OGH 9Ob84/03y

OGH9Ob84/03y17.12.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hradil, Dr. Hopf, Univ. Doz. Dr. Bydlinski sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Dr. Lovrek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Herbert L*****, Rechtsanwalt, *****, gegen die beklagte Partei Dr. H***** B*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Dr. Johannes Hübner, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 7.228,78 sA, über die Revision (Revisionsinteresse EUR 6.559,33) der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 28. Jänner 2003, GZ 37 R 547/02v-72, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 22. August 2002, GZ 19 C 303/00b-62, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 499,39 (darin EUR 83,23 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Mit Gesellschaftsvertrag vom 24. 1. 1990 begründeten die Streitteile, beide Rechtsanwälte, mit Wirkung vom 1. 2. 1990 eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht mit dem Zweck der Bereitstellung der organisatorischen Mittel für den jeweiligen Kanzleibetrieb. Der Kläger kündigte fristgerecht zum 31. 12. 1999 die Gesellschaft mit dem Beklagten auf.

Der Beklagte hatte seinerzeit mit dem Vormieter der Kanzleiräumlichkeiten ebenfalls eine Kanzleigemeinschaft gegründet. In dem vom Vormieter mit dem Hauseigentümer abgeschlossenen Mietvertrag hatte es zu § 11 desselben unter anderem geheißen: "Der Mieter hat in Abänderung des § 6 ("Untervermietung und sonstige Überlassung") das Recht, jederzeit eine Büro-(Kanzlei-)gemeinschaft einzugehen und in das bestehende Mietverhältnis Kanzleikollegen als Untermieter oder Solidarmieter aufzunehmen."

Nach dem Ausscheiden des Vormieters war der Beklagte - unstrittig - Träger der Mietrechte.

In dem mit dem Kläger eingegangenen Gesellschaftsvertrag heißt es unter anderem: "3.) Rechtsanwalt Dr. H***** B***** ist Mieter der Kanzleiräumlichkeiten 1010 Wien, Karlsplatz 2, top 15. Der Rechtsanwalt Dr. Herbert L***** tritt dem Mietverhältnis als Solidarmieter gemäß § 11 des Mietvertrages bei.

... 10.) Wird die Gesellschaft aufgekündigt, so verbleiben die Mietrechte und Rechte aus den Dienstverträgen beim Aufgekündigten, soferne nicht einvernehmlich anderes vereinbart wird. Der Aufkündigende hat die Räumlichkeiten zum Kündigungstermin geräumt von seinen Fahrnissen zu übergeben und verpflichtet sich, zum Termin auf seine Mietrechte gegenüber der Hauseigentümerin unbedingt zu verzichten. Mit Schreiben vom 5. 2. 1990 gab der Beklagte gegenüber dem Verwalter des Hauses bekannt, dass er "im Sinn des § 11 seines Mietvertrages über das oben genannte Kanzleiobjekt, Herrn Dr. Herbert L*****, Rechtsanwalt, als Mitmieter aufgenommen habe". Die Vorinstanzen konnten nicht feststellen, dass der Kläger selbst eine Willenserklärung gegenüber dem Vermieter abgegeben habe, und zwar weder beim Eingehen noch beim Auflösen des Gesellschaftsverhältnisses mit dem Beklagten.

Der Kläger begehrte zuletzt den Zuspruch von ATS 99.869,74 für eine vereinbarte Ablöse, Investitionen, welche dem Beklagten verblieben, sowie für diverse Regieabrechnungen, wobei anerkannte Gegenforderungen des Beklagten bereits abgezogen seien.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete kompensando bis zur Höhe des Klagebetrages eigene Gegenforderungen ein; insbesondere Forderungen aus dem Titel des Schadenersatzes, die sich daraus ergeben, dass der Kläger sein Mietverhältnis zum Vermieter nicht zur Auflösung gebracht und dadurch den Beklagten daran gehindert habe, das Kanzleilokal entweder zur Gänze selbst zu benützen oder allenfalls einen neuen Regiepartner als Mitmieter oder Untermieter aufzunehmen. Andererseits sei der Kläger verpflichtet geblieben, die auf ihn entfallenden anteiligen Mietkosten weiter selbst zu tragen, welche vom Beklagten zur Gänze geleistet worden seien.

Das Erstgericht erkannte 1.) die Klageforderung mit EUR 7.228,78 (= ATS 99.470,14) als zu Recht, 2.) die Gegenforderung mit EUR 669,45 (= ATS 9.211,86) als zu Recht bestehend und 3.) den Beklagten daher für schuldig, dem Kläger EUR 6.559,33 sA zu zahlen. Das Mehrbegehren von EUR 669,45 sA wies es - rechtskräftig - ab. Hinsichtlich der kompensando eingewendeten Schadenersatzforderungen aus dem Mietverhältnis verwies es auf die ihm durch das Berufungsgericht im ersten Rechtsgang überbundene Rechtsansicht. In diesem Aufhebungsbeschluss hatte das Berufungsgericht die Rechtsauffassung vertreten, dass der Kläger weder ausdrücklich noch schlüssig in die Mietrechte gegenüber dem Vermieter - sei es auch nur teilweise - eingetreten sei, sodass der Beklagte nie in seiner weiteren Disposition gehindert gewesen sei. Für die übrigen kompensando eingewendeten Forderungen fehle es an tauglichen Rechtsgrundlagen: Eine Zimmerpflanze sei gemeinsam entsorgt worden, mangels Rechtswidrigkeit könne der Beklagte daraus keinen Schadenersatzanspruch ableiten. Desgleichen reichten dem Erstgericht seine Feststellungen nicht aus, um daraus auf eine vom Kläger verursachte, überdurchschnittliche Abnützung schließen zu können. Die Doppelverrechnung für eine Kanzleibedienstete sei nicht dem Kläger anzulasten, sondern auf eine Unaufmerksamkeit des Beklagten selbst zurückzuführen. Auch aus dem Verbleib der Telefonanlage sei dem Beklagten kein Schaden entstanden. Telefonkosten seien vom Kläger bereits durch Abzug von der Klageforderung berücksichtigt worden. Hinsichtlich geltend gemachter Substitutionskosten sei dem Kläger kein vertragswidriges Verhalten nachweisbar. Soweit dem Beklagten ein Zinsschaden entstanden sei, sei dieser durch Feststellung der Kompensandoforderung berücksichtigt worden, ein darüber hinausgehender Schaden sei nicht erweislich.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Hinsichtlich der vom Beklagten eingewendeten Mietzinsforderung hielt es an seiner schon im ersten Rechtsgang geäußerten Rechtsauffassung fest. Im Übrigen folgte es der Rechtsauffassung des Erstgerichtes. Erst über Abänderungsantrag (§ 508 Abs 1 ZPO) der beklagten Partei ließ es die Revision mit der Begründung zu, dass keine Rechtsprechung dazu vorliege, ob das für Zwecke der Begründung einer Kanzleigemeinschaft eingeräumte teilweise Weitergaberecht einem Weitergaberecht im Sinne der bisherigen Judikatur gleichzuhalten sei. Bei Bejahung dieser Frage hätte es nämlich nach der Rechtsprechung keiner Willenserklärung des Klägers bedurft, sondern wäre dieser vielmehr durch Mitteilung des Eintritts seitens des Beklagten gegenüber dem Vermieter in den Mietvertrag eingetreten.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Gründen der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens sowie der Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass die Gegenforderung zur Gänze als berechtigt festgestellt und daher das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragte, die Revision als unzulässig zurückzuweisen; hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem das Revisionsgericht nicht bindenden Zulassungsausspruch (§ 508a Abs 1 ZPO) des Berufungsgerichtes nicht zulässig, weil die Entscheidung von der Auslegung von Verträgen im Einzelfall abhängt und auch nicht angenommen werden kann, dass Vertragstexte wie die hier zu beurteilenden allgemeine Verwendung bei der Anmietung von Kanzleiräumlichkeiten oder der Begründung von Kanzleigemeinschaften finden.

Vorweg ist auf das Argument der klagenden Partei einzugehen, die Revision sei nicht rechtzeitig erhoben worden: Während der Beklagte im Verfahren erster Instanz unvertreten war und auch die Berufung noch unvertreten erhoben wurde, schritt bereits in der mündlichen Berufungsverhandlung der nunmehrige Beklagtenvertreter unter Berufung auf die erteilte Vollmacht für den Beklagten ein. Das Erstgericht verfügte auch richtig (§ 93 Abs 1 ZPO) die Zustellung des Urteils des Berufungsgerichtes an den Beklagtenvertreter, doch wurde offensichtlich infolge eines Irrtums der Zustellschein an den Beklagten persönlich adressiert und diesem auch das Urteil am 17. 2. 2003 zugestellt. Auf Grund eines Zustellantrages des Beklagtenvertreters erfolgte die Zustellung des Berufungsurteiles an diesen am 13. 3. 2003, die Revision wurde daraufhin am 9. 4. 2003 zur Post gegeben. Entgegen den Erwägungen der klagenden Partei kann es nach der Bestimmung des § 93 Abs 1 ZPO nicht darauf ankommen, dass der Beklagte Rechtsanwalt ist. Wohl wäre eine Heilung der Zustellung nach § 9 ZustG möglich gewesen (Zib in Fasching II/12 Rz 19 zu §§ 31, 32 ZPO), doch lässt schon das Vorbringen des Klägers nicht auf eine solche Heilung schließen. Der Umstand, dass der Beklagte selbst die Revision verfasst hätte, könnte nicht die Annahme rechtfertigen, dass die Berufungsentscheidung dem Beklagtenvertreter vor der Zustellung durch das Gericht tatsächlich zugegangen wäre.

Zur Revision: Das Schwergewicht der Revision, welches sich ausschließlich gegen die Aberkennung der kompensando eingewendeten Gegenforderung des Beklagten richtet, liegt auf einer angeblich unvertretbaren Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes zur Wirksamkeit der Ausübung eines Rechtes auf (teilweise) Weitergabe der Mietrechte. Dem Revisionswerber ist dahin beizupflichten, dass nach der Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0032747) bei Bestehen eines Weitergaberechtes der neue Mieter selbst ohne Einwilligung des Vermieters anstelle des bisherigen Vermieters in den Vertrag eintritt, wobei der Übergang der Rechte und Pflichten aus dem Bestandvertrag mit der Mitteilung an den Bestandgeber vollzogen ist. Zutreffend verweist der Revisionswerber aber selbst darauf, dass ein im Mietvertrag vom Vermieter zugesichertes Weitergaberecht im Zweifel nicht auf den Nachmann übergeht, sondern durch Einmalausnützung konsumiert wird (RIS-Justiz RS0111168). Selbst wenn daher, wie vom Beklagten vorgebracht, die Regelungen über das Weitergaberecht anwendbar wären, ist daraus im Ergebnis für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen: Zunächst räumt der mit dem Vormieter abgeschlossene Vertrag nach seinem klaren Text nur dem seinerzeitigen Mieter das Recht ein, jederzeit eine Büro-Kanzlei-Gemeinschaft einzugehen und in das bestehende Mietverhältnis Kanzleikollegen als Untermieter oder Solidarmieter aufzunehmen. Dass auch derart "aufgenommenen" Personen, wie dem Beklagten, ebenfalls ein solches (teilweises) Weitergaberecht eingeräumt worden wäre, muss nach dem Einmaligkeitscharakter eines solchen Weitergaberechtes zweifelhaft sein. Selbst wenn man aber von einem solchen Weitergaberecht des Beklagten und einem Eintritt des Klägers in das Mietverhältnis ausgehen wollte, wäre nicht einsichtig, warum der Beklagte - nach erfolgter Räumung durch den Kläger - gehindert gewesen wäre, entweder sämtliche Räumlichkeiten selbst zu benützen oder aber entsprechend § 11 des Mietvertrages einen anderen Kanzleikollegen aufzunehmen, zumal dgl im Gesellschaftsvertrag mit dem Kläger nicht ausgeschlossen war. Vielmehr sollten ja gemäß Punkt 10.) des Gesellschaftsvertrages, worauf der Kläger zutreffend hinweist, im Falle einer Aufkündigung der Gesellschaft die Mietrechte dem Kündigungsgegner verbleiben. Damit ist aber auch die Rechtsauffassung des Berufungsgericht vertretbar, dass die Untätigkeit des Klägers bei Auflösung des Gesellschaftsverhältnisses keinen Schaden verursacht und damit dem Beklagten auch keinen Anspruch auf Ersatz eines solchen eröffnet hat.

Auch die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, weil das Berufungsgericht nur Wertungen des Parteivorbringens vorgenommen hat, worin keine Aktenwidrigkeit im Sinne des Gesetzes liegen kann (RIS-Justiz RS0043277). Auch die Mängelrüge verweist nur auf Auslegungen des Parteivorbringens durch das Berufungsgericht, ohne von deren Unvertretbarkeit überzeugen zu können.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Die Revisionsbeantwortung diente der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung, weil die klagende Partei darin auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat.

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