 Abs 5 ASVG, der die Inanspruchnahme eines Lohnfuhrwerks ausdrücklich vorsehe, zur Gänze der Boden entzogen werde, da der geringe Kostenersatz zu einer derart hohen wirtschaftlichen Belastung führe, dass die Aufbringung der verbleibenden Kosten für den Versicherten im Regelfall unmöglich, in jedem Fall aber unzumutbar sei. Im Übrigen seien offensichtlich für die Beschränkung des Kostenersatzes keineswegs wirtschaftliche Überlegungen ausschlaggebend, da bei bloßem Bestehen eines Vertragsverhältnisses mit der Gemeinde (also zu einem Dritten) ein höherer Kostenersatz vorgesehen sei und tatsächlich auch gewährt werde. Die Argumentation der Vorinstanzen führte zu dem weder mit dem Wortlaut des § 135 Abs 4 und 5 ASVG noch mit dem Willen des Gesetzgebers in Einklang zu bringenden wirtschaftlich absurden Ergebnis, dass der Versicherte seine Kosten voll ersetzt erhalte, wenn er einen teureren und medizinisch nicht notwendigen Krankentransportwagen in Anspruch nehme, während er nur einen Bruchteil der tatsächlichen Kosten ersetzt erhalte, wenn er sich einem in absoluten Zahlen billigeren und aus medizinischer Sicht durchaus ausreichenden Lohnfuhrwerk befördern lasse. Diese Situation werde noch dadurch verstärkt, dass in der Regel jene Rettungsorganisationen, die einen Vertrag nach dem Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetz abgeschlossen haben, zur Durchführung von Krankenbeförderungsleistungen im Sinne der entgeltlichen Beförderung von Personen, hinsichtlich der eine notärztliche oder sanitätsdienstliche Betreuung nicht erforderlich sei, mangels der entsprechenden Gewerbeberechtigungen gar nicht befugt seien. Insgesamt würden Versicherte bei Inanspruchnahme eines Lohnfuhrwerks, das keinen Vertrag mit der Gemeinde nach dem Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes abgeschlossen habe, in sachlich nicht gerechtfertigter Weise benachteiligt. Bei gesetzeskonformem Verständnis der Kassensatzung sei daher der Kläger - zumindest - Kostenersatz im gleichen Umfang wie bei Inanspruchnahme eines Unternehmens zu gewähren, das über einen Vertrag mit der Gemeinde verfüge. Es wird daher auch die Anregung wiederholt, ein Prüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art 139 Abs 1 B-VG zu beantragen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

§ 135 ASVG regelt die ärztliche Hilfe. Absatz 5 dieser Bestimmung idF BGBl 1996/411 legt fest, dass die Satzung des Krankenversicherungsträgers unter Bedachtnahme auf § 135 Abs 4 ASVG (Ersatz der Reise- bzw Fahrtkosten) zu bestimmen hat, unter welchen Voraussetzungen für gehunfähig erkrankte Versicherte und Angehörige der Transport mit einem Krankentransportwagen zur Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe sowie der Ersatz der Kosten der Inanspruchnahme eines Lohnfuhrwerkes bzw eines privaten Kraftfahrzeuges gewährt werden kann. Die medizinische Notwendigkeit eines solchen Transportes muss ärztlich bescheinigt sein.

In Ausführung der Bestimmungen des ASVG besagte § 45 der auf Verordnungsebene (VfSlg 3709, 5422, 13133, 13571, 14593 ua; RIS-Justiz RS0053701) stehenden Satzung 1999 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, dass die Kasse Transportkosten übernimmt, wenn ärztlich bescheinigt wird, dass der Versicherte aufgrund seines körperlichen oder geistigen Zustandes kein öffentliches Verkehrsmittel (auch nicht mit einer Begleitperson) benutzen kann (§ 45 Abs 1 Satzung 1999). Transportkosten werden nur für Beförderungen im Inland

1. zur Anstaltspflege in die nächstgelegene geeignete Krankenanstalt bzw aus dieser Krankenanstalt in die Wohnung des Erkrankten,

2. bei aus medizinischen Gründen notwendiger Überstellung zur stationären Behandlung von einer Krankenanstalt in die nächstgelegene geeignete Krankenanstalt,

3. zur ambulanten Behandlung zum nächstgelegenen geeigneten Vertragsarzt oder zur nächstgelegenen geeigneten Einrichtung (Vertragseinrichtung) bzw in die Wohnung des Erkrankten zurück,

4. zur körpergerechten Anpassung von Heilbehelfen und Hilfsmitteln in Höhe der vertraglich festgelegten Tarife übernommen. Wenn sich der Erkrankte zum Zeitpunkt der notwendigen Beförderung vorübergehend nicht an seinem Wohnsitz aufgehalten hat, übernimmt die Kasse die Kosten des Transportes von der Krankenanstalt in die Wohnung des Erkrankten bis zur Höhe der Kosten des Transportes von diesem Aufenthaltsort (Ereignis- oder Unfallort) in die nächstgelegene geeignete Krankenanstalt. Gibt es keine vertraglich festgelegten Tarife, ersetzt die Kasse dem Versicherten Kosten in Höhe der zuletzt geltenden Tarife, sofern im Anhang zur Satzung kein anderer Kostenansatz festgelegt ist (Abs 2 der Satzung 1999). Die Transporte erfolgen

1. "ohne der notwendigen Begleitung eines Sanitäters neben dem Fahrer (sitzend)",

2. mit der notwendigen Begleitung eines Sanitäters neben dem Fahrer (liegend),

3. mit einem privaten Kraftfahrzeug.

Die jeweilige Art des Transportes ist auf Grund des körperlichen oder geistigen Zustandes des Erkrankten ärztlich zu bescheinigen. Wird ein privates Kraftfahrzeug benutzt, ersetzt die Kasse Kosten in Höhe des halben amtlichen Kilometergeldes (Abs 3 der Satzung 1999). Mit der 2. Änderung der Satzung 1999, kundgemacht in der Fachzeitschrift „Soziale Sicherheit", Jahrgang 2000, Seite 764, Amtliche Verlautbarung Nr 66/2000, wurde mit Wirksamkeit vom 1. 10. 2000 folgender Abs 4 in § 45 der Satzung 1999 eingefügt: "Für Transporte mit Lohnfuhrwerken (Taxi- bzw. Mietwagenunternehmungen), die keine Verträge mit einer Gemeinde im Sinne des § 1 Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes (LGBl 9430) abgeschlossen haben, ersetzt die Kasse Kosten in Höhe des halben amtlichen Kilometergeldes."

Gemäß § 51 Abs 1 der Satzung 2003 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (avsv Nr 5/2003) wurde die Satzung 1999 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse mit Ablauf des 31. 12. 2002 aufgehoben. Die aufgehobene Satzung ist jedoch auf eingetretene Versicherungsfälle sowie auf bereits geltend gemachte Leistungsansprüche, die vor ihrer Aufhebung verwirklicht wurden, weiterhin anzuwenden (§ 51 Abs 2 der Satzung 2003). Im Übrigen ist anzumerken, dass § 45 Abs 4 der Satzung 1999 gleichlautend in die Satzung 2003 übernommen wurde.

Nach dem Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetz (LGBl 9430) haben die Gemeinden im Rahmen des Gemeinde-Rettungs- und Krankentransportdienstes zu gewährleisten, dass für die Leistung der Ersten Hilfe und für den Transport von Personen, die in der Gemeinde eine erhebliche Gesundheitsstörung erlitten haben oder wegen ihres Gesundheitszustandes kein gewöhnliches Verkehrsmittel benützen können, entsprechende Einrichtungen zur Verfügung stehen. Der Transport von Personen hat entsprechend ihrer Gesundheitsstörung oder ihres Gesundheitszustandes in:

1. eine Krankenanstalt oder sonstige Einrichtung des Gesundheitswesens,

  1. 2. eine Einrichtung der Sozialhilfe oder
  2. 3. ihre Unterkunft

    zu erfolgen (§ 1 Abs 1 und 2).

    Die Gemeinden haben, sofern sie nicht selbst den Gemeinde-Rettungs- und Krankentransportdienst betreiben, diesen durch Abschluss eines Vertrages mit physischen oder juristischen Personen, die über geeignete Einrichtungen verfügen, sicherzustellen. In diesem Vertrag hat sich die Gemeinde auch zu einem jährlich zu entrichtenden Rettungsdienstbeitrag zu verpflichten (§ 1 Abs 3). Das Land ist zur Sicherstellung des überregionalen Rettungs- und Krankentransportdienstes verpflichtet (Notarztrettungsdienst, Rettungsdienst bei Großunfällen und Katastrophen usw). Die Gemeinde hat an die Rettungsorganisation, mit der sie einen Vertrag gemäß § 1 Abs 3 abgeschlossen hat, jährlich einen bestimmten Beitrag zu den Kosten des allgemeinen örtlichen Rettungs- und Krankentransportdienstes (Rettungsdienstbeitrag) zu entrichten, dessen Höhe entsprechend den örtlichen Gegebenheiten mit dem jährlichen Voranschlag zu beschließen ist. Der Gemeinde-Rettungs- und Krankentransportdienst hat den medizinischen und technischen Anforderungen, die sich aus seinen Aufgaben ergeben, zu entsprechen. Die Landesregierung hat durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Mindestausstattung der bei der Ersten Hilfe und beim Krankentransport erforderlichen medizinischen und technischen Einrichtungen und Geräte sowie über die Mindestanforderungen und -kenntnisse der beim Gemeinde-Rettungs- und Krankentransportdienst tätigen Personen zu erlassen. Hiebei ist insbesondere darauf Bedacht zu nehmen, dass die nach den Grundsätzen und anerkannten Methoden der medizinischen Wissenschaft zur wirksamen Ersten Hilfeleistung unbedingt erforderlichen Geräte und Einrichtungen vorhanden und jederzeit einsatzbereit sind, sowie, dass die mit der Ersten Hilfeleistung und dem Krankentransport befassten Personen ausreichend über Maßnahmen der Ersten Hilfe unterwiesen und mit der Handhabung der Geräte vertraut sind.

    Nach § 4 des Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetzes kann die Gemeinde für die Inanspruchnahme des von ihr betriebenen oder vertraglich sichergestellten Rettungs- und Krankentransportdienstes Kostenersätze einheben. Die Höhe des Kostenersatzes ist durch Verordnung des Gemeinderates für einen gefahrenen Kilometer zu bestimmen. Die Höhe des Kostenersatzes ist so festzulegen, dass die Summe der zu erwartenden Kostenersätze jedenfalls den Aufwand der Gemeinde für einen eigenen Gemeinde-, Rettungs- und Krankentransportdienst bzw. die Höhe der von der Gemeinde zu leistenden Rettungsdienstbeiträge nicht übersteigt. Der Kostenersatz ist von der Gemeinde mit Bescheid vorzuschreiben. Kostenersatzpflichtig sind diejenigen, für die die Hilfeleistung durchgeführt wurde, und die nach dem bürgerlichen Recht zum Unterhalt Verpflichteten. Kostenersatzpflicht besteht nur insoweit, als nicht durch Dritte, so insbesondere von Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, für die Hilfeleistung Ersatz an die Gemeinde geleistet wird.

    Wenn das Gesetz (hier § 135 Abs 5 ASVG) die nähere Determinierung für einen Anspruch einer Verordnung überlässt, ist der Anspruch auf der Grundlage der Verordnung zu prüfen. Es wäre unzulässig, unter Übergehung einer Verordnung die die Grundlage einer solchen Verordnung bildenden gesetzlichen Bestimmungen als Anspruchsgrundlage heranzuziehen (10 ObS 101/99x). § 45 Abs 4 der Satzung 1999 der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse ist daher für die vorliegende Entscheidung präjudiziell.

    § 135 Abs 5 ASVG enthält selbst keine Regelung, unter welchen Voraussetzungen gehunfähig erkrankten Versicherten und Angehörigen der Ersatz der Kosten für die Inanspruchnahme eines Lohnfuhrwerks bzw privaten Kraftfahrzeugs gewährt werden kann, verweist aber diesbezüglich auf § 135 Abs 4 ASVG. Nach § 135 Abs 4 Satz 2 ASVG ist bei der Festsetzung des Ausmaßes des Kostenersatzes bzw eines allfälligen Kostenanteils des Versicherten "auf die örtlichen Verhältnisse und auf den dem Versicherten für sich bzw. seinen Angehörigen bei Benützung des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels erwachsenden Reisekostenaufwand Bedacht zu nehmen". In diesem Sinn wird in § 45 Abs 3 letzter Satz und § 45 Abs 4 der Satzung 1999 einerseits auf die örtlichen Verhältnisse, andererseits aber auch in gewisser Weise (pauschal) auf die Kosten des billigsten öffentlichen Verkehrsmittels Bezug genommen, wenn ein Anspruch auf Kostenersatz in Höhe des halben amtlichen Kilometergeldes eingeräumt ist. Aus der Einordnung des § 135 Abs 5 ASVG unter die Überschrift "Ärztliche Hilfe" und die Bezugnahme auf das Erfordernis einer Begleitperson ergibt sich weiters, dass auch der persönliche Zustand des Versicherten bzw Angehörigen von Bedeutung für den Kostenaufwand sein kann. Auch diesem Gesichtspunkt trägt die Satzung Rechnung, indem in § 45 Abs 3 der Satzung 1999 der Zustand des Erkrankten und die damit in Verbindung stehende Art des Transports berücksichtigt werden.

    § 45 Abs 4 der Satzung 1999 differenziert jedoch - insoweit über die gesetzlichen Determinanten des § 135 Abs 4 und 5 ASVG hinausgehend - für den Umfang des Kostenersatzes danach, ob die Taxi- und Mietwagenunternehmung, die den Transport durchführt, einen Vertrag "mit einer Gemeinde im Sinne des § 1 Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetz" abgeschlossen hat. Liegt ein solcher Vertrag vor (wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob das Wort "einer" als unbestimmter Artikel oder als Zahlwort zu verstehen ist), bestimmt sich der Kostenersatz gemäß § 45 Abs 2 der Satzung 1999 nach den vertraglich festgelegten Tarifen bzw nach den zuletzt geltenden Tarifen. Fehlt dagegen ein Vertrag, ersetzt die Kasse die Kosten (nur) in Höhe des halben amtlichen Kilometergeldes. Die Heranziehung eines solchen Kriteriums, das offensichtlich der Quersubventionierung der Rettungsorganisationen, die mit Gemeinden einen Vertrag gemäß § 1 Abs 3 Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetz abgeschlossen haben, bzw der kostentragenden Gemeinden dient, ist allerdings im Gesetz weder ausdrücklich noch implizit vorgesehen und dürfte § 45 Abs 4 der Satzung 1999 in der Fassung ihrer 2. Änderung gesetzwidrig machen. Nach dem Wortlaut des § 135 Abs 5 ASVG wird zwar eine Differenzierung zwischen Krankentransportwagen einerseits und Lohnfuhrwerk bzw privatem Kraftfahrzeug andererseits in Hinsicht auf den Umfang des Kostenersatzes notwendig sein, erfordert doch ein (für den Transport notwendiger) Krankentransportwagen eine entsprechende Ausstattung und sein Einsatz in der Regel qualifiziertes Personal. Regelmäßig wird daher ein Krankentransportwagen höhere Kosten als ein gewöhnliches Lohnfuhrwerk oder ein privates Kraftfahrzeug verursachen. Auch innerhalb der Kategorie "Krankentransportwagen" ließe sich sachlich gerechtfertigt noch weiter dahin unterscheiden, ob für den Transport die Begleitung eines Sanitäters notwendig ist oder nicht, wie dies in § 45 Abs 3 der Satzung 1999 geschehen ist. Unzulässig scheint es aber nach dem Wortlaut der genannten Ermächtigungsnorm zu sein, die Höhe des Kostenersatzes nicht nur von der Art des Transports (Fahrzeugart und Art des eingesetzten Personals), dessen medizinische Notwendigkeit ohnedies ärztlich bescheinigt werden muss, sondern auch noch von anderen Eigenschaften des Transportunternehmens, etwa dass es einen Vertrag im Sinne des § 1 Nö Gemeinde-Rettungsdienstgesetz (LGBl 9430) mit einer Gemeinde abgeschlossen hat, abhängig zu machen. Aufgrund der aufgezeigten Bedenken sieht sich der Oberste Gerichtshof daher veranlasst, einen Verordnungsprüfungsantrag nach Art 139 Abs 4 B-VG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

    Die Anordnung der Innehaltung des Verfahrens beruht auf der im Spruch zitierten Gesetzesstelle.

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